Anlässlich des internationalen Tags der Reanimation traf VOL.AT Andrea Staudach (52) und Nicole Baumann (44). Die beiden Frauen konnten gemeinsam durch ihr beherztes Eingreifen einem Kollegen helfen, ihm vielleicht sogar das Leben retten.

Notfall im Sparmarkt: "Er lag schon am Boden"
Die Beiden arbeiten im Spar-Supermarkt im Zentrum von Hörbranz. Der Samstag vor einem Jahr, genauer gesagt der zweite September 2023, war für sie ein Arbeitstag wie jeder andere. Gegen 9 Uhr kam es dann zu einem Notfall: Ein Kollege brach zusammen. "Er hat zu mir gesagt, ich soll die Bestellung machen", erinnert sich Feinkost-Abteilungsleiterin Andrea. "Dann bin ich zur Türe hereingekommen und er lag schon am Boden." Metzger Wise war ein langjähriger Mitarbeiter der Feinkostabteilung und stand damals kurz vor der Pension. Erst meinte Andrea, er sei ausgerutscht – das kam bereits einmal vor. "Sie wollte ihm helfen und hat bemerkt, dass er nicht mehr reagiert", schildert Marktleiterin Nicole. "Dann habe ich gleich angefangen, zu reanimieren und habe sofort um Hilfe gerufen", erinnert sich Andrea. Nicole hörte den Hilferuf, dachte aber zuerst, es sei nur jemandem etwas runtergefallen. Als sie ihre Kollegin bei der Reanimation erblickte, half sie mit. "Ich habe sie abgelöst, weil es doch anstrengend ist", erklärt sie. "Er hat dann zwischenzeitlich wieder geatmet. Dann haben wir ihn in die stabile Seitenlage gebracht." Wise lief blau an, jemand rief dann die Rettung.

Video: Andrea und Nicole im Gespräch
"Wir sind froh, dass es so gut ausgegangen ist"
Mit vereinten Kräften brachten sie als Ersthelferinnen Wises Herz wieder zum Schlagen. Bis zum Eintreffen der First Responder führten die beiden Spar-Mitarbeiterinnen weiter die Herzdruckmassage durch. "Sie waren schnell da", verdeutlicht Nicole gegenüber VOL.AT. "Trotzdem ist es einem vorgekommen wie Stunden. Ich war tot-froh, als sie uns abgelöst haben." Ihr Kollege wurde schließlich von den Rettungskräften stabilisiert und ins Krankenhaus geflogen. "All das in der Abteilung, während wir offen hatten", betont Marktleiterin Nicole. Mit einer Decke wurde die Wiederbelebung abgeschirmt. "Wir waren sehr sehr sehr froh, als es nach ein paar Tagen hieß, dass er es gut überstanden hat", geben die beiden Frauen zu verstehen. "Tatsächlich haben die Notärzte gesagt: Ohne unser beherztes Eingreifen hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft", so Nicole. Nach der Reha kann Wise ohne Komplikationen seine Pension genießen. "Wir sind natürlich froh, dass es so gut ausgegangen ist." Er kommt regelmäßig einkaufen, um seine Kolleginnen zu sehen.

"Du siehst, er atmet nicht, er wird blau und du machst einfach"
Zu helfen, war für Nicole und Andrea selbstverständlich. "Du siehst, er atmet nicht, er wird blau und du machst einfach", sind sie sich einig. "Egal was, aber du machst was." Andere Mitarbeiter seien geschockt und wie gelähmt gewesen, erinnern sich die beiden. Zu Recht: Sie hatten selbst vor kurzem privat schlimme Erfahrungen ähnlicher Art gemacht, meint Nicole. Zwei, drei Mitarbeiter mussten danach nach Hause geschickt werden. Auch das Kriseninterventionsteam war vor Ort und arbeitete mit den Mitarbeitern den Notfall auf. "Für Andrea und mich war es eigentlich so, dass wir gesagt haben, wir wollen arbeiten, weil wir die Ablenkungen brauchen", erinnert sich die Marktleiterin. Darüber zu reden, könne helfen. Ein Jahr nach dem Notfall denke man oft nicht mehr darüber nach, sind sich die beiden einig. "Am Anfang, als er wieder da war, wurde er gefeiert wie ein Papstbesuch", meint Nicole und lacht. Doch der erste Schock über den Vorfall bleibt Kunden und Mitarbeitern in Erinnerung: "Es war schon erschütternd für alle, weil wir doch eine kleine Gemeinde sind und viele sich auch kennen", meint die Marktleiterin gegenüber VOL.AT.
Aus Arbeitskollegen wurden Lebensretter
Ein Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb eines Krankenhauses stellt laut dem Roten Kreuz die dritthäufigste Todesursache in Österreich dar. Die Überlebenschancen der Betroffenen schwinden mit jeder untätig verstrichenen Minute. "Der internationale Tag der Reanimation erinnert jährlich am 16. Oktober daran, dass, wenn das Herz aufhört zu schlagen, sofort eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen entscheidend sind", so das Rote Kreuz in einer Aussendung. "Dieses Beispiel zeigt, dass aus Alltag unversehens eine Notfallsituation und dass aus Arbeitskollegen, Bekannten, Verwandten oder einfach dem Gegenüber Lebensretter werden können", erklärt Landesrettungskommandant Gerhard Kräutler.

