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Wiener Terroranschlag: Staatsanwaltschaft verlangt Höchststrafe

Der Prozess um den Terroranschlag in Wien gelangt in die Zielgerade.
Der Prozess um den Terroranschlag in Wien gelangt in die Zielgerade. ©APA (Synbolbild)
Der Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien geht am Wiener Landesgericht für Strafsachen in die Zielgerade.
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Nachdem in der Vorwoche das Beweisverfahren abgeschlossen wurde, hielt am Dienstag zunächst die Staatsanwältin in Wien ihren Schlussvortrag. Sie hält alle sechs Angeklagten für schuldig, den Attentäter in irgendeiner Form unterstützt zu haben. "Auf derart hinterhältige Angriffe auf unsere Werte und die Demokratie steht zurecht die Höchststrafe". Die Schlussvorträge der Staatsanwältin und der Verteidiger sind gehalten worden. Für die Angeklagten könne es "nur eine Strafe geben".

14 intensive Verhandlungstage in Wien

Nach "14 intensiven und anstrengenden Verhandlungstagen", wie sie es nannte, fasste die Staatsanwältin in Wien die Beweise zusammen, die aus ihrer Sicht zu Verurteilungen aller sechs Angeklagten führen sollen. Alle insgesamt 28 Hauptfragen, die die Geschworenen am Ende ihrer Beratungen zu beantworten haben, seien zu bejahen. Eingangs sprach sie den Geschworenen ihren Dank für ihr "beherztes und interessiertes Auftreten" aus. Tatsächlich fielen die Geschworenen im Laufe des Verfahrens immer wieder mit peniblen Fragen an die Angeklagten, aber auch die Zeugen auf.

Die Staatsanwältin erinnerte die Laienrichter aber auch daran, dass es bei diesem Prozess in Wien nicht um die Verfehlungen des Verfassungsschutzes im Vorfeld des Anschlags oder bereits verurteilte Familienmitglieder einzelner Angeklagter gehe. Die Geschworenen hätten lediglich die 28 Hauptfragen zu beantworten, die Ihnen gestellt werden. "Klar ist, dass jeder einzelne der hier sitzenden Angeklagten den Attentäter in irgendeiner Form unterstützt hat", betonte die Staatsanwältin.

Drittangeklagter sei mit Attentäter befreundet gewesen

Verteidiger Rudolf Mayer, der den Drittangeklagten vertritt, räumte ein, dass dieser mit dem Attentäter gut bekannt und befreundet gewesen sei: "Aber so weit ist die Freundschaft nicht gegangen, dass er ihm geholfen hat." Mayer räumte auch ein, sein Mandant habe Propagandamaterial der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) besessen und verbreitet. Mit dem Anschlag habe er jedoch nichts zu tun gehabt. Diesbezüglich fehle jeglicher Schuldbeweis. "Wenn Sie Zweifel haben, müssen sie 'Nein' sagen (die Hauptfrage nach Beteiligung an Vorbereitungshandlungen verneinen, Anm.), unabhängig von der Fürchterlichkeit dieser Tat", meinte Mayer in Richtung der Geschworenen.

Drittangeklagten in Wien wurde "psychischer Tatbeitrag" vorgeworfen

An diesen Zweifelssatz erinnerte auch Elmar Kresbach, der den 28-jährigen Drittangeklagten in Wien vertritt. Immer wurde seinem Mandanten ein "psychischer Tatbeitrag" vorgeworfen worden. Welche mentale Unterstützung das genau gewesen sei, sei aber das ganze Verfahren über nicht herausgekommen. Sein Mandant sei ein "Unglücksraabe", mit dem großen Pech, in den Wochen vor dem Anschlag bei dem Attentäter gewohnt zu haben. "Wenn er dort nicht geschlafen hätte, wäre er heute nicht hier", sei Kresbach überzeugt. Seine DNA fand man an Waffen, Munition und diversen Gegenständen, die der Attentäter bei dem Anschlag mit sich führte. Es handle sich um "Sekundärübertragung", so das Argument der Verteidigung. Anders sah das bei ihrer Befragung die Sachverständige Christina Stein, die eben jenes Gutachten erstellt hatte.

Kresbach kritisierte Legitimität des Gutachtens

Den ganzen Prozess über kritisierte Kresbach immer wieder die Legitimität eben jenes Gutachtens. Dieses sei nämlich zentraler Punkt der Anklage."Für meinen Mandanten geht es da um die Wurst, es geht um Schuld oder Unschuld". Sicher ist sich Kresbach auf jeden Fall in einem Punkt: "Ich habe in diesem Fall keine einen Schuldspruch tragenden Antworten".

