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Van der Bellen erteilt Nehammer Auftrag zur Regierungsbildung

Kickl ist raus: Van der Bellen beauftragte Nehammer mit der Regierungsbildung.
Kickl ist raus: Van der Bellen beauftragte Nehammer mit der Regierungsbildung. ©APA/GEORG HOCHMUTH
ÖVP-Chef Karl Nehammer hat von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, mit der Forderung, sofortige Verhandlungen mit der SPÖ einzuleiten.
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Dienstag ÖVP-Chef Karl Nehammer mit der Regierungsbildung beauftragt. Überdies habe er ihn ersucht, umgehend Verhandlungen mit der SPÖ aufzunehmen. Geklärt werden soll weiters, ob es einen dritten Partner brauche. Dieses Vorgehen begründete er bei einer Stellungnahme in der Hofburg damit, dass FPÖ-Obmann Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finde, der ihn zum Bundeskanzler mache.

Dass er von der Usance abgehe, nach der bisher der Bundespräsident immer dem Vorsitzenden der jeweils stimmenstärksten Partei den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben hat, begründete Van der Bellen damit, dass es diesmal einen "völlig unüblichen Fall" gebe. Denn niemand wolle mit der stimmenstärksten Partei in einer Regierung zusammenarbeiten.

Van der Bellen beauftragt ÖVP-Chef Nehammer mit Regierungsbildung

"Bei der Nationalratswahl am 29. September handelte es sich nicht um ein Rennen, in dem die Partei, die als erste durchs Ziel geht, automatisch die Regierung stellt", erklärte Van der Bellen. Laut Verfassung gehe das Recht vom Volke aus. "Und das Volk sind wir alle: die 1,4 Millionen Wählerinnen und Wähler der FPÖ und die 1,3 Millionen der ÖVP und die eine Million der SPÖ und die 450.000 der NEOS und 400.000 der Grünen und alle anderen, die andere Parteien gewählt haben, oder ungültig oder nicht zur Wahl gingen." Und "niemand kann alleine das ganze Volk für sich beanspruchen", sagte der Bundespräsident wohl in Richtung Kickl.

Für eine stabile Regierung sei eine Mehrheit von 50 Prozent im Nationalrat nötig. In den Gesprächen mit den drei Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ hätten sich die medial kolportierten Aussagen derselben "voll und ganz bestätigt", nämlich dass es für Kickl nur eine Regierung mit ihm als Bundeskanzler geben könne und die anderen nicht mit Kickl regieren wollen.

Mehrere Gründe für Ablehnung einer Regierung mit Kickl

Van der Bellen nannte die von Nehammer und Babler ihm gegenüber genannten Gründe für die Ablehnung einer Regierung mit Kickl: Sorgen um die liberale Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, um die europäische Ausrichtung, die Putin-Nähe der FPÖ, massive Sicherheitsbedenken der ausländischen Geheimdienste, eine spaltende und herabwürdige Sprache, ein rückwärtsgewandtes Frauenbild und die fehlende Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen.

Daher müsse nun "auf anderem Wege" eine stabile Regierungsmehrheit gesucht werden, begründete der Bundespräsident die Beauftragung Nehammers mit der Regierungsbildung. Er habe den ÖVP-Chef und bisherigen Bundeskanzler bereits am Vormittag darüber informiert, berichtete er. Er vertraue auf "Augenmaß und Verantwortungsgefühl" von ÖVP, SPÖ und allen weiteren beteiligten Parteien.

NEOS bereit für Verhandlungen

Nach der Erteilung des Regierungsbildungsauftrags an Nehammer haben die NEOS erneut ihren Willen zur Zusammenarbeit bekundet. Man stehe für "ernsthafte Sondierungsgespräche" zur Verfügung, hieß es in einer Stellungnahme Dienstagnachmittag. Voraussetzung dafür sind aus NEOS-Sicht "ein ehrlicher Wille zu Reformen und ein Klima des Vertrauens auf Augenhöhe".

Gleichzeitig dankten die NEOS Van der Bellen für die "klare Entscheidung". Der Ball liege nun bei Nehammer, der nun Möglichkeiten für eine stabile Mehrheit auszuloten habe. Aus pinker Sicht drängt die Zeit dafür, denn die "Lage in Österreich" lasse es nicht zu, bei der Suche nach einer handlungsfähigen Regierung Zeit zu verlieren. Zahlreiche Entscheidungen müssten baldigst vorangetrieben werden.

"Koalition der Verlierer": Kritik von FP-Landesparteien an Entscheidung

Während von FPÖ-Chef Herbert Kickl vorerst keine Reaktion kam, machten die freiheitlichen Landesparteien in konzertiert anmutenden Aussendungen ihrem Ärger Luft. Die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) sieht nun eine "Koalition der Gescheiterten" auf Österreich zukommen, die "weitere fünf verlorene Jahre" bringe. Das "innenpolitische Theater" der vergangenen drei Wochen habe als Ziel nur die Verhinderung einer freiheitlichen Regierungsbeteiligung gehabt. Ähnliches kam auch von den Landesparteichefs aus Wien, Niederösterreich und der Steiermark. Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp sah einen "schwarzen Tag für die Demokratie" und die "Koalition der Verlierer ante portas".

Der steirische FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek, der am 24. November eine Landtagswahl zu schlagen hat, warnte davor, dass die "Koalition der Verlierer" ein Vorbild für die Steiermark sein könnte. Die "Missachtung des Wählerwillens" dürfe sich nicht auf die Grüne Mark durchschlagen. Niederösterreichs LH-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) kritisierte Van der Bellen und dessen "Hinterzimmer-Packeleien gegen den Willen der Bevölkerung". Dies sei ein "abgekartetes Spiel des Systems" gewesen. Für den Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger beweise der Regierungsbildungsauftrag von Van der Bellen an Nehammer, "dass das Staatsoberhaupt rein parteipolitisch agiert". Der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig kritisierte in einer Aussendung den "Bruch mit allen Usancen der 2. Republik". Österreich drohe damit eine "Stillstandskoalition nach schlechtem deutschen Vorbild", so Petschnig. Der Präsident habe mit seiner Entscheidung nicht nur die Republik, "sondern auch sein Amt beschädigt", meinte etwa Oberösterreichs FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner in einer Aussendung.

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(APA/Red)

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