AA

"Verpeilt übers Verpeiljoch"

©schichtl
Bludenz (schichtl). Am Samstag, den 26. Juli 2014 fand im Pitztal der härteste Alpin-(Ultra)Marathon der Alpen auf der spektakulärsten Strecke Europas statt.

  Voller Vorfreude und auch mit gemischten Gefühlen fuhren meine Transalpine-Run-Partnerin Iwi und ich am Freitag, den 25. Juli 2014 nach Mandarfen ins Pitztal.  Punkt 18:30 Uhr sind wir noch gerade rechtzeitig zum verpflichtenden Streckenbriefing in der Trail-Maniak-City angekommen.

 

Wir sind uns noch unsicher, ob wir die Königsdistanz 95k oder “nur” den Marathon in Angriff nehmen sollen. Die Wetterprognose verspricht leider eine Regenschlacht.  Der Organisator Mario Schönherr schwärmt uns von der Ultradistanz mit traumhafter hochalpiner Landschaft vor: 97,5 km mit ca. 6.897 HM heißt es zu bewältigen. Unser Bauchgefühl sagt „ja“ und somit gab es für uns keine andere Wahl, als ein Upgrade auf die Königsdistanz.

Mit gepackten Rucksack und obligatorischer Pflichtausrüstung haben wir uns ein paar Stündchen aufs Ohr gelegt. Wenig Schlaf ist man ja bei solchen Veranstaltungen gewohnt. Der Wecker klingelte um 2 Uhr. Nach ausgiebigem Frühstück mit frischem Obst und Müsli fiel pünktlich um 4 Uhr der Start für den Ultra-Marathon.

Voll motiviert und gut gelaunt ging es los. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich – typisch für Ultraläufern. Man weiß ja, dass man einige Stunden zu Laufen hat. Ankommen ist meistens das oberste Ziel. Der Himmel über Mandarfen sieht noch trocken aus – sofern man dies in der morgendlichen Dunkelheit erahnen kann. Die ersten Kilometer mit knapp 1000 HM liefen gut.
Stirnlämpchen für Stirnlämpchen kämpften sich den Berg hoch; langsam wird es hell. Die erste Streckenverpflegung gab es nach 8 km bei der Kaunergrathütte, der höchstgelegene Berghütte im Pitztal mit 2.817 Meereshöhe. Wir befinden uns im hochalpinen Gelände.
Ab jetzt schlängelt sich der Bergweg hoch und runter über das Bergmassiv. Meine Freundin Iwi und ich sind gut drauf und liegen kurz hinter der ersten Frau.
Nach rund drei Stunden kamen wir an einen Knackpunkt, an dem wir die Trail-Maniak-Markierung aus den Augen verloren haben. Wir liefen wie im Flow der Alpenverein-Wegmarkierung hinterher und kraxelten übers steile Verpeiljoch bis ins Tal zur Verpeilhütte. Da wir niemanden mehr gesehen haben wurden wir stutzig und haben in der Hütte nachgefragt. Dann die niederschmetternde Erkenntnis: VERLAUFEN. Wir sind die Ursprungsroute gelaufen.

