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Wechsel auf der Kommandobrücke

Er brettert im Jeep auf die Showbühne, umgibt sich mit Models und mimt in Werbespots auch mal den Trottel, wenn es dem Wohl von DaimlerChrysler dient: Dieter Zetsche ist ein Entertainer und liebt große Auftritte.

Am 1. Januar löst der charismatische Manager den eher spröden Jürgen Schrempp als Konzernchef ab. Vor dem 52-jährigen Zetsche liegen gewaltige Aufgaben. Doch viele Branchenexperten sind sich einig: Keiner bringt so gute Voraussetzungen mit, um den Konzern und dessen Herzstück Mercedes wieder richtig auf Touren zu bringen, wie Zetsche.

Der Mann mit dem markanten Walrossbart und dem listigen Zwinkern in den Augen hat seit der erfolgreichen Sanierung der US-Sparte Chrysler einen Ruf als Aufräumer. Bekannte bescheinigen ihm ein phänomenales Zahlengedächtnis, Zugänglichkeit, eine hemdsärmlige Art und die Fähigkeit zur scharfen Analyse ebenso wie zur Selbstironie. Aber nicht zuletzt gilt Zetsche als Sympathieträger, dem das Kunststück gelungen ist, bei Chrysler in den USA knapp 26.000 von rund 120.000 Stellen zu streichen, sechs Werke zu schließen, und trotzdem von Gewerkschaften und Mitarbeitern hoch geachtet zu werden.

Nicht wenige seiner amerikanischen Mitstreiter trauerten „Diedör“ nach, als er Ende Juli zum Nachfolger für Konzernchef Schrempp berufen, der zu diesem Zeitpunkt völlig überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende ankündigte. Seit 1. September leitet Zetsche bereits die Mercedes Car Group, zu der auch das Sorgenkind Smart und die Luxusmarke Maybach gehören. Doch hinter den Kulissen zog er bereits für den gesamten Konzern die Fäden, da Schrempp sich bei seinem Rückzug auf Raten Zurückhaltung bei allen über das Jahr 2005 hinausgehenden Fragen auferlegte.

Auch in Stuttgart ist Zetsche als Aufräumer gefragt. Der neue Mercedes-Chef fackelte dann auch nicht lange: Noch nicht einmal einen Monat im Amt, musste der Chrysler-Sanierer auch bei der Luxusmarke mit dem Stern harte Schnitte verkünden. Insgesamt 8.500 Stellen will Zetsche in Deutschland streichen, um Mercedes wieder in Fahrt zu bringen. Der Jobabbau soll über ein Abfindungsprogramm und Vorruhestandsregelungen erfolgen und pro Jahr 500 Millionen Euro einsparen.

Chrysler hat die Rosskur bereits hinter sich, Mercedes befindet sich noch mitten in der Sanierung. Nach Zetsches Worten liegen die Kosten bei Mercedes in allen Teilen der Wertschöpfungskette deutlich über denen der Konkurrenten. Die Kapazitäten seien angesichts der aktuellen Markt- und Wettbewerbssituation zu hoch, die Beschäftigtenzahl müsse angepasst werden, begründete er den Jobabbau. Auch wenn Zetsches Botschaft bitter war, rechneten ihm die Mercedes-Beschäftigte hoch an, dass er am Tag nach der Entscheidung persönlich zu ihnen ins Werk Sindelfingen kam und die Pläne erläuterte. Doch Konflikt ist weiter vorprogrammiert: Vergangenen Freitag lehnte der Gesamtbetriebsrat auf der Aufsichtsratssitzung den vom Vorstand beschlossenen Abbau von 8.500 Stellen in Deutschland und die Personalplanung für die Folgejahre und damit die gesamte operative Planung für die Jahre 2006 bis 2008 ab.

Besonders bitter für Mercedes: Der Erzrivale BMW braust derweil munter davon. Die Münchner Konkurrenz übertraf bereits im November mit rund 1,21 Millionen seit Jahresbeginn ausgelieferten Fahrzeugen der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce ihren Rekordjahresabsatz von 2004. Sie baute damit ihren Vorsprung vor der Mercedes-Gruppe aus, die in den ersten elf Monaten bei 1,09 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen lag. Und während DaimlerChrysler eine Umsatzrendite von 7 Prozent bis zum Jahr 2007 anstrebt, kam BMW schon in diesem Jahr auf knapp 7,7 Prozent.

Es ist kein leichtes Erbe, das Zetsche nun übernimmt. Schrempp hat den Konzern zehn Jahre geführt und die historische Fusion zwischen Daimler und Chrysler 1998 betrieben. Kritiker werfen dem langjährigen Konzernchef vor, bei Fehlentwicklungen das Ruder zu spät herumgerissen zu haben.

Doch während in diesem Jahr ein Schlussstrich unter die verlustreiche Beteiligung an Mitsubishi gezogen werden konnte, hat die milliardenteure Smart-Sanierung für Zetsche noch traurige Aktualität. Sein Vorteil: Er steht der defizitären Kleinwagenmarke unbefangener gegenüber als Schrempp, zu dessen Lieblingsprojekten der Smart gehörte. So gab es in letzter Zeit Spekulationen, Zetsche erwäge den Verkauf des Verlustbringers. Der neue Konzernlenker sei offen für Beteiligungen „von 10 bis 100 Prozent“, meldete das „Manager Magazin“.

Nur eines scheint sicher: Eine Aufspaltung von DaimlerChrysler, wie sie an den Kapitalmärkten gerne immer mal wieder durchgespielt wird, schließt Zetsche aus. „Das wird es mit mir nicht geben“, betonte er Ende Oktober in einem Interview der „Bild“-Zeitung. „Mit der Konzentration aufs Automobil, die unter der Führung von Jürgen Schrempp vollzogen wurde, sind wir für die Zukunft sehr gut aufgestellt.“

http://www.daimlerchrysler.de

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