Wien, Berlin & Bern: Bürgermeister setzen sich für Demokratie ein

"Wir machen deutlich, dass wir für ein bestimmtes Demokratiemodell stehen", sagte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Donnerstag nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Berlin (Michael Müller) und Bern (Alec von Graffenried) im Rathaus.
Müller: "Freiheiten keine Selbstverständlichkeiten"
Müller wies darauf hin, dass sich immer mehr Institutionen aus Osteuropa in der deutschen Hauptstadt ansiedeln. Darüber freue er sich als Bürgermeister zwar, "aber sie müssen auch in ihren Ländern frei arbeiten können". Die aktuellen Entwicklungen in Europa zeigen, dass Freiheiten keine Selbstverständlichkeiten seien und "dass das ein Kampf ist, den wir alle zu führen haben", sagte der sozialdemokratische Politiker.
Allianz der drei Städte existiert seit zwei Jahren
Die Allianz der drei Städte war vor zwei Jahren bei einem Treffen in Bern ins Leben gerufen worden. Außenpolitik sei nicht mehr nur Angelegenheit der Nationalstaaten, betonte Graffenried. "Es zeigt sich mehr und mehr, dass Städte eigene Interessen und eine eigene Agenda haben, die nicht deckungsgleich ist mit ihren Nationen", sagte der Grün-Politiker. Als Beispiel führte er etwa Budapest und Warschau an, deren Bürgermeister den rechtsnationalen Regierungen ihrer Länder Paroli bieten.
Die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat ist einer von vier Punkten, auf die sich die drei Bürgermeister in einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung verständigt haben. Weiters fordern sie, dass die Klimaziele "sozial gerecht erreicht werden" müssen, es mehr leistbares Wohnen gibt und eine "resiliente und kreislauforientierte Wirtschaft für gute Arbeit" geschaffen wird.
Städte wollen Lobby gegen Immobilienhaie bilden
Ein besonderes Anliegen ist den drei Städten dabei das Thema Wohnen. Man wolle "gemeinsam eine Lobby bilden gegen Immobilienhaie", sagte Ludwig mit Blick auf umstrittene Projekte von internationalen Immobilienentwicklern, aber auch die Nutzung von Wohnungen durch Vermietungsplattformen. Müller sagte, dass das Thema nach der Aufhebung des Berliner Mietendeckels durch das Verfassungsgericht nun in Deutschland zu einem großen Wahlkampfthema werde, weil es auf Bundesebene geregelt werden müsse. Graffenried sagte, man schaue in Bern beim Thema Wohnen "schon neidig nach Wien, wie gut ihr seid".
Müller und Graffenried zu Besuch in Wien
Müller und Graffenried trugen sich am Donnerstag ins Goldene Buch der Stadt Wien ein und wollten sich während ihres zweitägigen Besuchs unter anderem Gemeindebauten, Umweltprojekte und auch die Corona-Teststraße im Austria Center Vienna ansehen. Ludwig zeigte sich diesbezüglich stolz auf das Projekt "Alles gurgelt" für flächendeckende kostenlose Gurgeltests in der österreichischen Hauptstadt, das er seinen Amtskollegen vorstellen wolle.
Der Wiener Bürgermeister forderte auch Maßnahmen, um die Folgen der Coronakrise für Gesellschaft und Arbeitsmarkt abzufedern. Diesbezüglich nannte er etwa Projekte für ältere Arbeitnehmer und Jugendliche. Außerdem müsse es Maßnahmen im Bereich Home Office geben, weil dieses gerade bei Arbeitnehmerinnen zu einer Doppel- und Mehrfachbelastung geführt habe. Außerdem habe Wien, "den Ehrgeiz Digitalisierungshauptstadt zu werden", wobei der Schwerpunkt auf "digitalen Humanismus" gelegt werden solle. Die Technik solle den Menschen dienen und nicht umgekehrt, betonte der SPÖ-Politiker.
(APA/Red)