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Vorarlberg: Zapfenstreich im Schützenkeller – Abendappell bei „Ranger Sigi“

Sympathisch und authentisch: Sigi Schwärzler im WANN & WO-Interview.
Sympathisch und authentisch: Sigi Schwärzler im WANN & WO-Interview. ©WANN&WO/Andy Sillaber
Die WANN & WO besuchte Sigi Schwärzler, Vizeleutnant im „Un-Ruhestand“, und sprach mit ihm über die Zeit beim Jagdkommando, als er vom Blitz getroffen wurde und wieso ein Pferd an „Bleivergiftung“ starb.

Von Joachim Mangard/WANN & WO

WANN & WO: Wie schaut der „Un-Ruhestand“ von „Ranger Sigi“ aus? Vermisst du das Bundesheer bereits?

Sigi Schwärzler: In keinster Weise. Ich verbringe viel Zeit in den Bergen. Aber nicht wie die ganzen Hobby-Wanderführer, sondern mit höherem Anspruch. Auch im Winter gerne beim Skitouren gehen. Wir sind zum Beispiel die Vorarlberger Landesgrenze zu Fuß abgelaufen, ein Erlebnis, das mich in Gebiete geführt hat, die man mit Kanada oder Alaska vergleichen könnte. Ansonsten bin ich auch öfters mit meiner Harley, einer Night Train, unterwegs, obwohl sie mich heuer schon abgeworfen hat. Ein Schlüsselbeinbruch war die Folge. Jetzt habe ich eine Metallplatte in der Schulter, was mich bei jedem Gewitter zur Flucht in meinen Schützenkeller zwingt.

WANN & WO: Wieso Flucht in deinen Schützenkeller?

Sigi Schwärzler: Weil ich schon drei Mal vom Blitz getroffen wurde. Glücklicherweise hat es mich immer nur gestreift, hier bin ich aber inzwischen ein bisschen abergläubisch. Aber das Bier schmeckt vorzüglich hier (schmunzelt).

WANN & WO: Du warst schon über hundert Mal auf dem Piz Buin. Fasziniert dich der Berg immer noch?

Sigi Schwärzler: Absolut, das Silvretta Gebiet ist wie eine zweite Heimat für mich. Umso schockierender ist der Umgang mit der Natur, gerade dort oben im hochalpinen Gelände. Wenn man den Schwund des Ochsentaler Gletschers betrachtet, bekomme ich den „Horror“. Noch zorniger machen mich eigentlich nur Bergtouristen, die in irgendwelchen „Halbschuhen“ durchs Geröll marschieren. Denen würde ich am liebsten den „Huf anrauchen“. Die würden dann benommen niederbrechen, mit meiner Ausbildung (schmunzelt).

WANN & WO: Spielst du damit auf deine Jagdkommando-Ausbildung im Jahr 1975 an?

Sigi Schwärzler: Wenn ich schon ins Heer ginge, wollte ich etwas Besonderes machen. Also entschied ich mich als „Hatler Gragler“ für die Ranger-Ausbildung in Hainburg, bei der sieben von zehn Anwärter durchfallen. Nach der ersten Woche war ich dem „Abrüsten“ nahe, mein Stolz hat es aber nicht zugelassen, aufzugeben. Dann wurde es von Woche zu Woche besser, auch wenn man mit nichts außer seinem Fleckerltarn-Anzug und dem Poncho frierend die Nächte auf Bäumen verbrachte. Irgendwann kommt man in den Trott und man zieht es durch. Nach einem Jahr bin ich dann wieder zum Vater zurück und habe im Sportgeschäft angefangen. Aber den Himmel hab ich nicht gesehen, also zog es mich zurück ins Heer. Und nach der Bergführer- und Skilehrer-Ausbildung sowie an spezifischen Waffengattungen habe ich dann meinen Platz im Jäger-Bataillon gefunden.

WANN & WO: Du hast dann ja mehrere tausend Rekruten ausgebildet. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?

Sigi Schwärzler: Ich war nie ein Fan dieser absoluten Machtausübung, was vielerorts im Militär anzutreffen ist. Ich habe immer versucht, das Ganze mit einer Portion Schmäh anzugehen und niemanden „runter zu deckeln“. Letztlich sitzen alle im selben Boot, wir sind ein Team. Ich verfolge meine Linie der vier „H“: Herz, Hirn, Humor und eine gewisse Härte. Damit bin ich aber auch bei manchem Vorgesetzten an Grenzen gestoßen, zumal ich manchmal meine eigenen Vorschriften gemacht habe.

WANN & WO: Wie wichtig ist es heutzutage, Kindern die Natur nahe zu bringen?

Sigi Schwärzler: Egal, ob bei meiner Zeit im Heer, im Club Natur Pur oder als Familienvater: Mir war es immer wichtig, den Leuten, insbesondere Kindern, den richtigen Umgang mit der Natur zu vermitteln. Ein Grundsatz ist, dass man nichts in der Natur zurücklässt. Wenn ich gesehen habe, dass jemand eine Zigarette achtlos fortgeworfen hat, folgte ein „Trauermarsch“ für den ganzen Zug – mindestens fünf Kilometer, aber aufwärts. Im digitalen Zeitalter ist es für uns Erziehungspersonen umso wichtiger, den Kindern den Zugang zur Natur wieder zu ermöglichen. Das versuche ich mit meinem Club Natur Pur schon seit Jahrzehnten.

