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Wiener Polizei: Rund 1.200 Einsätze pro Tag im Jahr 2020

In Wien gab es für Polizisten im Jahr 2020 rund 1.200 Einsätze pro Tag.
In Wien gab es für Polizisten im Jahr 2020 rund 1.200 Einsätze pro Tag. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Im Jahr 2020 hatten die Wiener Polizisten rund 1.200 Einsätze pro Tag zu bewältigen. Vor allem im Frühjahr gab es bei manchen Delikten massive Rückgänge.

Wie Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl am Montag im APA-Gespräch sagte, gab es im Vorjahr 1,2 Millionen Notrufe, von denen etwa ein Drittel bis ein Viertel tatsächlich in einem Polizeieinsatz mündete.

Weniger Kriminalität im ersten Corona-Lockdown in Wien

Pürstl sagte, dass man das Jahr 2020 aufgrund der Corona-Krise in zwei Phasen teilen könne. Die erste betreffe das Frühjahr mit dem ersten Lockdown, die zweite die Zeit ab September. Vor allem in der ersten Phase habe man sehr wenige Menschen auf der Straße gesehen. "Da hat das Kriminalitätsgeschehen deutlich nachgelassen", so der Polizeipräsident. Etwa im Bereich Wohnraumeinbrüche - also in Wohnungen und Einfamilienhäuser - gab es Rückgänge um 80 bis 90 Prozent. Auch bei anderen Delikten wie Taschendiebstählen und Raubüberfällen wurden viel weniger Taten als sonst verzeichnet.

Doch es gab auch Entwicklungen, welche Wiens höchstrangigen Polizisten überraschten: "Es gab keinen Rückgang, aber auch keine wesentlichen Anstiege im Bereich Cyberkriminalität, die offensichtlich auf die Pandemie zurückzuführen sind", sagte Pürstl. Anstiege registrierten die Ermittler beim Online-Betrug. Ab dem September normalisierte sich das Straßenbild wieder. Viele Menschen gingen wieder an ihren Arbeitsplatz und waren auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Folgerichtig: "Es gab auch im Herbst Rückgänge, aber nicht so stark wie im Frühjahr."

Anstieg häuslicher Gewalt blieb aus

Überraschend war für Pürstl wie für viele Experten, dass der befürchtete Anstieg bei der häuslichen Gewalt ausblieb. Der Landespolizeipräsident plädierte für eine wissenschaftliche Untersuchung: Häusliche Gewalttaten sind sogenannte Anzeigendelikte. Das heißt, dass die Polizei nur dann davon erfährt, wenn sie angezeigt werden. Die Frage an die Wissenschaft würde nun lauten, ob die Zahl der häuslichen Gewaltakte tatsächlich nicht stieg oder Betroffene sie nur nicht anzeigen, weil der Gefährder mangels Ausweichmöglichkeiten immer zuhause ist. "Das ist nicht belegt und wäre eine Untersuchung wert", sagte Pürstl.

Beschlagnahmungen von Drogen hat 2020 zugenommen

Auch überraschend ist, dass die Beschlagnahmungen von Drogen und Bargeld aus Suchtmitteldelikten 2020 gegenüber 2019 zugenommen haben, und zwar deutlich. Vor allem Heroin, Kokain und Cannabisprodukte gab es mehr. Beim Bargeld wurden im vergangenen Jahr 660.000 Euro bei Suchtmittel-Dealern beschlagnahmt. 2019 waren es mit etwa 325.000 Euro nicht einmal halb so viel. Pürstl sagte, der Schwerpunkt im öffentlichen Raum vor allem durch die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) wurde fortgesetzt, man habe aber auch auf die Beschaffung via Darknet ein Auge.

660.000 Geschwindigkeitsübertretungen beanstandet

Die Corona-Pandemie wirkte sich auch beim Arbeitsaufkommen bei für die Kontrolle des Straßenverkehrs eingesetzte Polizisten in Wien aus. Pürstl sagte, es gab im Vorjahr 506.000 Radarmessungen, die in Anzeigen mündeten, dazu kamen 120.000 Lasermessungen, die Anzeigen nach sich zogen. Insgesamt wurden 2020 660.000 Geschwindigkeitsübertretungen beanstandet.

