AA

Wahlen entscheidet über Demokratie in Nigeria

Die Parlamentswahlen am 12. April leiten eine Wahlserie ein, deren Höhepunkt eine Woche später die Abstimmung über einen neuen Staatspräsidenten sein wird.


Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren soll in Nigeria eine Zivilregierung friedlich an die nächste übergeben werden.In den Wahlen des ethnisch und religiös zerrissenen westafrikanischen Ölstaates sehen Beobachter viel Sprengstoff. „Do or die“ – Mach’s oder stirb – heißt die Wahl, vor die etwa der stellvertretende Chefredakteur einer Tageszeitung in Lagos seine Landsleute gestellt sieht.

„Alle wissen: Wenn die Wahlen durch Gewalt vermasselt werden, ist das das Ende der jungen Demokratie“, warnt Bole Opefeitan von der „Nigerian Tribune“. Doch er fügt hinzu: „Es wäre ein Wunder, wenn es keine Gewalt gäbe.“ Schon im Vorfeld der Wahlen gab es zu viel davon. Elf Politiker verschiedener Parteien wurden in den letzten 15 Monaten ermordet. Viele Kundgebungen endeten blutig.

Rund 30 Parteien, von denen lediglich drei bei den letzten Wahlen existiert haben, drängen auf die Rednerpulte und – als logistischer Albtraum der Wahlkommission – auf die Stimmzettel. Die Vielzahl wirft ein Licht auf die Zerrissenheit Nigerias, das mit rund 120 Millionen mehr Einwohner als jedes Land des Kontinents hat.

Als stärkste Partei gilt nach wie vor Präsident Olusegun Obasanjos regierende „Demokratische Volkspartei“ (PDP), die in erster Linie in Obasanjos Heimat, dem christlichen Süden, unterstützt wird. Nicht allzu viele hatten Obasanjo (65) dort 1999 gewählt, als er das Land nach 15 Jahren Militärdiktatur zur Demokratie führte. Der Ex-General bekam damals mehr Hilfe von Militärfreunden aus dem moslemischen Norden.

Zahlreiche Nordnigerianer sind jedoch inzwischen enttäuscht darüber, dass der Staatschef die von ihnen geforderte Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, ablehnt. Der Norden tendiert nach Einschätzung von Beobachtern eher zur „Volkspartei Nigerias“ (ANPP). Ihr Kandidat, der ehemalige Staatschef Muhammadu Buhari, gilt als Obasanjos größter Rivale am 19. April, wenn neben dem Präsidenten auch die Gouverneure der 36 Gliedstaaten bestimmt werden.

Mehrere kleinere Parteien formierten sich im Osten Nigerias. Ausgerechnet der ehemalige General im Sezessionskrieg der sechziger Jahre und Chef der abtrünnigen „Republik Biafra“, Chukwuemeka Odumegwu Ojukwu (69), will nun für seine Partei, die „Progressive Große Allianz“ (APGA), Präsident von ganz Nigeria werden.

Drei Generäle im Kampf um die Spitze des demokratischen Landes – der Ruf nach einer Militärführung verstummte trotz aller Bemühungen auch seit Obasanjos Amtsantritt im Mai 1999 nicht allerorten. Immer wieder wurde das westafrikanische Land Schauplatz von Massakern. Rund 10.000 Menschen kamen in ethnischen oder religiös motivierten Kämpfen ums Leben. Von den Wüstenregionen im Norden bis hin zu den waldigen Gebieten im Süden des Landes leben rund 250 unterschiedliche Ethnien. Doch nach Meinung von Politologen geht es in vielen Konflikten vielmehr um den Zugang zu einem besseren Leben: sei es in Form von fruchtbarem Land, Jobs oder Macht. Die Bevölkerung des potenziell reichen Staates verarmt zunehmend. Immer weniger haben die Chance, sich zu bilden. Arbeitslose Jugendliche dominieren die Unterschicht in den Städten.

„Eine Krise weitet sich in Nigeria aus“, warnt der frühere Vizepräsident Alex Ekwueme, der selbst gern PDP-Kandidat geworden wäre. „Die Wirtschaft geht unter, und unsere Jugendlichen haben keine Zukunft.“ Besonders gilt das für junge Menschen im ölreichen Niger-Delta. Obwohl der Staat 97 Prozent aller Devisen aus dem dort geförderten Öl bezieht, blieb die Region auch entgegen Obasanjos Wahlversprechen von 1999 vernachlässigt. Als Quittung lieferten zwei Volksstämme dem Präsidenten nun kurz vor seiner angestrebten Wiederwahl einen Aufstand, der Nigerias Ölfluss um über ein Drittel versiegen und mehr Lichter als zuvor in den Städten erlöschen ließ. Drei Öl-Giganten stellten ihre Förderung in den Sümpfen des Deltas vorübergehend ein.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Wahlen entscheidet über Demokratie in Nigeria
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.