VW: Konzerngewinn von Volkswagen bricht ein und was das wahre VW-Problem ist
Volkswagen, Deutschlands größter Autobauer und wichtiger Arbeitgeber, meldet für das dritte Quartal 2024 einen Gewinneinbruch von fast zwei Dritteln. Der Gewinn nach Steuern sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 64 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro.
Auch das operative Ergebnis verzeichnete ein Minus von 42 Prozent und fiel auf 2,86 Milliarden Euro. Trotz eines Umsatzes, der knapp unter dem Vorjahresniveau liegt, gingen die Verkaufszahlen um sieben Prozent zurück.
Als Hauptursache für die finanziellen Einbußen gilt der rückläufige Absatz auf dem chinesischen Markt, einem bisherigen Wachstumsmotor und einem der profitabelsten Märkte für VW. In Europa belasten die sinkenden Verkaufszahlen ebenfalls stark: Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie wurden 500.000 Fahrzeuge weniger verkauft. Um die Krise zu bewältigen, hat VW einen harten Sparkurs angekündigt, der auch Arbeitsplatzabbau und die Schließung einzelner Werke in Deutschland umfassen könnte.
Bedrohte Standorte und mögliche Schließungen
Die Zukunft einiger VW-Standorte ist ungewiss. Laut „Süddeutscher Zeitung“ ist der Standort Osnabrück besonders gefährdet, da dort ab 2026 keine neuen Modelle mehr gebaut werden sollen. Auch Werke in Kassel, Chemnitz, Dresden und Zwickau könnten von Kürzungen betroffen sein, womöglich sogar von einem Verkauf. Für chinesische E-Autobauer wäre eine Übernahme dieser Werke besonders attraktiv, da sie so EU-Zölle umgehen könnten. Die Pläne zur Schließung oder zum Verkauf deutscher Standorte haben bereits jetzt Unruhe ausgelöst, da die wirtschaftliche Bedeutung der VW-Standorte für die betroffenen Regionen groß ist.
Widerstand von Gewerkschaft und Betriebsrat
Die geplanten Sparmaßnahmen stoßen auf entschiedenen Widerstand von Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall. Letztere fordert in den laufenden Tarifverhandlungen eine Lohnerhöhung von sieben Prozent und lehnt Kürzungen bei den Arbeitsplätzen und Werkschließungen ab.
IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger forderte zu Beginn der Tarifverhandlungen in Wolfsburg, dass VW auf die Werksschließungen verzichtet oder zumindest Alternativen prüft. Ohne ein Entgegenkommen droht die Gewerkschaft ab dem 1. Dezember mit Warnstreiks, um die Forderungen der Belegschaft durchzusetzen.
Betriebsratschefin Daniela Cavallo kritisiert ebenfalls den geplanten Sparkurs und fordert stattdessen ein langfristiges Zukunftskonzept, das die Interessen der Beschäftigten einbindet. Sie betonte, dass der Betriebsrat und die IG Metall in der Vergangenheit stets gemeinsam mit dem Konzern Krisen gemeistert hätten und auch diesmal diesen Weg gehen wollen.
„Da gehört sehr viel mehr dazu, als nur über Arbeitskosten und Fabrikkosten zu sprechen“, sagte Cavallo. Der Betriebsrat fordert einen zukunftssicheren Plan, der die Wettbewerbsfähigkeit von VW stärkt, ohne Arbeitsplätze zu opfern.
Steuerausfälle und wirtschaftliche Dominoeffekte
Die mögliche Schließung oder Reduktion der VW-Werke könnte auch in den betroffenen Regionen zu erheblichen Steuerausfällen führen. Baunatal bei Kassel, der zweitgrößte VW-Standort nach Wolfsburg, verzeichnete während der letzten VW-Krise im Jahr 2015 (Abgasskandal) einen Rückgang der Steuereinnahmen um mehr als 50 Prozent.
