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Vom Anstreicher zum gefallenen König

Eigentlich sollte er Salzburg mögen, der fast 70-jäh­rige Otto Rehhagel. Immerhin liebt er Opern, zählt Künstler zu seinen Freunden und soll nicht selten in Konzerten klassischer Musik gesehen worden sein.

Aber seit seiner 0:1-Niederlage gegen das blutjunge, offensive und vor Fußball-Begeisterung sprühende russische Team wird er diese Stadt seiner gescheiterten Titelverteidigung wohl in mehr als zwiespältiger Erinnerung behalten.

Noch am Tag vor diesem “EURO-Abschiedsspiel” der Griechen hatte Rehhagel von Rücktritts nichts wissen wollen und auf derartige Fragen unwirsch reagiert: “Ich bin zu alt, um auf solche Tricks hereinzufallen. Ich habe schließlich nie gesagt, dass wir hierher kommen und alle anderen Mannschaften aufmischen werden.”

Natürlich hat der mit sieben vollen Jahren längstdienende Nationaltrainer des nunmehrigen Ex-Europameisters (Rehhagel: “Keiner hat es hier so lange ausgehalten!”) einen Vertrag bis 2010. Ob der nach dem sensationellen EM-Titel 2004 als “Grieche des Jahres” geadelte Athener Ehrenbürger diesen allerdings erfüllen und das Team Hellas auch bis zur WM 2010 in Südafrika betreuen will bzw. darf, ist mehr als ungewiss.

Schließlich hat der alte Fuchs in seinen langen Jahren als Bundesliga-Trainer vieles von dem erreicht, was ein Trainer erreichen kann. Kickers Offenbach, zwei Mal Werder Bremen (Europacupsieger der Cupsieger 1992 sowie zwei Mal deutscher Meister und Cupsieger), Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld, Fortuna Düsseldorf (deutscher Cupsieger), Bayern München (UEFA-Cup-Sieger 1996) und 1. FC Kaiserslautern (deutscher Meister als Aufsteiger) waren die Stationen des Deutschen, bevor er sich in Griechenland zum “König Rehakles” krönen ließ. An Allmacht-Allüren sollte es beim gelernten Maler und Anstreicher und Ruhrpot-Urgestein, der von den Griechen jahrelang nicht nur respektiert, sondern sogar geliebt wurde, nicht gelegen haben.

“Ich habe einfach mehr gewonnen als verloren, das ist es. Es ist nichts als der Erfolg”, lautete Rehhagels nüchterne Standardantwort. Mit dieser Einstellung wird er wohl auch die Bitterkeit der Niederlage und des Ausscheidens am besten verkraften. Sollte der 69-Jährige seinen Thron tatsächlich räumen, wird es im griechischen Fußball wohl zu einem längst überfälligen Umbruch kommen: Weg vom altmodischen defensiven hin zum modernen Angriffs-Fußball, der auch der russischen Mannschaft zum entscheidenden Sieg über den Titelverteidiger verholfen hat.

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