VW verliert im Dieselskandal auch vor zweiter Instanz

Das auch als "Thermofenster" bekannte Einschränken der Abgasreinigung auf bestimmte Temperaturen und Höhen sei unzulässig, "weil relevante Teile des Gebietes der Europäischen Union bei einer monatlichen Betrachtung Durchschnittstemperaturen unter 10 Grad Celsius aufwiesen, beziehungsweise oberhalb von 1.000 Höhenmetern lägen", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts vom Donnerstag. Insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes komme es nicht auf das Unionsgebiet insgesamt an. Sinn und Zweck der EU-Regelungen sei die Reduktion von lokal wirkenden Stickoxiden.
Revision nicht zugelassen
Das OVG Schleswig-Holstein bestätigte damit das Urteil der ersten Instanz, des Verwaltungsgerichts Schleswig Holstein, vom Februar 2023. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat das Gericht nicht zugelassen, VW und KBA könnten aber noch Beschwerde gegen diese Entscheidung erheben.
Das KBA sei nun "verpflichtet, die Volkswagen AG umgehend aufzufordern, innerhalb eines angemessenen Zeitraums alle geeigneten Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die Übereinstimmung der betroffenen Fahrzeuge mit dem geltenden Recht herzustellen", heißt es in der Mitteilung des Gerichts.
Anwalt Poduschka hofft nun auf höheren Schadenersatz
Für Anwalt Michael Poduschka, der zahlreiche VW-Besitzer vor Gericht vertritt, besteht nun die Hoffnung auf höheren Schadenersatz. Denn VW habe ein Jahrzehnt lang keine Abhilfe für diesen Mangel angeboten. Nach österreichischem Recht würde den heimischen VW-Fahrern ein Prozentsatz des Kaufpreises als Schadenersatz zustehen, auch nach zehnjähriger Nutzung, so Poduschka zur APA. Der Schadenersatz hänge also nicht am Restwert nach der langen Nutzung.
Den Fahrzeughaltern drohe sogar eine Stilllegung ihrer Autos, da eine technische Sanierung des Thermofensters zur Herstellung einer rechtskonformen Lage kaum möglich sei. Bis es dazu kommt, würden aber wohl noch Jahre vergehen, erwartet Poduschka. Außerdem müsste eine entsprechende Entscheidung in Deutschland noch vom österreichischen Verkehrsminister umgesetzt werden, um hierzulande wirksam zu werden.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die das Urteil mit ihrer Klage erwirkt hat, erwartet laut Aussendung Auswirkungen "für rund 7,8 Millionen Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 5 bis 6c mit ähnlicher Software, die noch auf deutschen Straßen unterwegs sind", auch wenn das Urteil formal zunächst nur den Volkswagen Golf Plus TDI (2,0 Liter, Motortyp EA 189 Euro 5) betrifft. Allerdings gilt das Verfahren als Musterverfahren.
VW kündigte Rechtsmittel an
"Volkswagen wird Rechtsmittel beim Bundesverwaltungsgericht einlegen", teilte der Konzern auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. "Das nicht rechtskräftige Urteil hat keine Maßnahmen des KBA, wie z.B. behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen oder Hardware-Nachrüstungen wegen des Thermofensters, zur Folge." Die Entscheidung betreffe "eine niedrige fünfstellige Zahl" von Fahrzeugen.
KBA und VW sehen das Thermofenster als zulässig an. Es schütze vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall. Die Risiken wiegen demnach so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen können. Das Thermofenster ist nach Auffassung von VW auch nach den Maßstäben der Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2022 unverändert zulässig.
Der EuGH hatte klargestellt, dass eine Software, die "einen überwiegenden Teil des Jahres" einen höheren Ausstoß von Schadstoffen zulasse, grundsätzlich unzulässig sei. Thermofenster zum Schutz des Motors seien nur dann rechtens, wenn keine andere Lösung Risiken abwenden könne.
(APA)