Auch für eine Verurteilung des Fünftangeklagten wegen Verbrechen der Beteiligung an terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord sei "die Suppe zu dünn", laut seiner Verteidigerin Astrid Wagner. Er sei der einzige auf der Anklagebank, der "mit der Islamismusszene nichts zu tun" habe. Mit seinen 32 Jahren sei er eine andere Generation als der Attentäter und die anderen Angeklagten, die er nicht kenne und die ihn auch nicht kennen. Vorgeworfen wird ihm, dem Attentäter die Waffe beschafft und dann am Tag vor dem Anschlag aufmunitioniert zu haben. Den illegalen Waffendeal gab er zu, allerdings habe er "nichts gewusst". Nichts gewusst über den Mann dem er die Waffe beschafft hatte und nichts von dessen "teuflischen Plänen". Das sei der springende Punkt, so die Verteidigerin. "Mein Mandant ist weder ein Islamist noch ein Terrorist". Was den ihm vorgeworfenen Aufenthalt in der Wohnung des Attentäters am Tag vor dem Anschlag betrifft, kritisierte Wagner abermals Fehler der Ermittler. Die Handydaten würden nicht ausreichen, um ihm diesen nachzuweisen.

Verteidiger des Fünftangeklagten appellierte an die Geschworenen

Wie seine Vorrednerin und auch deren Vorredner appellierte auch der Verteidiger des Fünftangeklagten, Wolfgang Mekis, an die Geschworenen, nicht auf den Zweifelsgrundsatz zu vergessen. "Wenn sie sich zu 99 Prozent sicher sind, dass er schuldig ist, müssen sie ihn freisprechen". Er hat die Waffenbeschaffung mitorganisiert und zum Teil abgewickelt, indem er den Kontakt zum Fünftangeklagten hergestellt hat. Dazu habe er sich auch von Anfang an schuldig bekannt, so Mekis. Nicht jedoch könne man sagen, dass er diesen Beitrag zu dem illegalen Waffendeal im Wissen um die Anschlagspläne geleistet habe.

Prozess um Wiener Terroranschlag geht in die Zielgerade

Der Sechstangeklagtehabe die Waffenbeschaffung mitorganisiert und zum Teil abgewickelt, indem er den Kontakt zum Fünftangeklagten hergestellt habe. Letzterer wiederum habe sich durch die Vermittlung und schließlich Übergabe der beim Anschlag verwendeten Waffe an den Attentäter schuldig gemacht. Beide Angeklagten hätten zugegeben, an der Waffenbesorgung beteiligt gewesen zu sein, von den Anschlagsplänen wollen sie aber nichts gewusst haben. "Eine AK-47 hat nur einen Anwendungsbereich, und das ist das Töten von Menschen", richtete sich die Staatsanwältin an die Geschworenen.

Dass der Sechstangeklagte nichts von den Plänen gewusst habe, widerspricht laut Staatsanwaltschaft "jeder Logik". Der langjährige Freund des späteren Attentäters wurde bereits in der Vergangenheit rechtskräftig verurteilt, habe aber auch nach seiner Verurteilung noch radikalislamistische Nasheeds verbreitet. Dass er dem Attentäter "so etwas niemals zugetraut" hätte, glaubte ihm die Staatsanwältin nicht. Auch deshalb, weil der Angeklagte gegenüber seinem Vater von der Angst sprach, dass sein Freund einen Anschlag verüben könnte.

Beschaffung des Sturmgewehres: Fünftangeklagter in Wien ist geständig

Geständig zeigte sich der Fünftangeklagte in Wien, was die Beschaffung des Sturmgewehres für den Wiener Terroranschlag betrifft. Ihm wird jedoch auch vorgeworfen, die Waffe am Tag vor dem Anschlag in der Wohnung des Attentäters aufmunitioniert zu haben. Dafür spreche seine DNA auf der Munition und die Telefondaten, die beweisen, dass er sich zumindest im Umkreis der Wohnung aufgehalten hatte, betonte die Staatsanwältin. "Aber selbst wenn sie dieses Treffen mit dem Attentäter verneinen und zu dem Schluss kommen, dass er selbst nicht radikalisiert ist, hat er durch die Beschaffung noch immer zu vier Morden beigetragen", richtete sich die Staatsanwältin erneut an die Geschworenen.

Terror-Prozess in Wien: Erstangeklagter nicht geständig

Als einziger der sechs Angeklagten nicht in U-Haft sitzt der Erstangeklagte - jener Mann, der den Attentäter von Wien im Sommer 2020 nach Bratislava chauffierte, wo letzterer versuchte, an Munition für eine AK-47 zu kommen. Immer wieder habe er während den Ermittlungen und der Hauptverhandlung seine Aussage geändert, kritisierte die Staatsanwältin seine Glaubwürdigkeit. "Einmal war er ein Freund, dann wieder nur ein flüchtiger Bekannter des Attentäters". Seine Aussagen zu jenem Tag im slowakischen Waffengeschäft, wonach er nicht im Geschäft gewesen sei, während der Attentäter sich nach Munition erkundigte, wurden laut Staatsanwältin durch die Mitarbeiter eben jenes Geschäfts widerlegt. Er sei dabei gewesen, und habe "genauso enttäuscht reagiert wie der Attentäter, als sie keine Munition bekamen".

