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Wenn Kostüme (be)zaubern

Bregenz - In jeder Vorstellung explodieren zwei von Cavaradossis Hemden. Scarpias Smoking hat Blutflecke, die einfach nicht zu entfernen sind. | VOL-Live: Ramona Baldreich im Interview

Und sein bestes Stück wäre im schlimmsten Fall zu sehen, sollten Reinhard Hirzabauers Nähkünste an der Hose nicht ausreichen: Die Kostümabteilung der Festspiele, bestehend aus einer 40-köpfigen Crew, hat buchstäblich alle Hände voll zu tun, um die Outfits der Solisten, des Chors und der Statisten bühnentauglich zu halten. Ramona Baldreich arbeitet seit 25 Jahren für die Festspiele, seit acht Jahren leitet sie die Kostümabteilung und ist Herrin über rund 400 Kostüme von 170 Darstellern.

Nur das Beste

Mehr als ein Jahr dauert die Realisierung der Ideen des Regisseurs und der Vorstellungen des Kostümbildners. Der Großteil wird in verschiedenen Ateliers vorgefertigt, die Kleidung für die „Gefangenen“ kommt von der Stange, vom Trödler oder aus dem Secondhand-Laden. Den letzten Schliff, aber auch Erste Hilfe bei ramponierten Kostümen, übernimmt die Kostümabteilung, die im Jahr nur drei Monate lang existiert. Auch Ramona Baldreich hat ein gewichtiges Wort mitzureden: „Die Kostüme müssen in erster Linie zum Stück und zum Bühnenbild passen. Aber auch Qualität und Farbbrillanz der Stoffe sind wichtig.“ In ganz Europa geht sie auf die Suche, damit Toscas Schal auch im Wind so graziös flattert, wie es das Drehbuch vorschreibt, damit sich Scarpia am Boden wälzen kann, ohne dass sein Anzug allzu großen Schaden nimmt, und damit die Kleriker bei jedem ihrer 26 Auftritte atemberaubend rotgolden glänzen.

„Wichtig ist es, die Distanz zu beachten“, sagt sie. „Die Zuschauer sollen auch noch aus großer Entfernung das Kleidungsstück erkennen.“ Auch jeder Wettersituation muss das Outfit standhalten. Feuchtigkeit, Regen, Wind: auf der größten Seebühne der Welt kann alles passieren.

Blut und Zauberkraft

Mehr als zwei Fußballmannschaften ließen sich mit den maßgeschneiderten, blutdurchtränkten Hemden des Malers Cavaradossi einkleiden. In jeder Vorstellung werden jeweils zwei davon regelrecht zerfetzt. In der Innenseite befindet sich ein kleines Säckchen mit Kunstblut. Durch eine Fernzündung explodiert das Säckchen und die Brusttasche wird durchlöchert wie nach einem Herzschuss. Alles muss möglichst authentisch aussehen. Es könnte ja sein, dass ein Zuschauer gerade in dem Moment, in dem der Hauptdarsteller erschossen wird, die Szene mit dem Opernglas verfolgt.

Blut bereitet den Mitarbeitern der Kostümabteilung derzeit die größten Probleme. „Toscas Kunstseidenkleid können wir gut abduschen, aber Scarpias fleckiges Smokinghemd müssen wir bleichen“, sagt Ramona Baldreich und zeigt auf die Botschaft, die am Kleiderbügel hängt: „Bitte zaubern“, steht drauf. Zaubern und tricksen muss die Kostüm-Crew können. Cavaradossis Hose bzw. jene des Stuntmans, der sich „tödlich getroffen“ zwanzig Meter in den See stürzt, ist kaum mehr zu retten. Aber sie muss halten, sagt die Chefin. Noch 17 Sprünge. Seufzend macht sich Reinhard Hirzabauer, der im „eigentlichen Leben“ Designer ist, ans Werk. Und zaubert.

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