Warum das Kostüm von Betty aus Feldkirch jetzt in einem Museum ausgestellt wird

Bettina Miriam Sehner aus Feldkirch hat eine Leidenschaft für Geschichte. Betty entdeckte das Reenactment für sich. Das heißt, sie rekonstruiert historische Kleidung und Alltagsgegenstände so authentisch wie möglich. Besonders angetan haben es ihr Steinzeit und Mittelalter.
In sozialen Medien teilt die Vorarlbergerin als "prehistoric.betty" regelmäßig ihre neuen Kostüme und Werkstücke. Jetzt wurde ein Museum aus Deutschland auf die Feldkircherin und ihre detailreichen Arbeiten aufmerksam. Eines ihrer Kostüme – eine Nachbildung der "Schamanin von Bad Dürenberg" – wird ausgestellt.

Wer war die Schamanin von Bad Dürrenberg?
Die Schamanin von Bad Dürrenberg zählt zu den ältesten archäologischen Entdeckungen Mitteleuropas. Die etwa 9.000 Jahre alte Grabstätte wurde 1934 in Sachsen-Anhalt entdeckt. Sie enthält eine Frau im Alter von 30 bis 40 Jahren und ein kleines Kind, die verwandtschaftlich im 4. oder 5. Grad verbunden waren. Besonders bemerkenswert sind die zahlreichen Grabbeigaben wie Tierzähne und Werkzeuge. Der mögliche Kopfschmuck aus Rehgeweih und Tierzahngehänge zeigen die besondere Stellung der Toten als "Schamanin", als spirituelle Anführerin ihrer Gruppe. Bei erneuten Grabungen, die ab 2019 stattfanden, wurde die genaue Fundstelle wiederentdeckt. Dabei wurden unmittelbar vor dem Grab in einer kleineren Grube zwei Masken aus Hirschgeweih gefunden, die dort etwa 600 Jahre nach dem Tod der Frau niedergelegt worden waren. Es könnte sich bei der Schamanin von Dürrenberg also sogar um eine über mehrere Hunderte Jahre verehrte Kultfigur gehandelt haben.

"Großartig, eine starke Frauenfigur darzustellen"
"Der 9000 Jahre alte Fund der Schamanin von Dürrenberg hat mich besonders fasziniert, da er in Mitteleuropa wirklich einzigartig ist. Auch war sie, allein schon aufgrund der besonderen und reichhaltigen Grabbeigaben mit ziemlicher Sicherheit eine hoch angesehene und mächtige Frau", meint die Feldkircherin. "Ich finde es großartig, eine starke Frauenfigur darzustellen und ein wenig dazu beizutragen, dass das allgemeine Klischee über die Steinzeit ein bisschen verändert wird." Für sie ist es unfassbar faszinierend, zu welchen handwerklich aufwändigen Kunstwerken Menschen zu einer so frühen Zeitepoche schon fähig waren. Die Schamanin entspreche nicht dem Frauenbild des Steinzeitklischees: "Von wegen „Knüppel auf den Kopf und in die Höhle ziehen“", so Betty. Auch Frauen gingen nachweislich auf die Jagd und wurden teilweise mit ihren Bögen bestattet. "Erst ab der Jungsteinzeit und Sesshaftwerdung finden sich dann vorwiegend getrenntgeschlechtliche Gräber, Männer eher mit Waffen und Frauen mit Töpfereien und handwerklichen Utensilien", verdeutlicht sie.

Wie das Museum auf Betty aufmerksam wurde
Doch wie kam es, dass ihr Kostüm bald in einem Museum zu sehen ist? "Nachdem ich auf meinem Instagram-Account „prehistoric.betty“ Fotos und Beschreibung meiner Interpretation der Schamanin veröffentlicht hatte, wurde ich von einem Mitarbeiter der Abteilung für Vorgeschichte des Naturhistorischen Museums Nürnberg kontaktiert", schildert sie. Dieser zeigte Interesse an einer Leihgabe des gesamten Ornats. "Da ich dies als große Ehre empfand, habe ich die Stücke dem Museum selbstverständlich gern zur Verfügung gestellt." Bettys Schamanin wird neben dem regulären Museumsbetrieb in einer Sonderausstellung gezeigt. Neben anderen Figuren ist hier eine mesolithische Schamanenfigur ausgestellt, nachempfunden der Schamanin von Dürrenberg inkl. dem Fundmaterial. Die Ausstellung läuft von Herbst 2024 bis Juni 2025.
Viel Arbeit und Liebe zum Detail
Für die Vorarlbergerin war die Interpretation des Kostüms eine spannende Herausforderung. "Neben den Fundgegenständen selbst hat mich die Präsentation im Museum in Halle inspiriert, wo der Fund derzeit ausgestellt wird", gibt sie zu verstehen. "Ich habe mich bei meiner Rekonstruktion hauptsächlich auf ihren Kopfschmuck, den Halsschmuck und die Kleidung konzentriert, anstatt den gesamten Fund mit den Grabbeigaben nachzubilden." Die Beschaffung des Materials war bereits eine Herausforderung. "Einige Tiere, deren Zähne bei den Grabfunden waren, sind bereits ausgestorben", gibt Betty zu verstehen. "Mein Anspruch war also nicht eine 1:1 Replikation." Insgesamt umfasste der originale Fund des Ornats um die 20 durchlochte Schneidezähne von Wildschwein, Ur oder Wisent sowie Rotwildzähne und ein Rehwildgeweih.