Rotes Kreuz: "Jeder kann helfen"
"Es gibt uns aber vor allem Hoffnung, dass Erste Hilfe selbstverständlich ist und das Vertrauen und der Mut dazu in uns allen steckt", gibt Kräutler zu verstehen. Er spricht den beiden Ersthelferinnen für ihr beherztes und unverzügliches Eingreifen gleichzeitig seinen großen Respekt aus. "Jeder kann helfen. Das Wissen und die Fähigkeiten dazu vermitteln Erste-HilfeKurse. So oder so gilt die Faustregel der Ersten Hilfe: Man kann nichts falsch machen. Falsch ist nur, nichts zu tun – das Wählen des Notrufs ist ein einfacher und ein erster Schritt dazu", so Kräutler.
Ehrung bei der DECUS-Gala
Andrea Staudach und Nicole Baumann erhalten laut dem Roten Kreuz in knapp einem Monat die entsprechende Ehrenbühne für ihr vorbildhaftes Handeln: Im Rahmen der diesjährigen DECUS-Gala, die im Zeichen von Dank für Engagement, Courage und Selbstlosigkeit steht. Am 18. November werden sie, wie auch weitere Ersthelfer stellvertretend für alle unerwähnten Helden der Ersten Hilfe von den DECUS-Partnern vor den Vorhang geholt und gebührend gefeiert. "Da hätten wir nicht damit gerechnet", meinen sie gegenüber VOL.AT. "Das sollte einfach immer normal sein."

Zum Tag der Reanimation veröffentlicht das Rote Kreuz auch Informationen und Tipps zum Thema Herz-Kreislauf-Stillstand und Wiederbelebung:
Wissenswertes
- Typische Symptome eines Herz-Kreislauf-Stillstands: Der Patient ist nicht ansprechbar und hat keine normale Atmung.
- Zwei Drittel der Herz-Kreislauf-Stillstände werden von Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen u.v.m. beobachtet.
- In 45 Prozent der Fälle werden durch private Ersthelfer Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen.
- Die ersten Minuten entscheiden über Leben und Tod.
- Die Überlebenswahrscheinlichkeit sinkt um 7 bis 10 Prozent pro Minute, die zwischen Zusammenbruch und Defibrillation vergeht.
Reanimation bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand
"Keine Angst vor der Wiederbelebung – alles ist besser, als gar nichts zu tun", verdeutlicht das Rote Kreuz Vorarlberg. Das sollten Sie tun:
- Bewusstsein und Atmung prüfen: Schauen, ob der Patient ansprechbar ist und noch atmet (bei leicht überstrecktem Kopf prüfen; ggf. Fremdkörper aus Mund und Rachen entfernen).
- Notruf über 144 absetzen – die Leitstelle entsendet umgehend die Rettungskräfte und unterstützt per Telefon bei der Wiederbelebung bis zu deren Eintreffen.
- 30 x Herzdruckmassage: Patienten flach auf einen harten Untergrund legen, sich über ihn beugen und mit übereinander gelegten Handflächen 30 Mal rhythmisch und kräftig auf die Mitte des Brustbeins drücken.
- 2 x Atemspende: Nach 30 Kompressionen beatmen Sie den Patienten zweimal (entweder Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung).
- 30:2-Zyklus: Setzen Sie den 30:2-Zyklus (30 x Herzdruckmassage und 2 x Atemspende im Wechsel) so lange fort, bis der Notarzt eintrifft oder der Patient wieder alleine atmet.
- Ggf. Defibrillation: Falls es einen Defibrillator (AED) in der Nähe gibt, können Sie diesen zusätzlich zur Wiederbelebung verwenden (den Sprachanweisungen bzw. schriftlichen Anweisungen des Geräts folgen) – sein Einsatz darf aber niemals die Herzdruckmassage verzögern oder ersetzen!
Erfahren Sie mehr zum Erste-Hilfe-Kursangebot des Roten Kreuzes Vorarlberg unter www.roteskreuz.at/aktuelle-kurse
(VOL.AT)