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Wien: Prozess um vermeintliche "Erbschleicherin" vertagt

Der Prozess wurde vertagt.
Der Prozess wurde vertagt. ©APA (Sujet)
Eine 44-Jährige soll versucht haben, einem betagten 81-jährigen Wiener das Vermögen abzuluchsen. Die Frau wehrte sich vor Gericht gegen die Vorwürfe.

Ein spannender Prozess um einen betagten Wiener, der laut Anklage um sein Vermögen - ein Einfamilienhaus in Penzing und neun Lebensversicherungen im Wert von mehr als 630.000 Euro - gebracht werden sollte, ist am Mittwoch am Landesgericht eröffnet worden. Die Angeklagte - eine 44-Jährige, die den Witwer seit langem kennt und ihn zuletzt betreut hatte - stellte das wortreich in Abrede.

81-Jähriger sei für Angeklagte wie ein Vater

Die aus Serbien stammende Frau bezeichnete den 81 Jahre alten Mann während der gesamten mehrstündigen Verhandlung als "Onkel Josef". Sie habe den pensionierten Beamten im Alter von 18 Jahren kennengelernt: "Wir waren wie eine Familie. Er ist für mich eine ganz wichtige Person in meinem Leben gewesen. Er ist für mich wie ein Vater."

Nach dem Tod seiner Frau habe sie sich des allein stehenden Mannes angenommen, der außer zwei Nichten, zu denen es keinen bzw. kaum Kontakt gibt, keine Verwandten besitzt. Mit den inkriminierten Handlungen habe sie seinen Wünschen entsprochen und ihm daher geholfen: "Er wollte, dass ich mich um seine Finanzen kümmere."

44-Jährige ließ sich Vorsorgevollmacht geben

Die Staatsanwältin sieht in der 44-Jährigen dagegen eine "Erbschleicherin", die sich das fremde Vermögen unter den Nagel reißen habe wollen. Dabei habe sie die Unsicherheit, leichte Beeinflussbarkeit und die mittlerweile erkennbar eingetretene Hilflosigkeit des Pensionisten ausgenutzt.

Im Juli 2018 ging die Frau mit dem 81-Jährigen zum Notar und ließ sich eine Vorsorgevollmacht geben, um im Fall des Verlusts seiner Geschäftsfähigkeit über das Vermögen von "Onkel Josef" verfügen zu können. Vier Tage später sprach die Angeklagte erstmals bei dem Unternehmen vor, bei dem der Mann neun Lebensversicherungen abgeschlossen hatte. Anfang August begehrte sie dann deren Rückkauf und legte eine notariell beglaubigte Vollmacht vor, derzufolge sie den 81-Jährigen in sämtlichen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten vertrete. Die Auflösung der Verträge scheiterte - eine Mitarbeiterin hatte den Eindruck, dass der betagte Mann Anzeichen einer Demenz zeigte und seine Begleiterin diesen Umstand ausnutzte.

65.000 Euro von Konto behoben

Die 44-Jährige gab sich nicht geschlagen. Sie versuchte laut Anklage, mit einer vom 81-Jährigen unterfertigten und bezirksgerichtlich beglaubigten Bezugsrechtsänderung an die 630.000 Euro zu kommen. Das Finanzinstitut hatte Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser Eingabe und erstattete Anzeige.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der 81-Jährige - möglicherweise auf Betreiben der 44-Jährigen - bereits ein Wertpapierdepot aufgelöst und sich über 63.000 Euro auf sein Konto überweisen lassen. Dank einer Vollmacht, die sie als Zeichnungsberechtigte auswies, behob die 44-Jährige von diesem Konto vier Tage später 65.000 Euro. Das Konto wies danach einen Einlagestand von 19 Euro und 53 Cent auf.

Mann laut Gutachten mittlerweile mittelgradig dement

Der 81 Jahre alte Mann kann nicht mehr zeugenschaftlich befragt werden. Er ist mittlerweile dement und nicht mehr vernehmungsfähig. Den Verteidigern Nikolaus Rast und Peter Philipp zufolge war der Witwer im Sommer 2018 aber noch geistig fit, wobei sie sich auf die Wahrnehmung mehrerer Zeugen stützten.

Im anklagegegenständlichen Zeitraum - Juli bis September 2018 - hatte der 81-Jährige Kontakt zu zwei Juristen, um in Begleitung der Angeklagten seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu regeln. Im Notariat, wo eine Vorsorgevollmacht besorgt wurde, erschien der betagte Mann geschäftsfähig. "Ich hatte keinen Zweifel, dass er die Vollmacht wirklich abschließen will", versicherte der Notariatssubstitut nun als Zeuge dem Schöffensenat (Vorsitz: Wilhelm Mende). Es habe sich um einen "alten Mann" gehandelt, "aber ich war mir ganz sicher, dass er wusste, was er tat".

Ähnlich klang ein Anwalt, bei dem sich der 81-Jährige und seine Begleiterin eine Eintragung im Testamentsregister - er hatte zu ihren Gunsten schon im August 2017 einen handschriftlichen Letzten Willen aufgesetzt - und einen Vertrag über ein Wohnungsgebrauchsrecht beschafften: "Wenn er zu Wort gekommen ist, hat er gewusst, um was es geht."

Geschäftsfähigkeit war laut Neurologem nicht beeinträchtigt

Vor allem aber gibt es einen mit 3. September 2018 datierten Befund eines Neurologen, den der 81-Jährige dessen Angaben zufolge aufgesucht hatte, "weil er wissen wollte, wie er geistig beisammen ist". Wie der Neurologe dem Gericht schilderte, habe er nach einer rund zehnminütigen Untersuchung keinen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Mannes gehabt: "Er war nicht dement. Er war zeitlich annähernd und örtlich voll orientiert. Sein Gedächtnis war auch gut. Er hat alles gewusst."

Für den von der Justiz bestellten psychiatrischen Sachverständigen Harald P. David waren diese Feststellungen nicht nachvollziehbar. Er hatte den 81-Jährigen am 9. Oktober 2018 - also keine fünf Wochen nach dem Neurologen - untersucht. Dabei wies er eine mittelgradige Demenz nach, die zumindest bereits seit sechs Monaten bestand. Damit wäre der 81-Jährige im inkriminierten Zeitraum erheblich beeinträchtigt gewesen.

Verhandlung wurde vertagt

David bekräftigte in der Verhandlung seine gutachterlichen Feststellungen. Bei seiner Untersuchung wären beim Witwer "beträchtliche kognitive Einschränkungen" vorgelegen. "Das hätte auch einem medizinischen Laien auffallen müssen, wenn er mehr als zehn Minuten zielgerichtet mit ihm redet", betonte der Experte. Auf die Ausführungen des Neurologen angesprochen, bemerkte David: "Dafür habe ich keine Erklärung."

Die Verhandlung wurde schließlich auf den 8. Jänner vertagt.

(APA/Red)

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