WANN & WO: Wann bist du an deine Grenze gestoßen?

Sigi Schwärzler: Ich kann mich noch gut an eine Situation Anfang der 80er-Jahre erinnern. Wir waren auf einer Alpin-Ausbildung in der Silvretta. Mit zehn Mann habe ich eine Gruppe ins Bieltal geführt, als wir unter eine Lawine kamen. Damals hatte nur jeder Zweite einen Piepser dabei. Im Nachhinein hatten wir ein Riesenglück, innerhalb weniger Minuten hat uns der nachfolgende Zug aus den Schneemassen befreit. Rudl Holzer, meinen damaligen Bataillonskommandant, haben wir darüber nicht informiert. Als dieser aber am nächsten Tag aus der Zeitung erfuhr, dass wir verschüttet wurden, hat er auch mir ordentlich den Marsch geblasen.

WANN & WO: Um dich ranken sich ja viele Mythen. Was hat es denn mit der Geschichte auf sich, als du eines Tages nur mit dem Sattel über den Marktplatz gelaufen bist, nachdem das Pferd zu Sturz kam?

Sigi Schwärzler: Vor dem Bundesheer war ich gerne auf meinem Pferd unterwegs. Bis es dann eines Tages an Bleivergiftung starb. Aber lassen wir dieses Thema.

WANN & WO: Gemeinsam mit Ernst Konzett hast du den Mount McKinley, inzwischen Denali, in Alaska bestiegen. Dein schwierigster Gipfelsieg?

Sigi Schwärzler: Kann man durchaus so sagen, vor allem im Zweierteam. Zunächst schleppt man pro Kopf 60 Kilo in etlichen Tagesetappen aufs Basislager in 4200 Meter Seehöhe. Eigentlich braucht man dann noch zwei weitere Camps bis zum Gipfel auf 6190 Meter. Wir haben eines ausgelassen, dann wurde das Wetter schlecht und mir ging es körperlich dreckig. Ich war nicht mehr in der Lage, meine Körpertemperatur zu halten. Ernst hat mich aber aufgepeppelt und wir stiegen wieder ins Basiscamp. Nach drei Tagen hatten wir dann wieder ein Wetterfenster, aber nur für knapp 24 Stunden. Also haben wir uns entschlossen, die Route unter einmal durchzuziehen. Wir haben nichts mehr mitgenommen außer ein paar Brocken Schokolade, etwas Tee und die Skistöcke. Vorbei an Eisfeldern mit Gletscherspalten, in die ganze Häuser passen. Auf 6000 Meter bekam Ernst dann die Höhenkrankheit. Gemeinsam haben wir aber trotzdem den Gipfel erklommen, mit den letzten Kräften. Insgesamt waren wir vom Morgen um zwei bis in die Nacht um zehn unterwegs.

WANN & WO: Wie stehst du zur Wehrpflicht?

Sigi Schwärzler: Die damalige Diskussion wurde durch den Zivildienst aufgeschaukelt. Ich glaube an eine gesunde Mischung, wie jetzt eh schon teilweise praktiziert, mit Kader, Zeitsoldaten und Rekruten. Die sechsmonatige Wehrpflicht halte ich persönlich für zu kurz, sieben Monate wären ideal, allein um die Turnus-Rotation zu gewährleisten.

WANN & WO: Was hältst du von einer „Afrika-Invasion“?

Sigi Schwärzler: Die Aussage war unglücklich gewählt. Aber ich bin kein großer Freund des privaten politischen Diskurses, der öffentlich breit getreten wird. Natürlich habe ich meine Einstellung, die bleibt aber hier in meinen vier eigenen Wänden. Für öffentliche Debatten sind andere zuständig. Ich bin aber auch kein Freund von Verallgemeinerungen, gerade in Bezug auf das Flüchtlingsthema. Man muss das Ganze einfach sachlich nüchtern und mit klarem Hausverstand betrachten. Ohne einen voreingenommenen Blick durch die linke oder rechte Brille.

WANN & WO: Am Freitag veröffentlichst du dein neues Buch „Grenzfieber – Land der Schmuggler und Schwärz(l)er?“ im ORF Funkhaus. Worum geht’s?

Sigi Schwärzler: Nachdem ich mich beim Vorgänger mit den Wilderern im Ländle beschäftigt habe, stieß ich auf die Schmuggler. Bei einem Fläschchen Wein erzählten mir die alten Montafoner die eine oder andere „wilde“ Geschichte. Herausgekommen ist wieder ein hochspannendes Buch, das vom Schmuggleralltag bis hin zu Schießereien mit der Finanzwache ein breites Spektrum beleuchtet. Mich hat die heimische Geschichte immer schon gereizt. Und dieses Thema bietet wieder reichlich Gesprächsstoff über einige ausgesuchte waghalsige Vorfahren von uns.

(WANN & WO)

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