Sebastian Kurz hat es wieder einmal auf die Titelseite eines Magazins gebracht. Nicht als Unternehmer, sondern als hochpolitischer Mensch: „Will er wieder?“, hat der deutsche „Spiegel“ in seiner Österreich-Ausgabe gefragt, um es durch den Zusatz, dass der 39-Jährige Comeback-Gerüchte befeuere, auch schon zu beantworten.
Es ist offensichtlich, dass Kurz im Zuge der Inseratenaffäre im Herbst 2021 nicht zurückgetreten ist, um mit der Politik abzuschließen und sich ganz in die Privatwirtschaft zu verabschieden. Zunächst ist er sogar ausdrücklich nur „zur Seite“ getreten.
Heuer zu Jahresbeginn stand er unmittelbar vor einem Comeback: Unter anderem die niederösterreichische Landeshauptrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte ihn bekniet, Kanzler und Parteichef Karl Nehammer nachzufolgen. Zumal es dagegen auch Widerstände gab, wurde jedoch nichts daraus.
Das scheint bei Kurz Lust auf mehr gemacht zu haben. Gerne äußert er sich öffentlich zu politischen Fragen und lässt sich zwischendurch auch von politischen Journalisten nach Israel begleiten, damit Österreich durch ihre Berichte hinterher erfährt, wie erfolgreich er als Unternehmer sei.
Mittlerweile ist alles angerichtet für ein Comeback: Dass die FPÖ trotz Herbert Kickl, dem so viele Menschen misstrauen wie kaum einem anderen Politiker hierzulande, weit vorne liegt in allen Umfragen, zeigt, dass viel zu holen ist. Es ist Ausdruck einer riesigen Unzufriedenheit über Regierende wie Christian Stocker (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ); sie kann sich im Moment nur über die FPÖ entladen, weil sie die einzige Partei ist, die sich dezidiert, ja radikal gegen Regierende stellt.
Kurz könnte ebenfalls davon profitieren: Schon 2017, als er ÖVP-Chef und dann Kanzler wurde, hat er ein ausgeprägtes Gespür dafür bewiesen, was viele Leute hören wollen; hat sich nach außen hin gegen das System gestellt, indem er ankündigte, im System zu sparen; hat Politiker als Streithanseln dargestellt und sich dagegen ausgesprochen, einander anzupatzen.
Durch Chats ist dann klar geworden, dass er nicht besser ist. Glaubwürdigkeit ist jedoch Nebensache. Siehe Kickl. Das leitet über zum Punkt, dass die Inseratenaffäre für Kurz, für den die Unschuldsvermutung gilt, noch nicht ausgestanden ist; eine Anklage ist möglich. Derlei ist im Jahr 2025 aber kein Problem mehr. Siehe ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der wegen einer solchen auch nicht zurückgetreten ist und selbst bei einer erstinstanzlichen Verurteilung wegen Postenschacher bleiben würde, wie er sagt.
Alles angerichtet ist für ein Comeback von Kurz vor allem aber insofern: Die ÖVP liegt am Boden wie noch nie und in ihren Reihen gibt es auch keinen Aktiven, der sie retten könnte. Ihr Zustand ist übler als vor achteinhalb Jahren, als sie sich gezwungen sah, Kurz nicht nur zu ihrem Chef zu machen, sondern ihn schalten und walten zu lassen, wie er seinerzeit wollte.
Umso mehr wächst ihre Bereitschaft, das wieder zu tun. Und wo diese Bereitschaft innerparteilich (noch) nicht vorhanden ist, kann er nachhelfen: Sebastian Kurz hätte auch die Option, eine eigene Partei zu gründen. Dann wäre er ihr Gegner – und das wiederum wäre ihr Ende.
Die Uhr tickt, für die ÖVP und für Kurz. Ein günstiger Zeitpunkt für ein Comeback wäre 2026, vor oder nach dem Sommer. Grund: Allen Prognosen zufolge wird die Inflation dann nachgelassen haben und die Wirtschaft wieder ein bisschen Schwung aufgenommen haben. Das wären günstige Rahmenbedingungen, um im Hinblick auf den Wahlreigen ab dem Urnengang in Oberösterreich im Herbst 2027 und bis zur Nationalratswahl im Herbst 2029 durchzustarten.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik