Wenn Helfen doch nicht so unbequem wäre: Regisseurin Johanna Moder konfrontiert in "Waren einmal Revoluzzer" hippe, urbane Mittdreißiger mit ihren Idealen und verdeutlicht, wie leicht man für Prinzipien stehen kann, wenn sie nie auf die Probe gestellt werden. Eine Sozialstudie, die ohne erhobenen Zeigefinger zur Selbstreflexion anregt. Ab Freitag im Kino.
Waren einmal Revoluzzer: Kurzinhalt zum Film
Die beiden Wiener Paare Helene und Jakob, Tina und Volker kommen einem Hilferuf ihres Freundes Pawel in Russland nach. Zunächst schicken sie nur Geld, danach wollen sie ihn nach Österreich bringen. Als Pawel mit Frau und Kind ankommt, wandelt sich die Begeisterung der Paare, konkret helfen zu können, bald zur lästigen Unbequemlichkeit.
Der Konflikt ist vorprogrammiert, denn die vier Freunde fordern voneinander die Einhaltung ihrer Ideale ein, während sie diese selbst nicht wahrnehmen wollen. Obwohl die Mittdreißiger ihre geräumigen, wohl ausgestatteten Wohnungen in der Innenstadt haben, kommt es allen ungelegen, die russische Familie aufzunehmen - schließlich müssen sie nun einen persönlichen Einsatz bringen. Zwar verhalten sich Pawel und seine Familie manchmal etwas fragwürdig, doch sind die großen Persönlichkeitskrisen der vier Österreicher das Resultat typischer Luxusprobleme.
Die Anwesenheit von Pawels Familie konfrontiert die vier Österreicher mit dem Verrat ihrer Prinzipien, denn Pawels Frau Eugenia wird in Russland per Haftbefehl wegen politischer Enthüllungen gesucht und befindet sich in echter Gefahr. Ideale sind anstrengend, wenn etwas auf dem Spiel steht.
So muss Pawels Familie nach dem ersten Umzug Volkers Wohnung verlassen, da dieser nach der Arbeit vermeintlich seine Ruhe braucht. Stattdessen soll sie in ein Haus am Land ziehen, in dem jedoch Jakob gerade vermeintlich sein Album aufnimmt und Inspiration und ebenfalls Ruhe braucht. Da kommt eine befreundete Familie in Not natürlich ungelegen. Und so schieben sich die beiden Paare die Familie wie einen schwarzen Peter hin und her, obwohl die von ihnen abverlangten Opfer für ihren Lebensstandard kein Problem darstellen würden, würden sie nur zusammenarbeiten. Die Solidarität fehlt also nicht nur in Bezug auf die befreundete Familie, sondern auch untereinander.
Waren einmal Revoluzzer: Die Kritik
Moder beleuchtet in ihrem zweiten Spielfilm differenziert und mit bildlichen Subtexten, dass echte Hilfe menschenwürdige Behandlung bedeutet und sich nicht auf Almosen und finanzielle Unterstützung beschränkt. Ihr Film wurde im Ausland mehrfach ausgezeichnet. Die vier Wiener Figuren sind allesamt Aspekte arrivierter liberaler Pseudo-Idealisten: Eine Richterin, ein Musiker, ein Psychotherapeut und eine Kunstvermittlerin. Julia Jentsch, Marcel Mohab, Manuel Rubey und Aenne Schwarz verkörpern ihre Figuren gekonnt, die bemerken, dass ihre alltäglichen Probleme angesichts der Lebensrealität der russischen Familie verblassen, weswegen sie sich noch weniger auf sie einlassen und sie schnellstmöglich aus ihrem Leben verbannen wollen.
"Waren einmal Revoluzzer" zeigt also auch die Entfremdung einer urbanen Elite vom "wirklichen Leben", wozu nicht nur die Realität der geflüchteten Freunde, sondern auch der ländlichen Bevölkerung gehört. Man bleibt lieber unter sich und schließt sich in seiner Wohnung oder auf seinem Grundstück ein. Und so merken alle früher oder später, dass sie Teil der Elite sind, gegen die sie früher aufbegehren wollten. Sehenswert!
(APA/Red)