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Weihnachten, Silvester und danach

Wien vermarktet die Feiertage gekonnt.
Wien vermarktet die Feiertage gekonnt. ©APA/Sujet
Eines der wenigen Dinge, die sich die Stadt Wien in den letzten Jahren wirklich als Erfolgsgeschichte zugute schreiben kann, ist die Vermarktung von Weihnachten und Silvester. Das, was einst ein touristisches Loch in Wien gewesen ist, wurde mit Erfolg zu einer internationalen Marke verwandelt, die zahllose Osteuropäer und Italiener in die Stadt gelockt hat.

Das ist im Gegensatz zu vielen anderen wirtschaftlichen Gegenentwicklungen ökonomisch ein großer Pluspunkt für die Stadt, auch wenn die Wiener unter dem Massenandrang auf den Straßen leiden. Aber besonders in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist es legitim, an ökonomische Gesichtspunkte zu denken.

Diese positive Wirkung konnte durch die ganz Europa in ihren Schatten stellende islamische Terrorgefahr zumindest bisher nicht zunichte gemacht werden. Denn auch in allen anderen europäischen Städten haben durch den Terrorismus der Tourismus und die Ausgehfreude einen Dämpfer erlitten. Und das schon während des ganzen letzten Jahres.

Man denke nur daran, dass sich 2015 in Rom die Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen mit dem Papst von 5,9 auf 3,2 Millionen fast halbiert hat. Oder dass in Paris selbst in der Silvesternacht in vielen Lokalen, die früher wochenlang im Voraus ausgebucht waren, Tische freiblieben.

Dagegen ist Wien noch glimpflich davongekommen. Wenngleich auch hier viele Zahlen zurückgegangen sind. Wenngleich es nur reduzierte Freude macht, in der Nähe von Maschinenpistolen Silvester zu feiern.

Zu der positiven Entwicklung in Wien hat eine Vielzahl von Maßnahmen beigetragen, so etwa:

Die wirklich fast überall netten und stimmungsvollen Weihnachtsbeleuchtungen in den Einkaufsstraßen, aber auch an den Fassaden vieler Hotels (lediglich Rotenturm- und Josefstädterstraße fallen da negativ ab);
Eine über viele Jahre neu aufgebaute Konzerttradition „Christmas in Vienna“;
Der für erstaunlich zahlreiche Menschen attraktive Silvesterpfad;
Die – überwiegens – schönen Weihnachtsmärkte.

Da hat das Wiener Rathaus zusammen mit der Wirtschaftskammer und den Konzerthäusern in den letzten Jahrzehnten einmal durchaus erfolgreich agiert. Mit dazu beigetragen hat aber auch der europaweite soziologisch und demographisch verursachte Trend zum Städtetourismus, während der alpine Wintertourismus ja an Schneemangel und hohen Preisen leidet. Dazu beigetragen hat zweifellos auch das Image Wiens als im Vergleich noch immer halbwegs sichere Stadt.

Die wohl noch wichtigeren Faktoren, die Wien und Österreich für diese Jahreszeit besonders attraktiv machen, auf die jedenfalls die Stadt dabei in den letzten Jahren geschickt aufbauen konnte, stammen freilich aus früheren Epochen. Das sind:

die österreichische Herkunft des beliebtesten Weihnachtslieds der Welt;
Die „Fledermaus“, als die nicht nur zu Silvester meistgespielte Operette mit ihrem total Wiener Flair;
Und das weltweit ausgestrahlte Neujahrskonzert der Philharmoniker im schönsten Konzertsaal der Welt mit dem populären Inbegriff von Wiener Musik.

All diese Elemente erzeugen eine große Umwegrentabilität. An der auch jene nicht rütteln können, die dazu ständig kritisch „Kitsch!“ rufen. Was auch immer Kitsch eigentlich genau sein mag – wenn die Menschen Sehnsucht und Bedürfnis danach haben, dann ist es undemokratische Anmaßung einer arroganten (und meist zuschauerfrei agierenden) Kulturblase, den Menschen ihren vermeintlichen oder wirklichen Kitsch zu verwehren.

Würde man diese Arroganz ignorieren, dann ließen sich für das Tourismusland Österreich aber noch zwei andere Aspekte viel besser verwerten und ausbauen.

Das eine ist die nun anbrechende Wiener Ballsaison. Diese ist international oft imitiert, aber nie auch nur annähernd erreicht worden. Die großen Wiener Bälle (womit weniger der durch Fernsehen und Bolulevardpresse ziemlich kaputt gemachte Opernball gemeint ist, sondern primär die großen Bälle in Musikverein und Hofburg) versetzen jeden ausländischen Gast in Bewunderung und Begeisterung. Auf einem Wiener Ball verschwindet die Grenze zwischen Akteuren und Zuschauern. Alle sind Akteure, alle sind Zuschauer. Diese Bälle sind eine der weltweit (leider) selten gewordenen Gelegenheiten, wo es strenge Bekleidungsvorschriften gibt, die aber ein Fest erst wirklich zum Fest machen. Diese Bälle werden jedoch von Rathaus und Tourismus-Organisationen kaum in die Auslage gestellt. Vielleicht weil sie feudal-großbürgerliche Wurzeln haben? Und in den letzten Jahren wird ihre Außenwirkung durch die Anti-Ball-Gewalttaten einiger hundert Extremisten sogar deutlich beeinträchtigt. Wobei besonders bedauerlich ist, dass diese Extremisten – wenngleich viele von ihnen bundesdeutscher Import sind – von Politikern der beiden Rathausparteien regelmäßig in Schutz genommen werden.
Das zweite ist das Musical „Sound of Music“. Dieses wird in den USA wohl jede Woche auf den diversen Fernsehkanälen häufiger gespielt als in Österreich in zehn Jahren. Erst in den letzten Jahren hat man zumindest in Salzburg erkannt, welch Attraktivität und Werbewirksamkeit für Österreich dieses Musical insbesondere in Amerika haben könnte. Aber die Medien- und Kultur-Schickeria hierzulande hasst es. Sie tut dies wohl vor allem deshalb, weil sich darin ein konservativ-katholisches Österreich in konsequenter Ablehnung zum Nationalsozialismus zeigt. Was ja naturgemäß allen Linken ein Dorn im Auge ist, die die Geschichte umschreiben und aus diesem konservativen Österreich und dem Nationalsozialismus ein Amalgam machen wollen (wohl auch um zu verwischen, wie wenig Widerstand die Linke gegen den nationalen Sozialismus Hitlers geübt hat, bevor dieser selbst die Sowjetunion angegriffen hat). Aber irgendwann wird Österreich sicher auch “Sound of music” und die Trapp-Familie entdecken, wenn auch erst nach dem Rest der westlichen Welt.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Blog ist.

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