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Vice - Kritik und Trailer zum Film

Mit Extrakilos und gekonnter Maske verwandelt sich Oscar-Preisträger Christian Bale ("The Fighter") in "Vice - Der zweite Mann" in den ehemaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney. Die bissige Politsatire von US-Regisseur Adam McKay ("The Big Short") erzählt die Geschichte des erzkonservativen Politikers, der unter George W. Bush 2001 Vizepräsident und zu einem der mächtigsten Drahtzieher im Weißen Haus wurde.

Gut aussehende Schauspieler hinter Schichten von Plastilin, angefressenem Fett und Make-up verschwinden zu lassen, damit sie historischen Persönlichkeiten ähneln, ist ein beliebtes Stilmittel Hollywoods. Nach Gary Oldman als Winston Churchill in “Die dunkelste Stunde” macht sich nun Christian Bale als Ex-US-Vizepräsident Dick Cheney in der genialen Satire “Vice” auf Oscar-Kurs. Ab Freitag im Kino.

Vice: Kurzinhalt zum Film

Der 45-Jährige gilt als Meister der Verwandlung, der für “The Machinist” 30 Kilo abnahm, für die “Batman”-Reihe einen Muskelberg zulegte und nun mittels Extrapfunden im hohen zweistelligen Bereich, schütterem Haar und entsprechender Maske dem einstige Vizepräsidenten unter – oder hier vielleicht eher über – George Bush Jr. frappant ähnlich sieht. Doch auch wenn der Brite die grimmige Mimik des erzkonservativen Amerikaners durchaus stimmig imitiert, benötigt man als Zuschauer eine Weile, bis das Gehirn Bale ausblendet und Cheney sich hervorschält.

Dann aber ist Adams McKays bissige Politsatire ein zynischer Spaß, das ebenso stilpluralistische wie treffende Porträt einer Figur, die in gewissem Sinne als Vorahnung der heutigen Zustände im Weißen Haus dienen kann. So ist “Vice” (im Englischen doppeldeutig zwischen der Abbreviation für den Vizepräsidenten und dem Ausdruck für Sünde changierend) kein Biopic, sondern Anklage und Pamphlet zugleich.

Der grobe Rahmen bildet dennoch die chronologische Lebensgeschichte des späteren US-Vize, beginnend in den frühen 1960er-Jahren im ländlichen Wyoming. Auf Saufgelage und den Rausschmiss aus Yale folgt das Ultimatum von Freundin Lynne (Amy Adams), dem Dick sich beugt. So steigt er – und Lynne an seiner Seite – über die Jahre zum Stabschef unter Gerald Ford, zum Kongressabgeordneten der Republikaner und zum Verteidigungsminister unter George Bush Senior auf, bevor der Wechsel in die Privatwirtschaft, zum Ölservicegiganten Halliburton folgt.

Vice: Die Kritik

Diese Karrierestufen schildert Satireexperte McKay, der bereits mit “The Big Short” (2015) ein politisches Thema auf die große Leinwand brachte, mit einem ganzen Strauß witziger, zynischer Einfälle, bricht den Fluss der Narration, wenn etwa die verschiedenen Gänge der Aushöhlung der Demokratie wie in einem Menü im Edelrestaurant präsentiert werden. McKay betreibt somit letztlich epischen Film als Pendant zum epischen Theater Brechts. Der Zuschauer soll sich nie in die Illusion fallen lassen, sondern stets als wacher, politisch-interessierter Beobachter am Ball bleiben.

So folgt mit dem Gang in die Privatwirtschaft nach einer Stunde das Happy End inklusive Abspann – das sich freilich nur als schönes Was-wäre-wenn-gewesen entpuppt. Denn Cheney kehrt in die Politik zurück, als er das Angebot von George Bush Junior für das Amt des Vizepräsidenten erhält. Von 2001 bis 2009 wird er die graue Eminenz der Regierung, zum Bürokraten der eigentlichen Macht, der die Ministerien mit Vertrauensleuten unterwandert und hinter den zentralen Entscheidungen wie dem Irak-Krieg, den Folter-Verhörmethoden und illegalen Abhörpraktiken steht.

Durch das Spiel von Bale im Paarlauf mit Amy Adams als ebenso toughe wie trutschige Gattin (die eine ebenso unwahrscheinliche Wahl für diese Rolle darstellte) werden die beiden zu den Macbeths der US-Politik, stellen ein “House of Cards” in Spießerfassung dar. Völlig verdient sind beide für den heurigen Oscar nominiert, wobei Bale endlich seine erste, wohlverdiente Hauptrollen-Trophäe winken könnte. Wie Adams in der Sparte der Nebendarsteller nominiert ist auch Sam Rockwell als dödeliger Bush Junior, während Steve Carells Leistung als Verteidigungsminister Donald Rumsfeld leider ungenannt blieb.

So oder so, McKay nähert sich seiner Hauptfigur mit ebenso wenig Sympathie wie Bale, der in seiner Dankesrede bei den Golden Globes der Inspiration Satans für seine Interpretation dankte. Die Solidarität mit seiner lesbischen Tochter bleibt lange Zeit das einzige Sympathiemoment, das die Filmemacher Cheney zugestehen – eines, das am Ende dann doch gebrochen wird. Der mittlerweile 78-jährige Dick Cheney dürfte “Vice” also weniger lieben. Der politische interessierte Kinogeher hingegen schon.

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(APA/Red)

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