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"Was stimmt nicht mit mir?" – Verena (29) über ihr Leben mit Endometriose

Verena und ihr Alltag mit Endometriose.
Verena und ihr Alltag mit Endometriose. ©VOL.AT/Emilia Waanders
Trotz jahrelanger Schmerzen: Warum Verenas Leid so lange unentdeckt blieb.

Jahrelang hieß es: "Das ist normal." Doch die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Erst eine Operation brachte Verena die erschütternde Wahrheit: Sie leidet an Endometriose – einer Krankheit, von der jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter betroffen ist und die trotzdem unsichtbar bleibt.

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"Wie ein Überraschungsei"

Wenn der Wecker klingelt, weiß Verena nie, was ihr bevorsteht. "Der Alltag ist wie ein Überraschungsei." Manchmal ist es ein Ziehen, manchmal sticht es, bis ihr übel wird. "Am schlimmsten ist es während der Periode." Solche Attacken lassen den Körper "komplett verrückt spielen", erzählt sie, "danach bin ich tagelang erschöpft."

FAQ: Endometriose kurz erklärt Service

Schnelle Antworten – und unten ein Link zur ausführlichen Erklärung.

Was ist Endometriose?

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst. Das kann Entzündungen, Verwachsungen und starke Schmerzen verursachen – besonders rund um die Menstruation.

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Typische Symptome
  • Starke Regelschmerzen (stechend/ziehend), oft mit Übelkeit
  • Schmerzen beim/ nach dem Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder Wasserlassen
  • Chronische Unterbauchschmerzen, Rückenschmerzen, Erschöpfung
  • Unregelmäßige Blutungen; ggf. unerfüllter Kinderwunsch
Wie wird die Diagnose gestellt?

Bildgebung (Ultraschall, MRT) kann hilfreich sein, zeigt aber nicht immer alle Herde. Die sichere Diagnose gelingt häufig erst per Bauchspiegelung (Laparoskopie) mit Gewebeuntersuchung.

Ist Endometriose heilbar?

Komplett heilbar ist sie in der Regel nicht. Viele Betroffene erreichen jedoch mit der passenden Behandlung deutlich weniger Beschwerden und mehr Lebensqualität.

Welche Behandlungen gibt es?
  • Schmerztherapie (z. B. NSAR)
  • Hormontherapien zur Unterdrückung der Herde
  • Operation (laparoskopisches Entfernen von Herden/Verwachsungen)
  • Support wie TENS, Wärme, Physiotherapie, Ernährungs- & Stressmanagement

Therapien werden individuell kombiniert – was hilft, ist von Person zu Person unterschiedlich.

Wann sollte ich ärztliche Hilfe suchen?

Wenn Regelschmerzen Sie im Alltag regelmäßig massiv einschränken, Übelkeit/Erbrechen auslösen oder Schmerzmittel kaum helfen, lassen Sie das gynäkologisch abklären.

Endometriose – ausführlich erklärt

Bei Endometriose siedelt sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe an Stellen außerhalb der Gebärmutter an (z. B. am Bauchfell, an Eierstöcken oder Darm). Diese Areale reagieren auf Hormone, können bluten, sich entzünden und Verwachsungen bilden. Das erklärt starke zyklusabhängige Schmerzen, aber auch chronische Beschwerden zwischen den Perioden.

Die Diagnose stützt sich auf Anamnese, Untersuchung und Bildgebung; weil Herde in Ultraschall/MRT oft nicht sichtbar sind, bringt erst die Laparoskopie (mit Gewebsprobe) verlässliche Klarheit. Die Behandlung reicht von Schmerz- und Hormontherapien bis zur Operation. Ziel ist Symptomkontrolle und bessere Lebensqualität – individuell angepasst, ggf. mit Blick auf Kinderwunsch.

Hinweis: Dieser Text ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Beschwerden bitte ärztlich abklären.

Video: Verena im VOL.AT-Interview

Jahre der Ungewissheit: "Was stimmt nicht mit mir?"

Die ersten Alarmsignale kamen früh. Mit 17 Jahren: Verena arbeitet als Lehrling in der Gastronomie – und kann während der Arbeit plötzlich nicht mehr stehen. Höllisch schmerzende Krämpfe treten plötzlich auf. Damals hieß es: "Das ist normal." Verena versucht im Alltag zu funktionieren, aber in ihr frisst sich die Frage fest: "Was stimmt nicht mit mir?"