Ein Ziel ist es laut Pürstl, "grundsätzlich bei jeder Verkehrsanhaltung einen Alkoholvortest durchzuführen". Damit wurden im vergangenen Jahr 3.500 Lenker gestoppt, die mehr als 0,8 Promille Alkohol im Blut hatten. Der Landespolizeipräsident bezeichnete als umso bedenklicher, dass 2.400 durch Suchtmittel beeinträchtigte Autofahrer erwischt wurden - denn da gibt es noch kein Vortestgerät. "Wir haben zwar eine große Anzahl spezialisierter Beamter im Erkennen einer Suchtmittelbeeinträchtigung. Aber das sind bei weitem nicht alle", erläuterte der Landespolizeipräsident.

Corona-Pandemie: "Hatten nie mehr als 200 Infizierte zugleich"

Wichtig ist in der Corona-Pandemie immer der Schutz der eigenen Belegschaft. "Wir hatten nie mehr als 200 Infizierte zugleich", sagte Pürstl. "Und das ist bei 8.000 Mitarbeitern doch beachtlich." Dabei sei der Polizeiberuf besonders herausfordernd, nicht nur durch den Streifendienst mit engem Kontakt zu Kollegen, aber auch durch dauernde Kontakte zu Bürgern, von denen man nicht wisse, ob sie Infektionen haben und wie sie sich verhalten.

Pürstl nahm auch zu Radikalisierungstendenzen innerhalb der Bevölkerung der Bundeshauptstadt Stellung. Krisen wie eben jetzt die Corona-Pandemie würden bei größeren Bevölkerungsgruppen Verunsicherung auslösen. Vor allem Existenzängste, Sorgen um den Arbeitsplatz oder die Firma stehen dabei im Vordergrund: "Es ist klar, dass sich Personen des linken Randes, aber vor allem des rechten Randes darum bemühen, diese Menschen abschöpfen zu können." Pürstl sprach in diesem Zusammenhang von Bauernfängerei: "Wenn die Menschen aber sehen, dass die Wirtschaft anspringt, dass sie nach wie vor einen Arbeitsplatz haben, dann werden auch diese Ängste nachlassen." Aus staatspolizeilicher Sicht sei aber klar, dass man sowohl das links- als auch das rechtsextremistische Spektrum beobachten müsse.

Deradikalisierungsarbeit wird aber gerade in Zeiten der Pandemie mit den Kontaktbeschränkungen für Sozial- und Jugendarbeiter nicht leichter, räumte der Polizeipräsident ein. "Die Polizei allein kann das nicht lösen." Die Zusammenstöße im vergangenen Sommer in Favoriten seien aber eigentlich in einem Konflikt im Ausland begründet gewesen. Prokurdische Demos hätten eine große türkische Community aufgestachelt mit dem Ziel, "die Kurden in Wien mundtot zu machen". Es gebe nun ein Maßnahmenbündel der Polizei, bei dem es auch darum geht, mehr Präsenz zu zeigen.

Pürstl über den Terroranschlag am 2. November im Wien

Ein weiteres großes Thema des abgelaufenen Jahres war der Terroranschlag durch einen Dschihadisten in der Wiener Innenstadt am Abend des 2. November. Zum Ermittlungsstand wollte sich Pürstl nicht äußern und verwies auf die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. Wie nach jedem Anschlag werde die Frage gestellt, ob die Polizei und der Staatsschutz im Vorfeld Fehler gemacht hat. "Klar ist, dass kaum ein Attentäter vor einem Anschlag nicht schon polizeibekannt war, insofern ist das nicht überraschend", betonte der Polizeipräsident.

Er habe sich für die Untersuchung ausgesprochen. "Ich habe aber auch immer betont: Man muss die Dinge immer ex ante betrachten", sagte Pürstl. Also geht es um die Frage, ob mit dem Wissensstand vor dem Anschlag dieser zu verhindern gewesen wäre. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) habe eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt, die klären soll, ob es im Vorfeld des Anschlags Versäumnisse gab. Der Leiter des Wiener Landesverfassungsschutzes, Erich Zwettler, habe für die Dauer der Arbeit der Kommission seine Funktion ruhend gestellt, um den Untersuchungen "nicht im Wege zu stehen". Zwettler sei derzeit ihm persönlich zugewiesen, sagte Pürstl.

(APA/red)

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