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Verein Neustart mit erster Bilanz zur Gewaltpräventionsberatung

Die Maßnahme soll nach Fällen häuslicher Gewalt präventiv gegen weitere Eskalation wirken.
Die Maßnahme soll nach Fällen häuslicher Gewalt präventiv gegen weitere Eskalation wirken. ©pixabay.com (Sujet)
Die Verpflichtung zu einer Gewaltpräventionsberatung für Personen, gegen die ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde, ist erst kurz in Kraft. Eine erste Bilanz gibt es nun vom Verein Neustart.
Unklarheiten bei Täterberatung
Sechs Stunden Beratung für Gewalttäter
Beratung nach Wegweisung wird Pflicht

Die Weiterleitung der Fälle durch die Polizei erfolge sehr schnell, was eine wesentliche Voraussetzung für diese opferschutzorientierte Täterarbeit sei, sagte Sprecher Andreas Zembaty der APA.

Beratungsgespräch für Gewalttäter seit September verpflichtend

Die Einschaltung der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter unmittelbar nach einer Wegweisung sei aus methodischen Gründen überaus wichtig: "Der erste Kontakt bietet die Chance, noch auf die Leute einzuwirken", erläuterte Zembaty. "Unmittelbar nach der Tat sind viele Täter dazu bereit - teilweise selbst erschrocken, was sie angerichtet haben -, nicht gleich in eine Täter-Opfer-Umkehr zu gehen." Es sei auch der richtige Zeitpunkt, um eine "Motivation zum Umdenken" zu erreichen. "Diesen Moment dürfen wir nicht versäumen."

Seit 1. September müssen nach häuslicher Gewalt Weggewiesene an der sechsstündigen Beratung teilnehmen. Gefährder haben nach einer Wegweisung fünf Tage Zeit, einen Termin zu vereinbaren. Das Erstgespräch muss binnen 14 Tagen ab Kontaktaufnahme stattfinden. Bei Weigerung droht eine Verwaltungsstrafe bis zu 2.500 Euro, im Wiederholungsfall 5.000 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen.

Verein Neustart erhielt bislang rund 40 Zuweisungen

Bis Freitagmittag erhielt Neustart, seit mehr als sechs Jahrzehnten in der Strafgefangenenhilfe tätig, rund 40 Zuweisungen durch die Polizei, erste Beratungsgespräche fanden bereits statt, manche der Betroffenen hätten sich binnen zwei Stunden gemeldet, so die Rückmeldungen aus Wien und den vier weiteren vom Verein betreuten Ländern. Eine größere Zahl von Zuweisungen wurde über das Wochenende erwartet, wo die Polizei in der Regel mehr Fälle häuslicher Gewalt registriert als wochentags.

Grundsätzlich gehe es um Deeskalation in einer hoch brisanten Situation, immer mit dem Schutz des Opfers, im überwiegenden Ausmaß Frauen und auch Kinder, im Fokus. Unmittelbar sollen eine Gefahrenanalyse und Absprachen mit Gewaltschutzzentren und Polizei erfolgen, wurde betont.

Gespräche auf Auswirkungen und "Opferempathie" ausgerichtet

In den Gesprächen würden zunächst die unmittelbaren Auswirkungen thematisiert, auch ob durch die Wegweisung der Arbeitsplatz gefährdet sei oder Obdachlosigkeit drohe, denn solche Rahmenbedingungen würden eine Eskalation begünstigen. Danach gehe es um "Normenverdeutlichung" sowie die rechtlichen Folgen - was bedeutet ein Annäherungsverbot, darf man trotzdem die Kinder sehen, telefonieren? -, und gleichzeitig darum, "das Unrecht klar zu machen". Der nächste Schritt stelle "Opferempathie" in den Mittelpunkt: In einer schon etwas abgekühlten Lage wird besprochen, was ein Beschuldigter an sich, seinem Leben und im Umgang mit Konflikten verändern muss, erläuterte Zembaty das Konzept.

Sechs Beratungsstunden könnten zwar nicht automatisch eine Verhaltensänderung bewirken, meinte der Sprecher weiter. Aber es könne die Grundlage dafür bereitet werden und sei eine Chance, die Bereitschaft für weitere Maßnahmen herzustellen, etwa ein Anti-Gewalt-Training. Keinesfalls gehe es um eine "Servicierung" von Beschuldigten, eine Befürchtung, die im Vorfeld von Opferschutzeinrichtungen gehegt wurde. Eine "Deklassierung der Täter" sei aber auch "hochgefährlich für die Opfer", betonte Zembaty.

Rund 9.000 Wegweisungen jährlich

Seinen Angaben zufolge werden im Schnitt rund 9.000 Wegweisungen jährlich verhängt. Für die Täter - über 90 Prozent männlich - "braucht es unmittelbar ein Angebot", ein "Netz von Hilfe und Kontrolle", so der Experte. Bei 200 bis 300 Personen spreche man von Hochrisikofällen. Davon abgesehen sei die häufig unmittelbar nach Gewalttaten geforderte Verhängung der Untersuchungshaft allein "nicht das Instrument", schon weil der Justiz oft Haftgründe fehlen würden.

In einem weiteren Treffen nächste Woche von Opferschutzorganisationen aus den vier Bundesländern und den jeweiligen Landespolizeidirektionen werde die Zusammenarbeit vertieft. In Wien seien Gespräche mit den Opfer-Vertreterinnen in Planung und sollten "demnächst" stattfinden. "Oberste Priorität hat der Schutz der Opfer. Dabei geht es nicht um 'jeder für sich' - Polizei, Justiz, Bewährungshilfe, Täterarbeit, Opferschutzorganisationen -, sondern um ein Netz und ständigen Austausch", betonte der Neustart-Sprecher. Der Verein rechnet mit etwa 6.500 Fällen pro Jahr. In Kärnten führt die Caritas die Beratungen durch, in Salzburg Biege BGP Salzburg, in Tirol der Psychosoziale Pflegedienst und in Vorarlberg das Institut für Sozialdienste gemGmbH.

(APA/Red)

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