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US-Notenbank erhöht Leitzins erstmals seit 2006

Wichtige Entscheidung für die Finanzmärke
Wichtige Entscheidung für die Finanzmärke ©AP
Die US-Notenbank Fed hat erstmals seit fast zehn Jahren den Leitzins erhöht. Er wurde am Mittwoch auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben, wie die Federal Reserve mitteilte.

Der Offenmarktausschuss sei zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt dieses Jahr noch einmal erheblich verbessert habe, hieß es in einer Mitteilung der Notenbank. Die Arbeitslosenquote ist von über zehn Prozent inmitten der Finanzkrise auf zuletzt fünf Prozent gesunken, im November kamen über 200.000 neue Stellen hinzu. Der Ausschuss sei auch überzeugt, dass sich die Inflation – derzeit durch niedrige Energie- und Lebensmittelpreise gedrückt – wieder der Zielmarke von zwei Prozent annähere.t

Keine unmittelbare Konsequenzen für Europa

Für die Geldpolitik in Europa werden von der US-Entscheidung keine unmittelbaren Konsequenzen erwartet. “Die erste Straffung der US-Leitzinsen seit dem Jahr 2006 markiert sicher einen historischen Wendepunkt, das allgemeine Zinsniveau wird sich dadurch aber kaum ändern”, sagte der Chefvolkswirt des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener, nach der Bekanntgabe des Fed-Beschlusses. “Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren.”

Zuletzt hatte es 2006 eine Erhöhung der Leitzinsen in den USA gegeben. Danach senkte die Notenbank den Zins schrittweise bis auf nahe Null, um den Folgen der Finanzkrise zu begegnen. Sie beließ ihn lange dort. Nach einer Erholung der US-Wirtschaft und der Vorlage stabiler Daten vom Arbeitsmarkt sah die Fed den Moment für eine Wende hin zu einer Normalisierung ihrer Geldpolitik gekommen.

zinsen
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Mit Spannung erwartete Entscheidung

Die Entscheidung war in aller Welt mit Spannung erwartet worden. Die Zinspolitik der USA hat weitreichende Bedeutung. Sie beeinflusst den Kurs des Dollars. In der US-Währung werden viele internationale Geschäfte abgewickelt. Zahlreiche Rohstoffpreise werden in Dollar errechnet, Finanzanlagen in Dollar gehalten.

Gewinner und Verlierer einer Zinswende

Die US-Notenbank Fed hat die Zinswende gewagt: Mit der ersten Anhebung seit fast zehn Jahren läutet sie das Ende der Ära des ultra-billigen Geldes ein. Auch wenn die Währungshüter die geldpolitischen Zügel nur sanft angezogen haben, hat das an den internationalen Finanzmärkten große Effekte. Hier ein Überblick über die Gewinner und Verlierer des Manövers:

EURO UNTER DRUCK

Anders als in den USA ist in der Eurozone der Nullzins längerfristig zementiert. Daher dürfte die Gemeinschaftswährung wohl tendenziell weiter abwerten. Hiervon profitieren die Exporteure aus der Eurozone, da ihre Produkte im Dollar-Raum günstiger werden. BayernLB-Chefvolkswirt Jürgen Michels erwartet, dass der Euro unter die im März erreichten Jahrestiefstände von rund 1,05 Dollar rutschen wird. Andere Börsianer sehen den Euro sogar erstmals seit 2002 wieder unter der Marke von einem Dollar, der sogenannten Parität. Aktuell kostet die Gemeinschaftswährung rund 1,09 Dollar.

VERSCHULDUNG IN DOLLAR WIRD ZUM BUMERANG

“Höhere US-Zinsen bedeuten höhere Finanzierungskosten für Firmen, die sich in Dollar verschuldet haben”, betont Thomas Gerhardt vom Vermögensverwalter Edmond de Rothschild. Eine zusätzliche Belastung sei es für jene Unternehmen, die keine oder nur geringe Dollar-Einnahmen hätten. Firmen in China halten Schätzungen zufolge ein Viertel ihrer Unternehmenskredite in Dollar, machen ihre Gewinne aber in Yuan.

SCHWELLENLÄNDER UNTER DRUCK

Deren Regierungen müssen sich darauf einstellen, dass verstärkt Geld aus ihren Ländern abfließt. Sie gehörten zu den Profiteuren der bisherigen Fed-Politik, da sie lange ausländische Anleger mit hohen Zinsen und starkem Wirtschaftswachstum anlockten. Nun ziehen Investoren ihr Geld wieder ab und stecken es in US-Papiere, weil diese jetzt weiter steigende Renditen versprechen und als weniger riskant gelten.

