Vom Krankenpfleger zum Patienten: "Ich lebe ständig im Energiesparmodus"

Er war einst ein sportlicher, aktiver Mensch – heute lebt er im "Energiesparmodus", wie Balac sagt. Seit vier Jahren ist der 55-jährige diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger aus Feldkirch aufgrund von Long Covid, ME/CFS und dem Verdacht auf einen Impfschaden arbeitsunfähig.
In einem emotionalen Gespräch mit VOL.AT gibt er Einblick in seinen dramatisch veränderten Alltag – und rechnet mit dem Gesundheitssystem und der Politik ab.
Was ist Long Covid und ME/CFS?
Miroslav Balac leidet an mehreren Erkrankungen, die häufig nach Virusinfektionen auftreten: Long Covid und ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). Diese Krankheiten führen zu extremer Erschöpfung, Konzentrationsstörungen und körperlichen Beschwerden – selbst nach kleinen Anstrengungen.
Zusätzlich wurde bei ihm das POTS-Syndrom (eine Kreislaufstörung, bei der der Puls beim Aufstehen stark ansteigt) festgestellt und es besteht der Verdacht auf ein Post-Vakzinationssyndrom (anhaltende Beschwerden oder gesundheitliche Schäden nach einer Impfung). Balac hat außerdem eine eingeschränkte Herz- und Lungenfunktion sowie Hinweise auf chronische Entzündungen und Autoimmunreaktionen im Körper.
Video: Der belastende Alltag mit Post Covid
Vom Leben auf der Überholspur zum Stillstand
"Ich war sportlich, viel mit dem Rad unterwegs, habe Fußball gespielt und als Schiedsrichter gepfiffen, viel gelesen und Vollzeit gearbeitet“, erinnert sich Balac. 5.000 Kilometer pro Jahr auf dem Fahrrad, 25 Bücher in einem Jahr, regelmäßig sportliche Aktivitäten – so ein voller Kalender ist für Balac mittlerweile unmöglich. Er muss sich gut überlegen, wofür er seine wenige Energie einsetzen möchte.

"Nach jeder kleinsten Anstrengung bin ich erschöpft. Ich kann keine Treppen steigen, keine Hausarbeit machen. Alles, was körperlich belastet, haben meine Schwestern übernommen. Sie kochen für mich und machen mir den Haushalt." Er selbst "sammelt Energie" für die schönen Dinge im Leben, um kleine Highlights, wie ein Besuch beim Fußballtraining seines Sohnes, überhaupt zu schaffen.
Zudem ist er noch leidenschaftlich als Schiedsrichter tätig. "Ich kann gewisse Tätigkeiten noch ausüben. Meine Ärzte empfehlen mir, Sport zu machen, um die Restfunktionen, die ich noch habe, aufrechtzuerhalten." Damit ist Balac einer der wenigen Betroffenen, denen Sport noch eingeschränkt möglich ist, da er nur mittelschwer am chronischen Erschöpfungssyndrom leidet.
"Ich lebe auf Sparflamme"

Der Alltag des einstigen Krankenpflegers ist geprägt von Verzicht. "Ich mache am Tag eigentlich nichts. Statt 15 Minuten zu staubsaugen, gehe ich eben - wenn möglich - 15 Minuten spazieren. Das kostet genauso viel Energie."
Für vieles, was für gesunde Menschen selbstverständlich ist, braucht Balac mittlerweile Hilfe: Kochen, Waschen, Finanzen. "Ich lebe auf Sparflamme, ständig im Energiesparmodus – körperlich wie psychisch."

Auslöser Impfschaden?
Besonders bitter: Balac war Teil der systemrelevanten Berufsgruppen, die früh geimpft wurden. Heute glaubt er, dass die dritte Impfung der Auslöser für seine Erkrankung war. Eine Vermutung, die er mit Leistungsdiagnostik zu untermauern versucht – bisher ohne offizielle Anerkennung eines Impfschadens.
"Ich bin ein Impfbefürworter", betont er. "Aber wenn es in seltenen Fällen zu langfristigen Komplikationen kommt, muss es Anlaufstellen geben. Stattdessen werde ich herumgereicht, muss Gutachten selbst organisieren und gehe durch alle Instanzen."

Seit vier Jahren krank: "Nichts ist passiert"
Fast vier Jahrzehnte lang arbeitete Balac im Landeskrankenhaus Feldkirch – nun ist er selbst Patient. "Doch medizinische Hilfe? Fehlanzeige. Ich habe sofort gemerkt, dass es in Vorarlberg keine Versorgung für ME/CFS-Patienten gibt. Als ich krank wurde, war ich noch Einzelkämpfer. Ich habe Politiker angeschrieben, auf Missstände hingewiesen – nichts ist passiert."
Heute ist der 55-Jährige froh über die Selbsthilfegruppe aller Betroffenen, in der sie sich täglich miteinander austauschen.

Balac über PVA: "Die legen uns Felsbrocken in den Weg"
Noch härter trifft ihn der Umgang mit den Sozialversicherungen. "Die Pensionsversicherungsanstalt sollte sich besser in Pensionsverhinderungsanstalt umbenennen", sagt er wütend über die PVA. "Die legen uns nicht nur Steine, sondern Felsbrocken in den Weg. Anträge auf Reha-Geld? Zu 80 Prozent in unserer Gruppe abgelehnt. Begutachtungen? Oberflächlich. Eine Diagnose mit Stethoskop und Blutdruckmessung – das war’s. So ein Schnellverfahren reicht bei einer so seltenen Krankheit wie unserer nicht aus."
"Es ist eine bodenlose Frechheit"
Für Balac ist die fehlende Hilfe kein Zufall, sondern Kalkül. "Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Die Politik lässt uns im Stich." Er kritisiert die damalige Impfpflicht, die Lockdown-Maßnahmen – aber noch mehr die fehlende Bereitschaft, sich mit den Langzeitfolgen auseinanderzusetzen. "Es ist eine bodenlose Frechheit und es macht mich wütend, dass man uns für dumm verkauft", betont der Feldkircher.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"
Ob er noch Hoffnung habe? "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber ich bin Realist. Und je länger man uns nicht helfen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit sich chronifiziert."
Was ihm bleibt, ist die Stimme – für andere zu sprechen, die keine Kraft mehr dafür haben. "Viele in unserer Selbsthilfegruppe sind bettlägerig. Ich möchte auch für sie sprechen und hoffe, dass die richtigen Personen meine Worte hören."
"Wir waren viel unterwegs"

Am meisten schmerzt ihn, was das für seine Vaterrolle bedeutet. "Ich kann nicht das machen, was ich früher mit meinem Sohn gemacht habe. Wir waren viel unterwegs, Fußballplatz, Radfahren, Reisen. Das Meiste davon geht heute nicht mehr."

"Ich will wenigstens wissen, woran ich erkrankt bin"
Die medizinische Versorgung für ME/CFS und Long Covid in Vorarlberg beschreibt Balac als katastrophal. "Seit vier Jahren hocke ich nur vor dem Computer. Ich lese Studien, suche Kontakte, schreibe Ärzte an – in Deutschland, Italien, sogar an der Yale-Universität in den USA."
Sein Ziel ist klar: "Ich will so schnell wie möglich gesund werden. Und wenn ich das nicht schaffe, will ich wenigstens wissen, woran ich erkrankt bin."
Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige
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