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Viel zu verlieren

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. Das ist schlecht für die SPÖ und gut für die FPÖ.

Wien biete eine „unübertroffene Kombination“ aus Stabilität, guter Infrastruktur, Gesundheitsversorgung sowie Kultur- und Unterhaltungsangeboten. Zu den wenigen Nachteilen zähle ein Mangel an großen Sportveranstaltungen. Doch das ist für die „Economist Intelligence Unit“ kaum ins Gewicht gefallen: Sie hat die Stadt gerade zur lebenswertesten Metropole der Welt erklärt. Es ist nicht zum ersten Mal. In vier von fünf Kategorien gab es diesmal 100 von 100 möglichen Punkten.

Wen wundert’s? Die „New York Times“ hat Wien unlängst als Paradies für Mieter bezeichnet. So viele gemeinnützige Wohnungen gemessen an der Bevölkerung gibt es sonst nirgends. Es existieren auch nur wenige Millionenstädte auf der Welt, in denen man sich nachts überall hin trauen kann, ohne mit einem Überfall rechnen zu müssen. So weitläufige Erholungsgebiete wie den Prater und die Donauinsel bestehen sonst ebenfalls kaum wo.

Für die regierende SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig ist das jedoch nichts, auf dem sie sich ausruhen kann. Es ist kein Vorteil für sie. Umgekehrt ist es kein Dämpfer für die Freiheitlichen oder die Türkisen in der Stadt, die versuchen, sie zu kopieren. Die nächste Gemeinderatswahl ist deswegen noch lange nicht entschieden.

Ludwig ist eher mit einem Problem konfrontiert: Lebenswerteste Stadt der Welt zu sein, ist das eine. Es in einem globalen Wettbewerb zu bleiben, das andere. Auf Dauer wird es kaum möglich sein, diesen Status zu halten. Man wird ihn früher oder später mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachhaltig verlieren.

Wichtiger ist jedoch dies: Wer in Wien lebt, ist wirklich gute Verhältnisse gewohnt. Im internationalen Vergleich ist Wohnen alles in allem günstig. Sind die Spitäler ebenso top wie die öffentlichen Verkehrsmittel. Das ist jedoch gefährdet: Ausgehend von einem hohen Niveau gibt es zunehmend spürbare Verschlechterungen. Wohnen wird wesentlich teurer, im Gesundheitswesen und bei den Wiener Linien macht sich Personalmangel bemerkbar. Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass man bisher verwöhnt war. Niemand tut sich jedoch schwerer, Abstriche hinzunehmen, als jemand, der verwöhnt ist. Vor allem wenn dann auch noch einer wie Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) daherkommt und so tut als wär‘ nix.

Das schafft ein erhebliches Potenzial für Parteien, die auf Protestwähler setzen; auf Wähler, die von Unmut oder Abstiegsängsten getrieben werden. Herbert Kickl weiß das. Seine Strategie ist es daher, das alles zu verstärken und den Eindruck zu vermitteln, dass eine Katastrophe nahe sei. 

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at - Analysen und Hintergründe zur Politik

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