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Wiener Strafjustiz bevorzugt persönliche Anwesenheit von Angeklagten

Die Strafjustiz zeigt sich beim Einsatz von Videokonferenzen eher zurückhaltend.
Die Strafjustiz zeigt sich beim Einsatz von Videokonferenzen eher zurückhaltend. ©APA (Sujet)
Weil in Verfahren mit Laienbeteiligung der persönliche Eindruck sehr wichtig sei, verzichtet man am Landesgericht Wien auf den Einsatz von Videokonferenzen bei Schöffen- und Schwurprozessen.

Die Strafjustiz ist beim Einsatz von Videokonferenzen zurückhaltend, die in der Coronakrise unter bestimmten Umständen - bei besonderer Dringlichkeit und wenn es um Haftfristen geht - grundsätzlich zulässig sind. An den Landesgerichten Wien und Graz werden keine Schöffen- und Schwurprozesse über Video abgewickelt.

In Wien keine Videokonferenzen bei Schöffen- und Schwurprozessen

Am Wiener Landesgericht für Strafsachen sind ab Anfang Mai wieder verstärkt Schöffenverfahren, in der ersten Maiwoche auch ein erstes Geschworenenverfahren anberaumt. Die Angeklagten werden nicht über Video in den Verhandlungssaal zugeschaltet, sondern von der Justizwache vorgeführt, wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf APA-Anfrage erklärte.

"In Verfahren mit Laienbeteiligung ist der persönliche Eindruck sehr wichtig." Um den Schöffen und Geschworenen ein umfassendes Wahrnehmen des Angeklagten zu ermöglichen, sei daher dessen Anwesenheit erforderlich. "Damit ist auch sichergestellt, dass die Verteidigerrechte in vollem Umfang gewährleistet sind", sagte Salzborn.

Um Mimik zu beobachten: Angeklagter erhält Gesichtsschild

Das Vorgehen wurde seitens des Landesgerichts für Strafsachen im Vorfeld mit der angeschlossenen Justizanstalt Josefstadt abgesprochen und akkordiert. Die Justizwache hat sich beim Vorführen zur Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften, dem Beachten des Mindeststabstands von einem Meter und dem Tragen von Schutzmasken verpflichtet.

Der Häftling wird bereits in der Vorführzone mit einem Gesichtsschild aus Plexiglas ausgestattet, mit dem sich dann in der Verhandlung seine Mimik beobachten lässt.

Auch in Graz keine Videokonferenzen

Am Grazer Landesgericht für Strafsachen finden demgegenüber bis Anfang Juni gar keine Schwurverhandlungen statt, wie Mediensprecherin Barbara Schwarz Dienstagmittag mitteilte. Mit der Justizwache seien noch keine konkreten Vorführregeln getroffen worden, außerdem sei bisher noch nicht jeder Verhandlungssaal mit einer Plexiglasscheibe am Richtertisch ausgerüstet. Auch in Graz hält man die persönliche Anwesenheit von Angeklagten in Schöffen- und Schwurverfahren für unerlässlich - nicht nur, um dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck der Beschuldigten zu verschaffen, wie Schwarz betonte: "Diese haben im Sinn der Chancengleichheit auch das Recht, dass sie das Gericht im ganzen Umfang sehen." Dass die Kameras in Schwurverfahren neben den drei Berufsrichtern auch die gesamte Geschworenenbank erfassen, sei nicht gewährleistet.

Man sei grundsätzlich "an die Mündlichkeit und die Öffentlichkeit des Strafverfahrens gebunden", bekräftige Schwarz im Gespräch mit der APA. Daher hätten in Graz seit Ausbruch der Corona-Pandemie nur einzelgerichtliche Verfahren und vereinzelt Schöffenverfahren - in der Regel solche, die nach einem ersten Termin fortgesetzt wurden - stattgefunden.

(APA/Red)

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