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Wer braucht die Grünen?

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Funktion der Partei beschränkt sich darauf, zu verhindern, dass Freiheitliche regieren. Gerade auch für die Wien-Wahl im Herbst ist das ein bisschen wenig.

Was ist eigentlich aus den Wiener Grünen geworden? Gut, sie sitzen noch in der Stadtregierung und das wiederum ist daran zu erkennen, dass sie zuletzt etwa einen Radweg auf der Praterstraße ausgeweitet sowie temporäre Begegnungszonen eingerichtet haben, die zum größeren Teil ignoriert werden. Aber sonst? Das COVID-19-Krisenmanagement checkt der Sozialdemokrat Peter Hacker, Klimapolitik hat daneben Pause. Da bleibt Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) nicht viel, um aufzufallen.

Wirklich gefordert sind eher ihre Freundinnen und Freunde in der Bundesregierung – mehr oder weniger im Schatten von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat alle Hände voll zu tun und erfüllt seine Aufgabe so gut er kann. Womit er derzeit aber auch schon die einzige Lichtgestalt der Grünen ist. 

Staatssekretärin Ulrike Lunacek bekommt die Wut der gesamten Kulturszene ab, für die sie – quasi im Auftrag von Vizekanzler und Ressortchef Werner Kogler - verantwortlich ist. Kein Wunder: Sie agiert unbeholfen, um es vorsichtig zu formulieren. Sie schafft es nicht einmal, Künstlern zu vermitteln, dass sie sich ihrer derzeitigen Notlage bewusst ist. Andererseits aber ist sie auch ohnmächtig: Kultur hat keinen Stellenwert in der Regierung, auch von Kogler und anderen Grünen kommen diesbezüglich keine anderslautenden Signale.

Kabarettist Lukas Resetarits ist gar schon so weit gegangen, zu fordern, die Grünen im Rahmen der nächsten Wahl heimzuschicken: „Unter die vier Prozent, wo sie hingehören!“ Damit vertritt er aber eher nur eine Minderheitsposition in den Reihen grüner Sympathisanten: Die Umfragewerte der Partei sind nach wie vor sehr gut. Das letzte, aber stärkste Argument zu ihren Gunsten lautet noch immer folgendermaßen: „Besser Kogler und Co. in der Regierung, als Freiheitliche wie Hofer, Kickl oder gar eine Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein.“ Da ist etwas dran: Mit Hartinger-Klein würde man in der Coronakrise noch schlechter schlafen als es mit Anschober möglich ist; ihre Pleiten und Pannen wären jetzt katastrophal.

Wie auch immer: Die Grünen beschränken sich darauf, solide Regierungsarbeit zu leisten und an der Seite der mächtigen Volkspartei von Sebastian Kurz nur ja nicht aufzufallen. Kogler traut sich nicht einmal, eine Vermögenssteuer zu fordern. Ja, selbst greifbare Ansätze für eine Ökologisierung des Steuersystems sind von ihm und Seinesgleichen keine zu hören.

Die Grünen sind weder Fisch noch Fleisch. Im Hinblick auf die Wiener Gemeinderatswahl ist das hochriskant für sie: Gerade in Wien könnte es ihnen zu schaffen machen, die Zuneigung der überwiegend linken Kulturszene verloren zu haben. Und gerade hier wären sie gezwungen, Orientierung zu geben: Wenn nicht einmal gewiss ist, ob sie weiterhin einem roten oder erstmals einem türkisen Bürgermeister die Mehrheit machen, sind sie möglicherweise für zu viele Wähler zu unsichere Kandidaten.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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