Handgefertigte Nachbildung von Hals- und Kopfschmuck
"Für meinen Kopfschmuck habe ich Bison-, Rotwild- und Wildschweinzähne verwendet", erklärt die Feldkircherin. Das Rehwildgeweih wurde vermutlich auf dem Kopf getragen. "Da war es mir wichtig, ein sehr ähnlich aussehendes Exemplar zu ergattern", meint Betty. "Um das Ganze zu fixieren, musste ich mir überlegen, wie ich das Grundgestell aufbaue, damit es danach angenehm auf dem Kopf zu tragen ist und auch beim Herumtanzen nicht verrutscht." Aus dickem und dünnerem Wild- und Rindsleder baute sie das Gerüst. Dann befestigte sie die Zähne mit Hanf- und Brennnesselfäden, sowie Sehnen. "Ein Rotfuchsbalg trage ich auch darauf, das ist meine eigene Interpretation, genauso wie Federschmuck und ein paar Knochenperlen", führt sie aus. Besonders lange war die Vorarlbergerin mit der Anordnung der Zähne beschäftigt – es sollte gut aussehen, aber die Sicht nicht zu sehr beeinträchtigen. "Es ist allerdings schon so, dass ich damit nicht mehr viel sehe und mich dadurch richtig einfühlen kann, wie man so in Trance fallen kann, wenn man damit tanzt oder trommelt", meint sie.
Doch mit dem Kopf- und Halsschmuck allein war es für den Geschichts-Fan nicht getan: Im Grab wurden auch roter Ocker (Rötel) und ein Gegenstand zum Auftragen gefunden. Für ein komplettes Outfit setzte Betty daher auch auf rituelle Körperbemalung. "Ich habe dann auch Rötel, Erde und Wasser verwendet, um meine Gesichtsbemalung zu machen", meint sie gegenüber VOL.AT. "Bezüglich der Kleidung habe ich mich teilweise an die allgemeinen Rekonstruktionen von steinzeitlichen Bekleidungsstücken orientiert, die im Mesolithikum vorwiegend aus Leder und Fellen, sowie Verzierungen mit Tierknochen, Zähnen, Horn und Muscheln besteht." Hier könne man tatsächlich viel selbst interpretieren und kreativ werden.

"Ich fühle mich einfach geehrt"
"Einmal trage ich eine Rehfelltunika und einen von Ötzi inspirierten Gürtel und ein anderes Mal ein Ledertop mit Fuchsfängen, dazu eine Ziegenfellhose und Schuhe aus Ziegenfell und Hirschsohle, darunter nicht sichtbar ein Lendenschurz aus Leder", so die Feldkircherin. Dass ihr Kostüm in einem Museum ausgestellt wird, ist für sie eine große Freude: "Ich finde es eine große Ehre, dass meine Rekonstruktion gut genug ist, um in einem Museum ausgestellt zu werden", meint Bettina abschließend. "Definitiv war ich überrascht von der Anfrage. Ich fühle mich einfach geehrt."
Betty im VOL.AT-Interview
Im Februar 2024 besuchte VOL.AT die Feldkircherin und sprach mit ihr auch über ihre besondere Begeisterung für Geschichte und ihr ausgefallenes Hobby. Sie fertigt möglichst detailgenaue Gegenstände und die Kleidung, probiert diese aus und versetzt sich so in die jeweilige Zeitperiode. Beim Interview trug sie ein Kleid nach Beispiel aus dem 14. Jahrhundert, aber auch mit Frühmittelalter und Bronzezeit beschäftigte sie sich, vor sie in der Steinzeit landete. Die Kleidung bzw. die Kostüme trägt sich auch im Alltag und unternimmt Spaziergänge: "Ich liebe es, so im Wald herumzulaufen, weil es ein ganz anderes Feeling macht", erklärt sie.
(VOL.AT)