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Vernachlässigung als Form der Gewalt gegen Kinder

Emotionale Gewalt ist nicht zu unterschätzen.
Emotionale Gewalt ist nicht zu unterschätzen. ©Bilderbox
Oft werden Kinder von überforderten Eltern als lästig und wie Luft betrachtet. Die Gefahr der emotionalen Verwahrlosung ist dabei in den ersten fünf Lebensjahren am größten.

Es geht in der Regel “still und leise” vonstatten: die Vernachlässigung von Kindern. “Es ist meist nichts, was man so deutlich sieht”, beschrieb es Herta Staffa, Sprecherin der Magistratsabteilung 11, Amt für Jugend und Familie (MAG 11. “Trotzdem ist es eine Form von Gewalt.” Und offenbar eine verbreitete Form, denn “mehr als die Hälfte” der jährlich in Wien eingehenden Gefährdungsmeldungen beträfen Vernachlässigung, so Staffa anlässlich einer am Mittwoch in Wien startenden Tagung heimischer Jugendamtspsychologen.

“Die betroffenen Kinder fristen oft lange unentdeckt ein klägliches Leben, das häufig erst im Kindergarten oder in der Schule festgestellt wird”, erklärte Belinda Mikosz, Leiterin des Wiener Psychologischen Dienstes. “Bei körperlicher Vernachlässigung ist es klar: Die Grundversorgung wie Pflege und Ernährung ist nicht sichergestellt.” Bei der emotionalen Form herrscht ein “Mangel an Zuwendung”: “Das Kind wird als lästig erlebt, wie Luft betrachtet.” Eine fehlende emotionale Bindung könne später zu Bindungsunfähigkeit und Störungen führen.

Chance der Prävention

“Die Gefahr von Vernachlässigung und Misshandlung ist am größten in den ersten fünf Lebensjahren”, erklärte Ute Ziegenhain vom Universitätsklinikum Ulm in Deutschland im Rahmen der Veranstaltung. “Während des ersten Lebensjahres sterben mehr Kinder in Folge von Vernachlässigung und Misshandlung als in jedem späteren Lebensalter.”

Ein besonderes Gefährdungsrisiko läge in den “eingeschränkten Erziehungs- und Beziehungskompetenzen” der Eltern, so Ziegenhain, die in diesem Bereich auch eine bisher wenig genutzte Chance der Prävention sieht. Kinderschutz bedeute, frühe und präventive Angebote für “alle” Eltern ab Schwangerschaft und Geburt bereitzustellen, wobei der Unterstützungsbedarf von Information über Entwicklung und Verhalten von Säuglingen bis hin zu gezielter Anleitung reiche, meinte die Expertin. Das Risiko für Vernachlässigung und Misshandlung generell steige dann sprunghaft an, wenn mehrere Risiken vorliegen.

Risikofaktor gewalttätiges Milieu

Risikofaktoren seien u. a. ein gewalttätiges Milieu und wenn Eltern selbst solche Erfahrungen gemacht haben, führte Mikosz aus. Unrealistische Erwartungen an das Kind sowie eine gewisse Impulsivität und ein unbeherrschtes Verhalten der Eltern können ebenso eine Gefahr darstellen. Auch kann es sein, dass Kinder einen Mehranspruch besitzen, z. B. aufgrund ihres Temperaments oder “spezieller Bedürfnisse” wie im Fall von Schreibabys. Eltern sehen sich ohne Unterstützung oft nicht in der Lage, diesen erfüllen zu können.

Die Wiener Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Elisabeth Pellegrini, zeigte im Rahmen der Arbeitstagung auch ein hohes Risiko der Vernachlässigung von Kindern psychisch kranker Eltern auf. Insbesondere die Behandlung des betroffenen Elternteils sowie die Aufklärung des Nachwuchses würden hier einen wichtigen Beitrag zur Prävention darstellen.

In der heimischen Bundeshauptstadt will man übrigens ab 25. November, zum Start der internationalen Aktion “16 Tage gegen Gewalt an Frauen”, im Rahmen einer Kampagne über das Thema Vernachlässigung informieren, u. a. in Form von Beiträgen in verschiedenen Medien, so auch in türkisch- und serbokroatischsprachiger Presse.

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