In Schmidts Oratorium, das im Rahmen der Wiener Festwochen erneut zur Aufführung kam, bleibt kein Stein auf dem anderen. Fabio Luisi und die Wiener Symphoniker haben das musikalische Großprojekt Sonntagabend auf die Bühne des Musikvereins gebracht – und mit ihrer Verneigung vor Solisten und Singverein für eine Offenbarung gesorgt. Für den Weltuntergang gab es nicht abbrechen wollenden Jubel und stehende Ovationen.
Passend zur Geschichte des Musikvereins
Die Geschichte des Musikvereins ist auch eine von Krieg, Zerstörung, Feuerregen und Heuschrecken. Denn Schmidts Werk entstand als Auftragswerk der Gesellschaft der Musikfreunde zu deren 125-Jahr-Jubiläum und wurde im – für Österreich politisch schicksalsträchtigen wie ebenso verheerenden – Jahr 1938 uraufgeführt. Keine Frage, dass “Das Buch mit den sieben Siegeln” auch zum heurigen 200er wieder auf die Bühne gebracht werden musste. Der Chor hat das Werk seit seiner Entstehung 87 Mal aufgeführt, verrät das Abendprogramm.
Luisi lässt “seine” Symphoniker demütig anheben. Denn er weiß, gleich wird der Schöpfer auf der Orgelempore vor ihn treten. In diesem Fall heißt dieser Rene Pape, die “Stimme des Herrn” ist üblicherweise ein Bass. Seine Worte gelten Johannes dem Täufer in der Gestalt des Tenors Herbert Lippert. Mehr braucht es nicht, das geniale Paar vereinnahmt mit Textverständnis und Eindringlichkeit. Und auch das mehr als nur unterstützende Quartett (Christiane Oelze, Christa Mayer, Timothy Oliver, Steffen Rössler) kann stimmlich punkten.
Ein Highlight der Wiener Festwochen
Der Publikumsliebling des Abends ist allerdings Legion: Der Singverein lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er neben dem Schöpfer Herr im Haus ist. Der gedruckte Text erübrigt sich bei so deutlicher Artikulation, von zart bis hart werden alle Nuancen ausgesungen. Und wenn das finale “Amen” ertönt, dürfte man dieses auch im Jenseits vernommen haben. Die Symphoniker schrecken vor so viel geballter Stimmlichkeit allerdings nicht zurück. Trotzdem sorgt Luisi dafür, dass der Schwerpunkt auf dem Vokalen bleibt. Er bevorzugt transparente, treibende Unterstützung statt symphonischen Pomp.
Kein Wunder, dass das beeindruckte Publikum ein paar Sekunden braucht, um das Vorhaben entsprechend zu würdigen. Und erst nach etlichen Minuten bereit ist, den Saal zu verlassen, in dem gerade die zweistündige Apokalypse getobt hat. Vor allem Chor, Pape und Lippert wurden bejubelt. Und auch der “Unsichtbare” des Abends, der technisch beeindruckende Organist Robert Kovacs, bekam bei diesem Abend im Rahmen der Wiener Festwochen endlich seinen Auftritt.
(apa/red)