Vorarlberg: Diskussion um humanitäres Bleiberecht geht weiter

“Eine deutlich bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern”, wenn es um Abschiebung und humanitäres Bleiberecht geht, brauche es “so oder so”. Die Haltung Kickls – der Innenminister betonte am Dienstag, die Entscheidung über humanitäres Bleiberecht werde nicht in Länderkompetenz wandern, solange er Innenminister ist – bezeichnete der Vorarlberger Landeschef als “unverständlich”.
“Aus Sicht des Landes wurde ja durchaus auch ein Angebot formuliert. Wir haben gesagt, wir wären bereit, eine nicht so einfache Aufgabenstellung – nämlich die Mitbeurteilung des Bleiberechts – auch im Land wieder aufzunehmen”, konkretisierte Wallner. Für eine komplette Übertragung allein in Länderkompetenz habe er sich nie ausgesprochen, für eine mittelbare Bundeskompetenz, wie es sie bis 2014 gab, aber schon.
Fall in Sulzberg
Der Vorarlberger Landeshauptmann hatte mit seiner Forderung auf einen Abschiebe-Fall in Sulzberg reagiert. Dort war vergangene Woche eine schwangere Mutter, die aufgrund des Stresses kollabiert und ins Krankenhaus gebracht worden war, von ihrem dreijährigen Sohn getrennt worden. Für Wallner ist der Fall ein Indiz, “dass es offenbar Schwierigkeiten macht, einige hundert Kilometer entfernt zu sein, richtigerweise zu entscheiden, wie man bei einer Abschiebung vorzugehen hat”, nämlich “deutlich menschlicher”, kritisierte der Landeschef.
Im Kontakt mit anderen Landeshauptleuten werde Wallner das Thema jedenfalls ansprechen. Allerdings wisse er nicht, inwieweit andere Länder wieder bereit wären, in diesem Fall Verantwortung zu übernehmen. Schließlich hätten die Länder der Änderung ja zugestimmt.
“Wertvolle Expertise”
Kritik an der Absage Kickls kam am Dienstag auch von der ÖVP. Klubobmann Roland Frühstück mahnte ein, “nicht auf die wertvolle Expertise vor Ort zu verzichten”. Menschen vor Ort könnten die Integrationsbemühungen von Asylwerbern am besten einschätzen, so Frühstück.
Zusätzlich forderte der ÖVP-Klubchef Kickl auf, “schnellstens Maßnahmen zu setzen, die die Dauer der Asylverfahren deutlich verkürzen”. Der Innenminister könne “nicht im Ernst behaupten, dass das aktuelle System eine rasche und umfassende Klärung schaffe, ob einer Person ein Aufenthaltsrecht zukomme oder nicht”.
“Kickl ignoriert Länderinteressen”
Als einen „traurigen Akt gegen die Demokratie“ bezeichnet ÖGB-Landesvorsitzender Norbert Loacker indes die Reaktion von Innenminister Kickl auf die Forderung von Landeshauptmann Markus Wallner und Kardinal Christoph Schönborn.
„Kickl scheint seine Machtposition zu Kopf gestiegen zu sein. Anders kann sein Diktat an die Bundesländer nicht verstanden werden“, bedauert Loacker die mangelnde Gesprächsbereitschaft seitens des Innenministers. „Kickl ignoriert nicht nur die Anliegen der Landeshauptleute, sondern ist sich offenbar auch der angespannten Stimmung in der Vorarlberger Bevölkerung aufgrund der letzten Abschiebefälle nicht bewusst“, warnt Loacker.
Grüne Initiative
Auch die Grünen fordern, Entscheidungen über humanitäres Bleiberecht nicht länger in den Händen des Innenministeriums verbleiben zu lassen und fordern mehr Kompetenzen für die Länder. “Die Abschiebungen von gut integrierten Menschen aus Vorarlberg wie die armenisch-iranische Familie in Sulzberg zeigen: hier ist jegliches Augenmaß verlorengegangen. Derartige Entscheidungen dürfen nicht länger den Behörden eines Innenministers Kickl überlassen werden“, begründet der Grüne Asylsprecher Daniel Zadra die Initiative der Grünen, das humanitäre Bleiberecht in den Vollzug des Landes zu holen.
Asylgesetz ändern
„Was die armenisch-iranische Familie aus Sulzberg vergangene Woche miterleben musste, ist beschämend. Das ist das Ergebnis der Asylpraxis eines Innenministers Kickl, die die ÖVP mitträgt“, kritisiert Zadra. Es sei inakzeptabel, dass die Integrationsbemühungen der Familie überhaupt nicht berücksichtigt wurden und kein humanitäres Bleiberecht ausgesprochen wurde.
Zadra fordert, dass das Asylgesetz 2005 dahingehend geändert wird, sodass das humanitäre Bleiberecht in die Vollzugszuständigkeit des Landeshauptmanns fällt. „Behörden vor Ort, die die Menschen kennen und bei ihrer Integration mitwirken, können besser beurteilen, ob eine Abschiebung angemessen ist oder nicht, als eine 600 km entfernte Behörde des Bundes“, schließt Zadra.
(APA/red)