KAUM NOCH IMPULSE FÜR WALL STREET

Nach Einschätzung von Stefan Kreuzkamp, dem Chef-Anlagestrategen des Vermögensverwalters der Deutschen Bank, hat die Wall Street kaum noch Luft nach oben. Dazu seien die dortigen Aktien bereits zu teuer.

DEUTSCHE BANKEN BLEIBEN GELASSEN

Die deutschen Privatbanken erwarten keine direkten Auswirkungen der Fed-Entscheidung auf ihre Geschäfte. “Die Ertragsunterschiede zwischen US-Banken und deutschen Instituten sind nicht auf die Geldpolitik in beiden Ländern zurückzuführen”, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken. Die Hauptgründe für die geringere Profitabilität der hiesigen Häuser sieht er im harten Wettbewerb und in der schwächeren Konjunktur in Europa. Die Fed sei beim Ankurbeln der Wirtschaft erfolgreicher gewesen.

RÜCKENWIND FÜR VERSICHERER

Für Versicherer ist die US-Zinswende positiv. Denn nach Einschätzung des neuen Chefvolkswirts des Branchenverbandes GDV, Klaus Wiener, werden nun die Renditen der US-Anleihen moderat steigen. Tendenziell würden auch die Zinsen der Bundesanleihen anziehen. Für Assekuranzen bedeute das mehr Anlagechancen. Kosten für die Absicherung des Währungsrisikos zehrten allerdings einen Teil des Zinsvorteils wieder auf.

Experten zur Zinswende der Fed

Die US-Notenbank Federal Reserve hat ihren Leitzins erstmals seit fast zehn Jahren wieder erhöht. Er wird auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent angehoben, wie die Fed am Mittwoch verkündete. Seit Dezember 2008 lag der Schlüsselsatz für die Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld zwischen null und 0,25 Prozent. Experten sagten in ersten Reaktionen:

DAVID FOLKERTS-LANDAU, CHEFVOLKSWIRT DEUTSCHE BANK:

“Die heutige Entscheidung der Fed, die Zinsen zum ersten Mal seit fast zehn Jahren zu erhöhen, ist ein historischer Moment. Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik.

Dieser Schritt wurde allgemein erwartet. Vor dem Hintergrund, dass auf dem US-Arbeitsmarkt nahezu Vollbeschäftigung herrscht und im kommenden Jahr ein Anstieg der Inflation erwartet wird, war eine Anhebung der Zinsen längst überfällig. Diejenigen, die die Zinsanpassung kritisch sehen, lassen außer Acht, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus Zinssätze zwischen zwei und drei Prozent und eine Fed-Bilanz ohne Überschussreserven rechtfertigen – eine Zinspolitik, die weit entfernt vom Krisenmodus ist, der selbst heute noch dominiert.”

MARTIN WANSLEBEN, DIHK-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER:

“Diese Entscheidung der Fed war fällig. Angesichts der guten wirtschaftlichen Situation können die USA einen langsamen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes gut verkraften. Die Auswirkungen auf die Schwellenmärkte dürften begrenzt bleiben, solange die Notenbank nur moderat an der Zinsschraube dreht. Insgesamt wird die Erhöhung zwar nicht ganz ohne kurzfristige Folgen bleiben. Allerdings sind diese leichter verkraftbar als die Risiken neuer Finanzmarktblasen.

Die Entscheidung der Amerikaner dürfte es zudem der EZB erleichtern, ihren übertriebenen Aktionismus der letzten Monate zu überdenken. Denn Geld zum Nulltarif allein lässt die Unternehmen hierzulande nicht investieren, dazu brauchen sie vielmehr bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen.”

STEFAN KOOTHS, INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT:

“Klar ist, dass sich im Zuge der Normalisierung des Zinsniveaus die Preisblasen an Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten zurückbilden werden. Bei diesem Prozess lauern erhebliche Gefahren eines sprunghaften Verlaufs, nicht zuletzt auch für die Devisenmärkte und die in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer. Es nützt aber nichts, aus Furcht davor den Ausstieg aus der ultra-expansiven Zentralbankgeldversorgung immer weiter hinauszuzögern. Je länger die künstlich niedrigen Zinsen bestehen bleiben, umso mehr Verzerrungen entstehen und desto schmerzhafter würde eine noch spätere Korrektur. Von einer Normalisierung ist die US-Geldpolitik immer noch meilenweit entfernt. Entscheidend wird jetzt sein, wann die Marktteilnehmer den nächsten Schritt erwarten.”

