Weiter Warten auf Klimaschutzgesetz in Österreich

Der grüne Klimasprecher Lukas Hammer zeigte sich im "Morgenjournal" am Montag verärgert über die ÖVP.
Einigung zu Klimaschutzgesetz in weiter Ferne
"Wenn ich alleine auf der Tanzfläche stehe und Walzer tanzen will, dann funktioniert das nicht." Derzeit gebe es keine Fortschritte, gibt auch ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager zu. "Das Klimaschutzgesetz ist ein Grundgeräusch in dem Ganzen, aber nicht das allerwesentlichste."
Im Moment sei eine Einigung nicht sehr wahrscheinlich, deshalb werde eher über konkrete Maßnahmen verhandelt, sagt Schmuckenschlager. "Wir schaffen die Rahmenbedingungen auch mit einer Vielzahl anderer Gesetze, wie zum Beispiel Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, und vor allem ein Hauptthema wird sein, dass wir auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung schneller werden. Da ist jetzt das Klimaschutzgesetz nicht die oberste Priorität."
Grüne fordern von ÖVP Klimaschutz endlich ernst zu nehmen
Schließlich gebe es derzeit viele Krisen zu bewältigen, meint der ÖVP-Klimasprecher. Für sein Gegenüber bei den Grünen ist das eine Ausrede. "In den letzten Jahrzehnten habe ich immer das Gleiche gehört. Es gab immer irgendeine andere Krise und Klimaschutz war dann nicht Priorität. Ich glaube, wir sehen jetzt alle, dass wir Klimaschutz endlich so ernst nehmen müssen, wie ja auch die Wissenschaft sagt und dazu gehört eben auch ein Klimaschutzgesetz", kritisiert Hammer.
ÖVP lehnt Verbindlichkeit bei Klimaschutzgesetz ab
Der große Streitpunkt beim neuen Klimaschutzgesetz bleibt die Verbindlichkeit. Die Grünen wollen die Klimaziele in der Verfassung verankern - mit Strafzahlungen für Bund und Länder bei Verfehlungen. Nicht mit der ÖVP, sagt Schmuckenschlager und folgt damit den Wünschen der Wirtschaft. "Dass wir auf der Seite der Wirtschaft stehen, das war immer so und das wird auch so bleiben. Und ich sehe das auch wirklich nicht als Fehler. Ich glaube, viel mehr sollte man es aus der Perspektive betrachten, dass man sagt, wie können wir auch mit der Wirtschaft diese Energiewende zusammenbringen, weil sonst ist es nicht machbar."
Klimaschutzgesetz ohne Konsequenzen "wirkungslos"
Ohne Sanktionen und Verbindlichkeit gehe es aber nicht, beharren die Grünen, das habe das alte, mittlerweile abgelaufene Klimaschutzgesetz gezeigt. "Ein Klimaschutzgesetz, das nicht verbindlich ist und keine Konsequenzen hat und nur für den Bund gilt, ist wirkungslos, weil es einfach ignoriert wird. Da habe ich lieber kein Klimaschutzgesetz", so Hammer.
Klimaschutzgesetz bleibt vorerst nur Ankündigung
Für die Grünen also eine rote Linie. Dennoch wird es ohne weitere Zugeständnisse keine Einigung geben, das ist auch Klimasprecher Hammer klar. "Das ideale Klimaschutzgesetz werden wir vielleicht nicht mehr beschließen - von diesem Gedanken habe ich mich schon verabschieden müssen - aber wir brauchen ein Klimaschutzgesetz, das uns weiterbringt."
Vorerst also bleibt das Klimaschutzgesetz, das seit mittlerweile 600 Tagen fällig ist, nicht mehr als eine Ankündigung. Auf die Frage, ob es jemals kommen werde, antwortet Schmuckenschlager im "Ö1"-Radio: "Ich glaube schon, ja. Nur wann, kann ich auch nicht sagen."
