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Welt-Drogen-Tag: Risikominimierung durch Wiener "Checkit!"-Bus

Drogen wie Ecstasy kann man von Check it! analysieren lassen
Drogen wie Ecstasy kann man von Check it! analysieren lassen ©dpa (Sujet)
Der "Checkit!"-Bus, den es exklusiv in Wien gibt, fungiert als mobiles Drogen-Labor. Etwa 20 Mal im Jahr heißt es für den von der Gemeinde Wien finanzierten Bus der "Checkit!"-Initiative buchstäblich "ausrücken". Bei Jugend-Events steht der Bus parat, damit die Risikogruppe Drogen auf ihre Gefährlichkeit analysieren lassen kann. Pro Jahr werden rund 6.000 potenziell Betroffene erreicht.
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Wenn das “Checkit!”-Team aus Labor- und Toxikologie- und Pharmakologie-Spezialisten zu großen Jugendveranstaltungen pilgert, um dort Information und Analysen in Sachen Drogen zu betreiben, geht es den Mitarbeitern darum, Betroffene zu schützen.

Risikominimierung durch Drogen-Analyse im Bus

“Unser Ziel ist eine Strategie der Risikominimierung”, sagt der federführende Toxikologe Rainer Schmid von der MedUni Wien in dem blauen Bus, der mit High-Tech-Geräten und EDV sowie einem herkömmlichen Laborplatz angeräumt ist. Der Experte: “Vier Proben auf einmal können wir analysieren.” Pro Event sind es so um die hundert, manchmal auch 200. Pro Jahr werden rund 6.000 potenziell Betroffene erreicht

Das gesamte System besteht zunächst aus einem Zelt, in dem Besucher des jeweiligen Ereignisses – zumeist Raves etc. – in geschützter Atmosphäre Proben von angeblichen “neuen psychoaktiven Substanzen” abliefern können. Die Drogen kommen dann in den Laborbus. Labortechniker Axel Führer: “Die Proben werden in Alkohol aufgelöst. Mittels High Performance Liquid Chromatography und Massenspektrometrie erfolgt die Analyse.”

Substanzen auf Gefahren für User untersucht

Gesucht wird nach den in der Party-Szene-Drogen-Konsum verbreiteten psychoaktiven Substanzen. Schmid: “Wir können natürlich nur finden, wonach wir suchen. Doch auch ‘neue’ Substanzen sind oft den älteren sehr ähnlich. Und dann sehen wir an unseren Kurven auch noch, ob da in einer Probe noch andere Stoffe enthalten sind.” Je nach Zuordnung werden die Ergebnisse der nummerierten Analysen dann auf Aushängen mit unterschiedlichen Farben an einer Anschlagtafel “publiziert”. Der Konsument weiß dann, ob eventuell Gefahr (rot) bestehen könnte.

“Checkit!” bleibt auf dem Laufenden

Der positive Nebeneffekt von “Checkit!”: Durch die Analysen und die Suche nach eventuell noch nicht bekannte Substanzen behält man in Wien und Umgebung auch Überblick über das, was am illegalen Markt angeboten wird. Und das quasi in Echtzeit. “Checkit!”-Pharmazeut Anton Luf: “Eine Analyse dauert nicht länger als fünf Minuten.” Und mit Blick auf eine Kurve auf dem Computerbildschirm vor sich fügt er hinzu: “Das ist Amphetamin.”

Das nächste Mal vielleicht Ecstasy oder irgendeine jener hunderten Substanzen, die man offenbar als Drogendealer in fernöstlichen Labors bestellen kann, um damit vor allem ein jugendliches Konsumentenpublikum zu versorgen, das neben Musik und Tanzen etc. am Wochenende auch von – vorübergehenden – Rauscherlebnissen träumt.

Bei neuen Drogen Risikominimierung wichtig

“Die neuen psychoaktiven Substanzen sind eigentliche die große Herausforderung. Bei den bekannten Drogen ist die Situation in Österreich und in Europa weitgehend stabil. Heroin stagniert. (…) Es werden nicht mehr Substanzen konsumiert, aber der Konsum findet mit mehr Risiko statt”, sagte am Dienstag Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel, bei einer Präsentation des seit an die 15 Jahre in Wien etablierten “Checkit!”-Programms, das auf die Identifizierung von “neuen psychoaktiven Substanzen”, deren Analyse und Information und Beratung der Konsumenten setzt.

Risikominimierung ist das Um und Auf in dieser “Szene”, hieß es bei der Präsentation der Aktivitäten im Umfeld des bevorstehenden Welt-Drogentages (26. Juni). Toxikologe Rainer Schmid, dessen Team im “Checkit!”-Bus mit mobilem Labor Musikevents etc. aufsucht, um dort Proben von angebotenen Mitteln entgegenzunehmen und deren Inhalt zu bestimmten – samt Risikoeinschätzung: “Wir reden hier von Freizeitdrogen, die am ehesten eine akute Problematik darstellen können. (…) Im vergangenen Jahr wurden in Europa 73 neue Substanzen (vier in Österreich, Anm.) registriert. Die Forschung weiß über sie wenig oder nichts. Es sind vor allem Substanzen mit Amphetamin-ähnlicher oder THC-ähnlicher Wirkung. Nachdem wir wenig über sie wissen, ist das potenzielle Risiko groß.”

Kein Belehren – Kontakt zu Konsumenten

Mit der seit Jahrzehnten bekannten Suchtgiftszene von zumeist psychisch Kranken, die in die Opiatabhängigkeit gleiten, hat das nichts zu tun. Schmid: “Der Hintergrund unserer Aktivitäten ist, dass wir möglichst Kontakt zu den Konsumenten bekommen und Informationen geben, damit sie ein Risikobewusstsein entwickeln. Wir gehen nicht zu ihnen mit erhobenem Zeigefinger. Zumeist sind das Menschen zwischen 17 und 25 Jahren. Salopp ausgedrückt kann man auch sagen, dass es sich um ein ‘Durchgangsphänomen’ handelt. Sie hören mit dem Konsum auch wieder auf, wenn sie nicht mehr zu diesen Jugendveranstaltungen gehen. (…) Ich habe auch den Eindruck, dass sie zunehmend ‘Fantasien’ kaufen. Sie wünschen sich eine Wirkung.

Die Arbeit von “Checkit!”

Ob nun Ecstasy, irgendwelche Amphetamin-Abkömmlinge, THC-ähnliche Substanzen, gar nichts an psychoaktiven Wirkstoffen oder rein toxisches Material in Tabletten enthalten ist, die bei Jugendveranstaltungen angeboten oder im Internet gekauft werden, der Konsument weiß es nicht. Todesfälle treten nur vereinzelt – in Europa am häufigsten in Großbritannien – auf. Hier will “Checkit!” für mehr Sicherheit und Risikoinformation sorgen.

In Österreich gibt es mit dem erst seit kurzem bestehenden Gesetz über neue psychoaktive Substanzen laut Dressel eine sehr gute Möglichkeit, Risikominimierung zu betreiben: Produktion und Handel mit dem Substanzen sind verboten. Der Konsument ist davon ausgenommen. Per Verordnung können auch ganze Substanzklassen erfasst werden. In den vergangenen zehn Jahren sind von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle 230 neue psychoaktive Substanzen registriert worden. Die meisten dieser Drogen verschwanden auch wieder vom Markt.

(apa/red)

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