JÖRG ZEUNER, KFW-CHEFVOLKSWIRT:

“Wir sind auf dem Weg in die Normalität. Die US-Konjunktur läuft solide, der Arbeitsmarkt hat Vollbeschäftigung erreicht und die Kerninflation ist jetzt schon hoch genug, um mit dem Zinserhöhungszyklus zu starten. Mit dem Zinsschritt beginnt die Fed, Handlungsspielraum für neue Herausforderungen zurückzugewinnen. Denn ein langfristig starker Dollar und ein dauerhaft niedriger Ölpreis bringen durchaus Schwierigkeiten für die US-Wirtschaft.”

MICHAEL MENHART, CHEFÖKONOM MÜNCHENER RÜCK:

“Mit der Zinsentscheidung der Fed ist der lange erwartete Einstieg in eine restriktivere Geldpolitik da. Für nächstes Jahr ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen. Gleichwohl wird die US-Zentralbank unter den Notenbanken der großen Volkswirtschaften wohl erst mal alleine bleiben – die EZB hat ja jüngst sogar ihre expansive Politik noch zeitlich ausgeweitet. Angesichts der Risiken für die Finanzstabilität wäre eine Abkehr von der Politik des billigen Geldes wünschenswert.”

HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFVOLKSWIRT NORDEA BANK:

“Ich finde die Zinserhöhung angemessen, im Grunde überfällig. Der Pfad der Zinserhöhungen im kommenden Jahr dürfte relativ flach bleiben. Gegenwind von den Finanzmärkten, etwa auch ein stärkerer Dollar, dürften das Tempo der Zinserhöhungen drosseln. Für die EZB heißt der Schritt der Fed erst einmal nicht viel.”

FRANCK DIXMIER, ANLEIHENCHEF ALLIANZ GLOBAL INVESTORS:

“Die Zinserhöhung spiegelt ein begründetes Vertrauen der Mehrheit der US-Notenbanker in die Beschäftigungslage und die Aussichten auf eine mittelfristige Rückkehr der Inflation zur Zielmarke von zwei Prozent wider. Die Fed dürfte jedoch mit einem zweiten Zinsschritt warten, bis sich die Inflation erhöht hat.”

THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT DER VP BANK GROUP:

“Letztlich möchten die US-Währungshüter die Nullmarke bei den Zinsen hinter sich lassen, um beim nächsten Abschwung über die nötige Zinsmunition zu verfügen. Janet Yellen wird im kommenden Jahr sehr behutsam mit weiteren Zinserhöhungen vorgehen. In Anbetracht der fragilen Lage im verarbeitenden US-Gewerbe bleiben weitere Zinsschritte aber eine Gratwanderung.”

OTMAR LANG, CHEFVOLKSWIRT DER TARGOBANK:

“Man könnte sich jetzt darüber streiten, ob die sehr kleine Zinsveränderung tatsächlich die große Wende ist – oder nur ein kleines geldpolitisches Trostpflaster für die angespannte Weltwirtschaft. Wie geht es jetzt weiter? Drei Faktoren stehen im Fokus: die US-Inflation, die US-Konjunktur und die Weltwirtschaft.”

KLAUS WIENER, CHEFVOLKSWIRT DES GESAMTVERBANDES DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT:

“Für die EZB hat der Zinsentscheid der Fed keine Signalwirkung – dazu sind auch die konjunkturellen Rahmenbedingungen zu unterschiedlich. Die Kapitalmarktzinsen im Euroraum werden wohl noch für sehr lange Zeit auf ihrem extrem niedrigen Niveau verharren.”

FRANK HÜBNER, STELLVERTRETENDER LEITER VOLKSWIRTSCHAFT VON SAL. OPPENHEIM:

“Unstrittig ist (…), dass der Startschuss für die Leitzinserhöhungen das Ende eines historisch einmaligen geldpolitischen Experiments darstellt. Da es keine Blaupausen für die Rückabwicklung einer solch ultraexpansiven Kurssetzung gibt, ist diese per se mit Unsicherheit verbunden und dürfte für Schwankungen an Kapital- und Devisenmärkten sorgen. Anfällig sind dabei traditionell die Volkswirtschaften und Währungen der Schwellenländer.”

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