Bei einem Zwischenstopp im Vorarlberger Medienhaus stellte sich der Kanzlerkandidat auch den Fragen von VOL Live, zum Wahlkampf, dem Verhältnis zur ÖVP und der Politikverdrossenheit der Österreicher. Am Abend gabs dann in Bregenz ein Grillfest der SPÖ Vorarlberg, an dem auch Sozialminister Erwin Buchinger teilnahm.
Interview mit Werner Faymann
VN: Die EU soll näher zum Bürger, so die Begründung der neuen SPÖ-Linie in Sachen EU. Soll diese stärkere Bürgerbeteiligung auch in Österreich Einzug halten?
Faymann: Gründsätzlich bin ich der Meinung, dass es keine großen Reformen ohne die volle Einbindung der Länder geben kann. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, wie eine Spitalsreform ohne die Bundesländer vorstellbar sein soll. Daher gehöre ich auch zu den wenigen Österreichern, die sagen, es hängt nicht davon ab, ob es Rot oder Schwarz ist sondern welche handelnden Personen im Vordergrund stehen.
VN: Die letzte Regierung ist an der Bundesstaatsreform grandios gescheitert. Wird es einen Neuanlauf geben?
Faymann: Wenn man das Zusammenspiel von Bund und Ländern nicht ernsthaft angeht, dann kann man nie einsparen. Man kann nicht den Finanzausgleich mit den Ländern durchführen und dann zur Tagesordnung übergehen. Es gibt für die großen Fragen nie ausreichend Geld. Irgendwann geht es einem aus. Und so kann man auf die Dauer ohne Einsparungen beispielsweise die Pensionen nicht sichern. Von der Gesundheit bis über die Kinderbetreuung gibt es eine Menge von Themen, bei denen vorhandene Doppelgleisigkeiten abgebaut werden müssen.
VN: Gerade im Bereich der Gesundheitsreform gab es in Vorarlberg heftigen Widerstand.
Faymann: Ich hatte das Gefühl, dass die Landeshauptleute vom Prinzip her mitziehen. Diese sind ja auch daran interessiert, dass sie langfristig Sicherheit haben. Da gibt es Bundesländer, die früher in Schwierigkeiten kommen, und welche, die später Probleme haben. Zum Schluss habe ich die Bundesländer nicht mehr auf der anderen Seite wahrgenommen sondern interessiert, wie man mit den Ärzten einen gangbaren Weg findet.
VN: In der Frage nach dem Durchgriffsrecht auf die Länderkassen war das aber nicht der Fall.
Faymann: Schon, aber zum Schluss war es nicht der Grund des Scheiterns. Da war es nur noch die Frage, bei welcher Kontrollveranstaltung ist wer und wie vertreten.
VN: Sie sprechen vom Sparen. In Vorarlberg steht nach wie vor die Schließung von rund 60 Arztpraxen zur Diskussion. Müssen sich die Menschen auf solche Einschnitte gefasst machen?
Faymann: Die niedergelassenen Ärzte waren in der Finalphase gut einbezogen. Da waren die Einsparungen stärker auf Seiten der Pharmaindustrie angesetzt.
VN: Kontrovers wird in Vorarlberg derzeit das Thema Achraintunnel diskutiert. Die Kosten explodieren. Reicht der Zweckzuschuss, welchen der Bund nach der Verländerung der Bundesstraßen zugesichert hat?
Faymann: Ich möchte einen Schritt zurückgehen. Es sind diese Kostenschätzungen viele Jahre nach folgendem Prinzip gemacht worden: Zuerst setzt man es nieder an, damit man sie ins Programm bekommt. Dann beginnt man mit dem Geständnis, und zum Schluss nennt man es Kostenüberschreitung. Wir haben uns in den letzten 18 Monaten redlich darum bemüht, von vornherein die Kosten so zu schätzen, wie sie sind. Aber man wird sicherlich darüber reden müssen, wie es mit den Bundesstraßen weitergeht.
VN: Die Teuerung ist für die SPÖ zentrales Wahlkampfthema. Welche konkreten Maßnahmen wird es mit einem Bundeskanzler Faymann geben?
Faymann: Wir haben bereits vor der Wahl versprochen, dass wir gemeinsam mit der ÖVP die Familienbeihilfe anheben. Es ist auch gelungen, das Pflegegeld zu erhöhen im Durchschnitt um fünf Prozent. Sowohl die Pflege als auch die Familienbeihilfe sind zwei Themen, die in der Teuerung eine Rolle spielen. Diese zwei Maßnahmen sind natürlich nur ein Anfang. Miteinander liegen sie bei zehn Prozent des Entlastungsvolumens. Unser Interesse war es, noch vor der Wahl eine Entlastung in der Größenordnung von drei bis vier Milliarden herbeizuführen. Dazu zählt auch das Senken der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent. Das würde rund 700 Millionen Euro kosten. Unsere Begründung ist nicht nur die Teuerung. Sondern: Die gut laufende Konjunktur kann zu einer Abschwächung kommen. Und dann gilt es die Kaufkraft der Bevölkerung zu stärken eben auch durch diese Maßnahme. VN: Wäre es nicht wesentlich fairer, die Familienbeihilfe einer jährlichen Indexanpassung zu unterziehen? Faymann: Ich nehme Sie einmal mit zu Verhandlungen mit den Herren Molterer und Schüssel. Wir sind schon froh, dass es jetzt eine kleine Bewegung in dieser Hinsicht gibt und zumindest dieser Vorschlag bei der ÖVP durchgegangen ist.