Aber auch sein Verhalten im Anschluss an den Wiener Terroranschlag befand die Staatsanwältin für konspirativ. Unmittelbar nach der Tat habe er den Drittangeklagten vor einer etwaigen Razzia gewarnt und sein Handy auf Werkseinstellungen zurückgesetzt. Außerdem zeige die Auswertung seiner Datenträger "ein klares Bild seiner Gesinnung".

Geschworene berieten über Schuld des Viertangeklagten im Wiener Terrorprozess

Nur "eins und eins zusammenzählen" müssten die Geschworenen, wenn sie sich über die Schuld des 28-jährigen Viertangeklagten im Wiener Terrorprozess beraten. Dieser hatte in den Wochen vor dem Anschlag beim Attentäter gewohnt, DNA-Spuren fand man auf den Waffen, der Munition und - so die Staatsanwältin - "nahezu allen Gegenständen", die der Attentäter beim Anschlag in einer Tasche mit sich führte. "Sekundärübertragung" war immer wieder das Argument seiner Verteidigung. Man habe aber auch "Schmauchanhaftungen, wie beim oberflächlichen Putzen einer Waffe" auf einem Putzfetzen gefunden. Chatprotokolle mit seiner Frau, in denen er sie um Übersetzung mehrerer IS-Publikationen bittet, seien einer von mehreren Beweisen für seine radikal-islamistische Gesinnung. Dass mehrere Mitglieder seiner Familie sich dem IS angeschlossen hatten, müssten die Geschworenen bei ihrer Beurteilung jedoch außen vor lassen, bekräftigte die Staatsanwältin.

Schuld von Zweit- und Drittangeklagten lassen sich nicht trennen

Nicht voneinander trennen könne man die Schuld des Zweit- und des Drittangeklagten - zwei langjährige Freunde des Attentäters von Wien, denen die psychische Bekräftigung der Anschlagspläne sowie Hilfe bei der Wahl des Anschlagsziels vorgeworfen wird. Dass nach einem Lokal und dessen Adresse gesucht wurde, zeigen Handyauswertungen des Drittangeklagten. Dass die beiden am Tag des Anschlags bei dem Attentäter waren, um diesem wie geschildert ein Buch zurückzubringen, glaubte die Staatsanwältin nicht. Viel eher hätten sie ihm Mut zugesprochen und seien in der Wohnung gewesen, als er ein Bekennervideo aufnahm.

Direkt nachdem der Attentäter am Abend die Wohnung verlassen hatte und sich am Weg in Richtung Schwedenplatz gemacht hatte, habe er eine Bekennerbotschaft gesendet, die vom Drittangeklagten positiv kommentiert wurde. "Eine Botschaft, die jeder Anhänger des IS versteht, egal ob er Arabisch spricht oder nicht".

Staatsanwaltschaft verlangt Höchststrafe im Wiener Terror-Prozess

Vor knapp vier Jahren wurden der Drittangeklagte und der spätere Attentäter verurteilt, weil sie versucht hatten, sich auf den Weg nach Syrien zu machen und dort dem IS anzuschließen. Staatsanwältin im damaligen Prozess war dieselbe wie auch in diesem. "Damals haben uns die beiden versichert, dass sie keine Anhänger des IS sind. Heute wissen wir, dass ihre Beteuerungen falsch waren", erinnerte sie sich. Und abschließend: "Ich glaube den sechs Angeklagten kein Wort".

Im Falle der Höchststrafe droht vier der sechs Angeklagten in Wien eine lebenslange Haft. Den anderen beiden drohen maximal 20 Jahre, da sie zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt waren.

Geschworene beraten am Mittwoch über die Schuldfrage

Die Geschworenen nehmen am Mittwochvormittag ihre Beratungen über die Schuldfrage auf. Zuvor kommen noch die sechs Angeklagten kurz zu Wort. Wie lange die Beratungen der Laienrichter dauern werden, ist offen, mit mehreren Stunden ist jedenfalls zu rechnen. Im Anschluss müssen die Geschworenen im Fall von Schuldsprüchen gemeinsam mit den drei Berufsrichtern das Strafausmaß für jeden einzelnen Angeklagten festlegen. Mit der Urteilsverkündung ist demnach frühestens am Nachmittag zu rechnen.

(APA/Red)

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