Gestern wurde beim Briefing noch gesagt, dass die Strecke geändert wurde, aber wir waren so im Laufmodus, dass wir den falschen Wegmarkierungen gefolgt sind. Was nun? Nach ein paar Krokodilstränen vor Wut auf sich selber und einem zweiten Frühstück bei der netten Hüttenwirtin, haben wir uns wieder gefangen. Nach Rücksprache mit dem Orga-team müssen wir über das Verpeiljoch zurücklaufen – zusätzliche 1.000 HM. Der Weg ist doch steiler als gedacht. Wir klettern mehr oder weniger anden seilgesicherten Passagen hoch und rutschen ein paarmal ab. Oben endlich angekommen kamen uns tatsächlich noch andere Läufer entgegen, welche sich verlaufen hatten. Nicht nur wir hatten somit Probleme bei der Streckendeutung. Zügig ging es weiter aus dem Hochtal hinaus. Die Strecke ist durch den Regen extrem rutschig. Es begann nun auch wieder langsam zu regnen.
Aber auch das gehört zum TrailRunning dazu, auch wenn die immer nasser und rutschiger werdenden Trails uns an unsere Grenzen bringen. Auf der Strecke treffen wir an einem Checkpoint Mario Schönherr. Dieser teilt uns mit, dass wir auf der Marathonstrecke weiter laufen dürfen, so dass wir wenigstens unser Finisher-Leder-Armband erlaufen können. Gesagt, getan. Die Motivation war zurück und wir liefen weiter Richtung Mandarfen auf der Marathon-Strecke. Dort erfahren wir an der Verpflegungsstelle, dass der Veranstalter aufgrund der Wetterbedingungen den Streckenabschnitt auf Ötztaler Seite über das Weißmaurachjoch durchs Pollestal gestrichen hat. Vernünftig. Es regnete nun in Strömen. Nichtsdestotrotz, Regenjacke an und weiter geht es.

Die letzten 20 km warten auf uns. Es geht in Serpentinen hoch Richtung Rifflsee. Nach über 8 Stunden auf den Beinen haben wir noch viel Kraft und wir überholen einige männliche Mitläufer. Oben angekommen – Klatschnass und frierend nahmen wir eine weitere Stärkung an der Sunnalm ein. Die Mädels an den Labe-Stationen sind immer sehr nett und mitfühlend. Auch sie haben ein riesen Dank und Lob verdient. Immerhin stehen einige von ihnen viele, viele Stunden im Regen und der Kälte und motivieren die Läufer. Nun warten die letzten 15 km auf uns, aber es will einfach nicht aufhören zu regnen. Einziger Trost: Die wunderschöne Landschaft, der traumhafte See und die Vorfreude auf das alkoholfreie Bier im Ziel.
Mittlerweile tun mir Beine und Arme weh. Aufgrund des rutschigen Geländes bin ich einige Male gestürzt und habe mit meinen rechten Arm und den Oberschenkel geprellt. Meiner Freundin ging es nicht besser. vermutlich können wir abends unsere blauen Flecken zählen!
Aber wie heißt es so schön “Pain is for the moment – glory is forever”. Nach dem letzten extrem schmierigen Abstieg verlaufen die restlichen 5 km nur noch auf einer Kies- und Asphaltstraße. Ein Traum. Endlich mal wieder richtig laufen lassen. Balsam für unsere Beine, Gemüt und Motivation!
Nach 12 1/2 Stunden rennen wir endlich glücklich ins Ziel und fallen uns in die Arme. Die Wertung zählt zwar nicht, aber wir sind durchgelaufen, haben unser Finisherpreis erhalten und sind dennoch zufrieden. Auch wenn wir die 95k nicht laufen konnten, hatten wir einen tollen Tag mit vielen Emotionen auf einer landschaftlich sehr eindrucksvollen aber auch anspruchsvollen Strecke! Eine Strecke, die den Athleten konditionell, mental und technisch alles abverlangt.

Zu unserem Glück hat es endlich aufgehört zu regnen, sodass wir uns im Ziel gemütlich aufwärmen und stärken konnten. Nächstes Jahr haben wir auf jeden Fall eine Rechnung mit der Königsdistanz offen. Eine Einladung von Mario Schönherr haben wir bereits erhalten. Wir freuen uns bereits jetzt auf 2015, wenn wir mit lauter verrückten Trail-Maniaks die Königsdistanz rocken! Und diesmal laufen wir nicht verpeilt übers Verpeiljoch!

Ein Beitrag von Kathi Schichtl und Iwi Lehnert.

  • VIENNA.AT
  • Bludenz
  • "Verpeilt übers Verpeiljoch"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen