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Volkstheater startet mit "Peer Gynt": "Fantasie als Lebensmotor"

Raphael von Bargen spielt die Hauptrolle in Michael Sturmingers Ibsen-Inszenierung - Ein Krankenhaus als Ausgangspunkt für den "nordischen Faust" - Premiere am Freitag

Mit Henrik Ibsens “Peer Gynt” eröffnet das Volkstheater Wien am Freitag (5.9.) die Saison 2008/09. Im Gegensatz zu manchen anderen Regisseuren, die für die verschiedenen Lebensalter des durch die Welt ziehenden Bauernsohns Peer gleich mehrere Hauptdarsteller engagierten, hat sich Michael Sturminger dazu entschlossen, den ganzen Bogen der Titelfigur einem einzigen Schauspieler zu überantworten: Der junge Deutsche Raphael von Bargen steht vor der vermutlich größten Aufgabe seiner bisherigen Karriere.

“So ehrenhaft es gewesen wäre, mir die Rolle mit bestimmten Kollegen zu teilen: Ich hätte ohnedies alles spielen wollen”, lacht der 31-Jährige im APA-Gespräch nach einer anstrengenden Durchlauf-Probe. Die Frage stellte sich jedoch gar nicht: Sturminger, der auch als Film- und Opernregisseur viel beschäftigt ist, hat sein Konzept ganz auf einen jungen Mann zugeschnitten, der in einem Krankenhaus vermutlich nur noch wenige Tage zu leben hat.

“Die Lebensspanne dieser Figur umfasst daher nicht vielleicht 65 Jahre, sondern vermutlich nur ein paar Tage”, erzählt von Bargen, der sich aber gegen eindeutige Festlegungen, ob Peers abenteuerliche, überbordende Geschichte nun etwa in Rückblenden oder als Fieberträume erzählt würde, wehrt: “Es geht um Fantasie als Lebensmotor. Wahrnehmungsmuster verschieben sich, er entscheidet sich, die Realität immer wieder anders zu sehen. Einfach, weil es toll ist. Das funktioniert, über den Text gelegt, erstaunlich gut. Passagenweise beginnt zwar der Text unter diesem Konzept schon etwas zu krachen, ist hart an der Belastungsgrenze – aber er bricht nicht!”

Die Arbeit an diesem “nordischen Faust”, der so vielschichtig ist wie die in ihm vorkommende berühmte Zwiebel-Parabel, empfindet der Schauspieler als Herausforderung, die quasi in einen Spielrausch münde: “Ich hätte für das Stück wahnsinnig gerne drei Monate Probenzeit gehabt. Jetzt sind es im Endeffekt fünf oder sechs Wochen. Das ist echt ne’ flotte Nummer! Aber obwohl ich vielleicht an die 70 Seiten Text habe, habe ich eigentlich nicht viel Text gelernt.” Dazu trägt auch die Arbeitsweise des Regisseurs bei, dem von Bargen Rosen streut: “Er ist ein unglaublich lieber, intelligenter, warmer, entspannter Mensch. Er arbeitet mit positiver Bestärkung, lässt sehr viel zu. Dass er jemanden anschreit, ist undenkbar.” Nicht, dass man den Eindruck hätte, der energiegeladene Schauspieler mit dem markanten Gesicht ließe sich Derartiges gefallen – doch man glaubt ihm gerne, dass er Belastungsproben lieber im gegenseitigen Vertrauen als in steter Reibung absolviert.

“So eine Rolle hat ja relativ viel mit einem selbst zu tun, damit, in welcher Lebensphase man gerade steckt. Zwei Mal haben mich Rollen auch privat verändert”, erzählt er erstaunlich offen, “als Hippolytos in ‘Phaidras Liebe’ von Sarah Kane bin ich selbst auch ein sehr direkter, zynischer Hund geworden, und als Stotterer in ‘Waikiki-Beach.’ von Marlene Streeruwitz habe ich plötzlich selbst zum Stottern angefangen.” Beide Stücke spielte der Reinhardt Seminar-Absolvent 2001 im Wiener Volkstheater. 2002 bis 2006 war er Ensemblemitglied des Burgtheaters. Dort wieder wegzugehen “war die richtige Entscheidung”, glaubt der Schauspieler, der für die Zukunft allerdings nichts ausschließen möchte. Im Volkstheater hat er sich nun für einen Zwei-Jahres-Vertrag verpflichtet. Nach “Peer Gynt” wird Raphael von Bargen im November den Happy in Arthur Millers “Tod eines Handlungsreisenden” spielen. Auch keine Kleinigkeit.

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