"Weder im MRT noch Ultraschall war etwas zu sehen"

Im September 2022 wird Verena aufgrund einer Zyste am Eierstock operiert. Nach der Operation hieß es "Frau Hochstätter, wir haben da was gefunden." Erst der Laborbefund bringt Gewissheit: Endometriose. "Ich war erleichtert, weil ich mir die Schmerzen nicht einbilde. Gleichzeitig geschockt über das Ausmaß." Dass die Krankheit in der Bildgebung unsichtbar bleiben kann, erschwert oft den Weg zur Diagnose – so auch bei ihr. "Weder im MRT noch im Ultraschall war etwas zu sehen."

Die Wärmflasche ist für Verena das A und O bei Schmerzen. ©VOL.AT/Emilia Waanders

Mitte April 2024 unterzieht sich Verena in Tirol einer Laparoskopie – einem minimalinvasiven Eingriff, bei dem Endometriose-Herde im Bauchraum sichtbar gemacht und entfernt werden können.

Doch die Herde in der Gebärmutter blieben bestehen – sie könnten nur durch eine vollständige Entfernung der Gebärmutter beseitigt werden. "Mit nicht einmal 30 Jahren ist das für mich keine Option", sagt die 29-Jährige.

"Ich bin nicht allein"

Entscheidend war für Verena der Verweis ihrer Frauenärztin nach Hall in Tirol: Dort fühlt sie sich erstmals wirklich ernst genommen. In einem spezialisierten Endometriose-Programm wurden mit ihr Schritt für Schritt Anamnese, mögliche Befunde und Therapiewege durchgegangen. Der verantwortliche Primar, der das Programm mitträgt, operierte sie schließlich selbst. Über die Stelle erhielt sie auch praktische Unterstützung für den Alltag, etwa ein TENS-Gerät gegen die Schmerzspitzen, sowie Hilfe beim Navigieren durch Termine und Anträge. "Dort hatte ich das Gefühl: Jemand hat einen Plan – und ich bin nicht allein", sagt sie.

Trotzdem musste sie für Hilfsmittel und Kostenübernahmen mehrfach nachreichen – genau hier wünscht sie sich weniger Hürden für Betroffene.

"Schmerzmittel wirken nicht mehr"

Verenas "Must-Haves" mit Endometriose. ©VOL.AT/Emilia Waanders

Endometriose ist chronisch. "Rückfälle können bis zur Menopause immer wieder passieren." Heute ist Verena hormonell eingestellt. Das hilft, aber nimmt ihr nicht alles ab: "Ich habe meist monatliche Rückfälle, die sich ankündigen – Stress triggert sofort."

Mit der Zeit hat Verena gelernt, was ihr hilft. "Ich bin ein totaler Wärmflaschen-Fan." Über ein spezialisiertes Endometriose-Programm bekam sie zudem ein TENS-Gerät (transkutane Nervenstimulation). "Wenn es heftig ist, stelle ich die Impulse ein. Schmerzmittel wirken bei mir leider nicht mehr so gut."

"Nehmt uns schneller ernst"

Krankstände? Manchmal unvermeidbar. "Niemand ist gern im Krankenstand. Aber mit diesen Schmerzen überlegst du, wie du den Tag überhaupt meisterst." Ihre neue Firma unterstützt sie: höhenverstellbarer Schreibtisch, Verständnis für Pausen und Homeoffice.

Ihre Forderung an die Gesellschaft und Medizin: "Nehmt uns schneller ernst." Verena wünscht sich vor allem spezialisierte Anlaufstellen in jedem Bundesland.

Verena Hochstätter. ©VOL.AT/Emilia Waanders

"Endometriose ist extrem individuell"

Ihr wichtigster Tipp: Zweitmeinungen holen und spezialisierte Programme nutzen. "Endometriose ist extrem individuell. Was der einen hilft, bringt der anderen nichts. Probiert euch durch – bis ihr euren Weg findet." Information, Austausch und ein verständnisvolles Umfeld seien dafür entscheidend.

(VOL.AT)

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