SPÖ und NEOS kritisieren türkis-grüne Regierung
SPÖ-Umwelt- und Klimasprecherin Julia Herr reagierte mit scharfer Kritik auf die Untätigkeit der Regierung."Die Österreichische Bundesregierung tut so als ob es keine Klimakrise gäbe, während das halbe Land im Hochwasser versinkt. Leidtragende unter dieser vollkommenen Selbstaufgabe der Bundesregierung ist dabei die Bevölkerung, die mit Hitze, Dürre, Starkwetterereignissen und horrenden Kosten alleingelassen wird."
Auch die NEOS zeigten sich empört. "Dass ÖVP und Grüne es seit 600 Tagen nicht zustande gebracht haben, sich auf ein Klimaschutzgesetz zu einigen, ist schlicht inakzeptabel. Landauf, landab führen uns Extremwetterereignisse derzeit fast täglich vor Augen, wie wichtig es ist, dass wir beim Klimaschutz endlich Meter machen - und zwar ordentlich. Die Klimakrise ist jetzt da, die Regierung muss jetzt aufwachen und endlich echte und nachhaltige Maßnahmen umsetzen", verlangte NEOS-Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard.
BOKU-Experte wirft Regierung "Scheinklimapolitik" vor
Kritik an der Untätigkeit der türkis-grünen Regierung in Sachen Klimaschutzgesetz kommt auch von Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er sprach im "Ö1"-Mittagsjournal am Montag von einer "Scheinklimapolitik". "Das Klimaschutzgesetz ist ein ganz zentraler Bestandteil einer Klimapolitik, die ihre eigenen Ziele Ernst nimmt", so Steurer.
Wenn man sagt, das Klimaschutzgesetz hat keine oberste Priorität, dann könnte man genau so gut sagen, dass Klimaschutz nicht die oberste Priorität habe. "Jetzt könnte man sagen, angesichts der Gaskrise ist auch das nachvollziehbar. Wir haben ja tatsächlich andere Krisen, die sehr drängend sind, nur darüber sieht man, dass diese beiden Krisen zusammenhängen."
"Klimapolitik nach wie vor zu langsam"
Es brauche verbindliche Ziele und Strafen beim Verfehlen dieser Vorgaben, denn ohne Konsequenzen gebe es einfach zu wenig Anreiz, das notwendige zu tun, so Steurer. Die Regierung würde derzeit eine "Scheinklimapolitik" betreiben. Das beste Beispiel dafür ist zu erklären bis 2040 klimaneutral sein zu wollen, aber dann die dafür notwendigen Schritte nicht zu gehen. "Und im Moment ist es ganz klar so, dass Klimapolitik nach wie vor zu langsam vorwärtsgeht. Also das, was wir die letzten zwei Jahre gesehen haben, ist zweifelsohne besser, wie das, was wir die letzten 30 Jahre gesehen haben, aber Klimaneutralität ist damit nicht zu erreichen. Und somit liegt der Schluss nahe, diese Zielerklärung klingt gut, man gewinnt damit Wählerstimmen, aber es ist keine Substanz dahinter, somit ist es Schein."
Andere Gesetze kein Ersatz für Klimaschutzgesetz
Andere Gesetze und beschleunige UVP-Verfahren würden ein Klimaschutzgesetz nicht ersetzen, wies Steurer entsprechende Behauptungen aus der ÖVP zurück. "Das Klimaschutzgesetz legt so was wie eine Emissionsordnung fest. Es wird festgelegt, wie viel CO2 in welchem Sektor, in welcher Zeit reduziert werden muss. Damit kann man sicherstellen, die Ziele für 2030 und 2040 zu erreichen. Ohne diese Emissionsordnung haben wir eine Emissionsunordnung. Das heißt, es ist völlig unklar, wie wir die Ziele erreichen wollen." Man flicke dort ein wenig, man mache dort kleine Maßnahmen, aber das große Ganze, sprich, wie man Klimaneutralität 2040 erreichen kann, bleibe völlig unklar.
(APA/Red)