Salzgitter, ebenfalls ein VW-Standort, meldete damals einen Einbruch der Steuereinnahmen um knapp 40 Prozent. Viele Kommunen, in denen VW angesiedelt ist, blicken daher mit Sorge auf die aktuellen Entwicklungen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, warnte in der „Bild“-Zeitung vor den drohenden Ausfällen bei der Gewerbesteuer und betonte, dass viele Gemeinden stark von VW abhängig sind.
Auch der wirtschaftliche Dominoeffekt wäre beträchtlich: Zulieferbetriebe und Dienstleister, die eng mit VW verbunden sind, könnten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Besonders strukturschwache Regionen wie Nordhessen oder Sachsen, in denen VW ein wichtiger Arbeitgeber ist, wären besonders gefährdet.
Holger Schäger vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) weist darauf hin, dass mögliche Entlassungen zu einer Überlastung des regionalen Arbeitsmarktes führen könnten. Diese Entwicklung würde auch den Staat belasten, denn laut dem deuteschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verursacht jeder Arbeitslose jährliche Kosten von rund 25.000 Euro.
Einsparungen durch Lohnverzicht und Nullrunden
VW plant, von den insgesamt 3,6 Milliarden Euro an Einsparungen mehr als die Hälfte durch Lohnverzicht der Beschäftigten zu erzielen. Einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge soll eine pauschale Gehaltskürzung von zehn Prozent rund 800 Millionen Euro einbringen. Weitere Einsparungen sollen durch das Streichen von Bonuszahlungen und Nullrunden in den kommenden Jahren erfolgen und damit zusätzlich 1,2 Milliarden Euro einbringen. Damit legt VW den finanziellen Druck der Krise zu einem erheblichen Teil auf die Beschäftigten.
Forderung nach einem Zukunftskonzept und betriebswirtschaftlicher Führung
Wirtschaftsexperten wie DIW-Chef Marcel Fratzscher warnen vor politischen Eingriffen und fordern, dass Entscheidungen bei Volkswagen betriebswirtschaftlich und nicht politisch motiviert getroffen werden sollten, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
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Betriebsratschefin Cavallo fordert ebenfalls ein nachhaltiges Konzept, das den langfristigen Erhalt der Arbeitsplätze ermöglicht und die Transformation im Einklang mit den Bedürfnissen der Belegschaft gestaltet. Sie betont, dass Volkswagen und die IG Metall nur gemeinsam die Krise erfolgreich bewältigen könnten und ein starkes Bekenntnis zur Zukunft der Standorte nötig sei. „Jede Krise ist immer gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG Metall gemeistert worden. Und genau diesen Weg möchten wir einschlagen.“
Kritik an VWs Qualitätsstrategie: Das wahre Problem?
Ein weiterer Aspekt der Krise, wie Sebastian Viehmann in einem Kommentar auf Focus Online schreibt, liegt nicht nur im Fokus auf die Elektromobilität, sondern in grundlegenden Qualitätsproblemen und der zunehmend „billig wirkenden“ Innenausstattung der VW-Modelle. Modelle wie der ID3 und ID Buzz würden diesen „Billo-Charme“ durch Hartplastik und einfache Materialien verstärken – eine Entwicklung, die laut Viehmann viele Kunden abschreckt und den einst hohen Anspruch auf „German Engineering“ untergräbt. Viehmann sieht dies als fundamentales Problem: Solange VW im Vergleich zur Konkurrenz nicht mehr Preis-Leistung und Qualität bieten könne, drohe der Verlust wichtiger Marktanteile, und die Marke werde es schwer haben, sich im Premiumsegment zu behaupten.
Fakten zum VW-Gewinneinbruch
- Gewinneinbruch: -64 % im dritten Quartal
- Gewinn nach Steuern: 1,58 Milliarden Euro
- Verkaufsrückgang in Europa: 500.000 Fahrzeuge weniger seit der Pandemie
- Geplante Einsparungen: 4 Milliarden Euro
- Gefährdete Standorte: u.a. Osnabrück, Kassel, Dresden, Zwickau
- Geplante Maßnahmen: Arbeitsplatzabbau, Lohnkürzungen bis zu 18 %, mögliche Werksschließungen
(VOL.AT)