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Verwirrung in Island: Premier will nicht zurücktreten

Gunnlaugsson will sein Regierungsamt doch nicht endgültig aufgeben.
Gunnlaugsson will sein Regierungsamt doch nicht endgültig aufgeben. ©APA/AFP
Der wegen der "Panama-Papers" kritisierte isländische Ministerpräsident David Gunnlaugsson will sein Regierungsamt doch nicht endgültig aufgeben. Fragwürdige Geschäfte des isländischen Saubermanns und ein in diesem Zusammenhang Knall auf Fall abgebrochenes Interview hatte die Wut der Isländer zum Kochen gebracht. Massenproteste waren die Folge.

In einer Pressemitteilung, die sein Büro am Dienstagabend verbreitete, hieß es: “Der Ministerpräsident ist nicht zurückgetreten und wird weiterhin als Vorsitzender der Fortschrittspartei tätig sein.” Er habe nur vorgeschlagen, dass sein Stellvertreter Ingi Johannsson das Regierungsamt vorübergehend übernehme.

Am Dienstag hatte die Fortschrittspartei mitgeteilt, dass David Gunnlaugsson seinen Rücktritt als Regierungschef angeboten habe. Sein Name war im Zusammenhang mit den Berichten über Finanzgeschäfte mit Briefkastenfirmen aufgetaucht.

Die “Panama Papers” sollen Informationen über eine Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln enthalten, die Gunnlaugssons Frau gehört. In der Mitteilung hieß es dazu, Gunnlaugssons und seine Frau hätten zu keiner Zeit die Vermögenswerte vor den isländischen Steuerbehörden verheimlicht.

Aufgrund der Zeitverschiebung waren am Mittwochvormittag zunächst weder die Fortschrittspartei noch das Büro des Ministerpräsidenten erreichbar.

Proteststurm in Island nach “Panama Papers”

Gegen Gunnlaugsson hatten am Montagabend rund 12000 Menschen vor Parlament in Reykjavik protestiert. Es waren die größten Proteste in der Geschichte Islands, ist sich die Polizei am Tag darauf sicher. Die Menschen in dem kleinen Inselstaat mit nur 330 000 Einwohnern kochten vor Wut. Wut auf ihren Regierungschef. Bananen und Eier schmeißend verliehen sie ihr Ausdruck.

APA/AFP
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Fragwürdige Geschäfte des isländischen Saubermanns

Der Geduldsfaden riss den Isländern am Sonntagabend. Denn an dem Eindruck, er habe etwas zu verbergen, ist Sigmundur David Gunnlaugsson selbst nicht ganz unschuldig. Der isländische Ministerpräsident brach ein Fernsehinterview ab und verließ den Raum, als ein Fernsehjournalist ihn kürzlich vor laufender Kamera auf mögliche Verbindungen zu ausländischen Briefkastenfirmen ansprach. Das war eine dumme Reaktion, gab Gunnlaugsson hinterher zu.

Als Schuldeingeständnis will Gunnlaugsson sein Verhalten nicht verstanden wissen, er beteuert seine Unschuld. Die Panama Papers, die seit Sonntag in der Welt sind, bringen ihn aber mächtig unter Druck.

Es war eine aufgezeichnete Sendung vom März, es ging um die Enthüllungen über Steueroasen in den “Panama Papers”. Der Journalist hatte Gunnlaugsson auf eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln angesprochen, die Gunnlaugssons Frau gehört – und einst auch ihm gehört haben soll. Seit der Ausstrahlung kennt der Zorn der Isländer keine Grenzen mehr.

In den Akten der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca können sich die Isländer nun über das Finanzgebahren ihres 41 Jahre jungen Regierungschefs informieren. Die Unterlagen verzeichnen Gunnlaugsson und seine damalige Freundin – und heutige Ehefrau – Anna Sigurlaug Palsdottir als Inhaber einer Briefkastenfirma namens Wintris. Sie war auf den britischen Jungferninseln, einem Steuerparadies in der Karibik, registriert.

Wintris hielt den Dokumenten zufolge Anleihen im Wert von mehreren Millionen Euro. Das Vermögen dürfte vor allem von Palsdottir kommen, die aus einer reichen Familie stammt. AlsGunnlaugsson das Geschäft einging, war er noch nicht Politiker. Er war Fernsehjournalist. Nach seiner Wahl ins isländische Parlament 2009 verkaufte er seinen Anteil an der Briefkastenfirma an seine Frau – zum Preis von einem Dollar.

Gunnlaugssons verzockte Glaubwürdigkeit

Diese Geschäfte legte er auch dann nicht offen, als er 2013 zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Ob Gunnlaugsson tatsächlich Steuern hinterzogen und gegen Gesetze verstoßen hat, ist noch längst nicht erwiesen. Er beteuerte am Montag, den isländischen Fiskus nicht hintergangen zu haben. Vielleicht war das Anlagemodell tatsächlich rechtmäßig. Doch nicht alles, was steuerrechtlich legal ist, ist politisch opportun.

Das gilt insbesondere für Gunnlaugsson, der nun um seine Glaubwürdigkeit fürchten muss. Denn Islands Politik steht immer noch unter dem Eindruck der schweren Finanzkrise von 2009. Die Banken der Insel hatten sich monumental verzockt, der Staat musste viel Steuerzahlergeld für ihre Rettung aufbringen.

Gunnlaugsson war damals einer der führenden Köpfe einer Kampagne, die dagegen ankämpfte, den Bürgern zu viele der Lasten aus der Bankenrettung aufzubürden. Er profilierte sich als Fürsprecher der Bürger gegen die Finanzindustrie.

Wütend macht die Inselbewohner nicht nur, dass ihr Regierungschef und seine Frau Millionen in einer Offshore-Firma versteckt haben könnten. Sie sind auch sauer darüber, dass Wintris laut “Süddeutscher Zeitung” auf der Gläubigerliste der Krisenbanken stehen soll.

Als Ministerpräsident hatte Gunnlaugsson Abkommen zwischen Gläubigern und Banken verhandelt. “Der Premierminister hat den isländischen Bürgern vor Gläubigern – auch vor seiner Frau – immer den Vorzug gegeben”, verteidigt Gunnlaugssons Büro den Politiker in einer Mail an die Deutsche Presse-Agentur. Seine Landsleute schenken den Erklärungen aber keinen Glauben.

Nicht nur der bisherige Regierungschef, sondern etwa auch Benediktsson soll nach den Medienberichten über die “Panama Papers” in Finanzgeschäfte mit Briefkastenfirmen verwickelt sein. Die Regierung sollte das Trommeln der Demonstranten nicht unterschätzen. Die wollen weiter protestieren. Vermutlich erst recht, nachdem aus dem Rücktritt kein Rücktritt wurde. (red/APA/dpa)

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