Geschäftsführer Simon Burtscher-Mathis erklärt, warum sein Haus mit SOS-Kinderdorf nichts zu tun hat, wie man mit eigener belasteter Vergangenheit umgeht und weshalb Kinderschutz nur mit ausreichenden Ressourcen möglich ist.
Oft verwechselt, aber nicht verbunden
Viele Menschen verwechseln das Vorarlberger Kinderdorf mit dem SOS-Kinderdorf. Burtscher-Mathis stellt klar: "Das Vorarlberger Kinderdorf ist ein eigenes Kinderdorf, das von Hugo Kleinbrot gegründet wurde nach dem Zweiten Weltkrieg" und "parallel hat Hermann Gmeiner das SOS-Kinderdorf gegründet, allerdings nicht in Vorarlberg, sondern in Tirol."
Heute sei man "eine große Kinderschutzeinrichtung", die "übers Jahr über 4000 Kinder" erreiche – ambulant, präventiv und stationär. Das SOS-Kinderdorf hingegen sei weltweit tätig.
Missbrauchsfälle und der Umgang damit
Das Kinderdorf habe selbst historische Fälle von Gewalt erlebt. Der Unterschied sei laut Burtscher-Mathis jedoch klar: "Wir haben nie etwas versteckt, wir haben nie etwas unter den Tisch gekehrt. Wir haben immer zu unserer Verantwortung gestanden."
Kinderschutz bedeute für ihn: "Handeln wir richtig, geht es unseren Kindern gut?" – eine Frage, die der langjährige Wegbegleiter Werner Gassner früh gestellt habe. Auch betont Burtscher-Mathis: "Mir geht’s nicht darum, auf das SOS-Kinderdorf zu zeigen", denn viele Mitarbeiter dort leisteten gute Arbeit.
Entscheidend sei: "Wenn ein Übergriff, wenn ein Missbrauch stattfindet, ist sofort zu handeln."
Offener Brief, Kinderschutz-Spaziergang und Spendenrückgang
Viele SpenderInnen seien verunsichert gewesen. "Wir haben von einigen Spendern gehört, dass sie Bedenken haben, unsere Weihnachtskarten zu versenden", weil das Logo mit dem SOS-Kinderdorf verwechselt werden könnte. Der offene Brief und der Kinderschutzspaziergang sollten aufklären, "dass wir eben ein eigenständiges Kinderdorf sind" und dass man Kinderschutz transparent lebe. Die Resonanz sei positiv gewesen.
Spenden sind entscheidend, weil "etwa 85 Prozent unseres Gesamtauftrages über öffentliche Gelder abgedeckt" sind, aber zusätzliche Therapien, Bildungsangebote und Freizeitprogramme finanziert werden müssen. "Was wir mit den Spendengeldern machen, ist, dass wir zusätzliche Therapieleistungen ermöglichen, zusätzliche Bildungsprogramme, zusätzliche Freizeitangebote."
Ein besonders wichtiger Bereich ist die lebenslange Unterstützung der ehemaligen Kinder: "Das bedeutet, dass jedes Kind, das im Vorarlberger Kinderdorf aufwächst, ein Leben lang unterstützt wird."
870.000 Euro Einsparungen
Die Kürzungen des Landes treffen drei zentrale Bereiche: Familiendienst, Netzwerk Familie und Pflegekinderhilfe. Insgesamt seien es 870.000 Euro weniger. Gerade präventive Programme hätten laut WHO einen hohen Nutzen. "Für jeden Euro, den wir investieren, ersparen wir der öffentlichen Hand Folgekosten in Höhe von sechs Euro."
Die Darstellung, man spare nur bei "Strukturkosten", sei falsch. "75 Prozent der Budgets fließen in die operative Arbeit." Wer hier kürze, reduziere Leistungen und damit Kinderschutz: "Was ist unsere Qualität? Unser oberstes Qualitätskriterium ist der Kinderschutz."
Wie Kinder ins Kinderdorf oder in Pflegefamilien kommen
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz regelt, dass die öffentliche Hand eingreifen muss, wenn eine Gefährdung vorliegt. "Wenn ein Lehrer feststellt, ein Kind kommt regelmäßig zu spät, dann meldet der Lehrer das bei der Kinder- und Jugendhilfe."
Ambulante Unterstützung ist der erste Schritt. Erst wenn das Kindeswohl nicht gesichert werden kann, kommt es zu einer sogenannten Fremdunterbringung. Der Kontakt zur Herkunftsfamilie bleibt.
Kleinere Kinder kommen in Pflegefamilien, da die Kinderdorffamilien "nicht mehr" existieren und die Jüngsten mehr individuelle Betreuung brauchen. Pflegefamilien seien private Familien, die ein Pflegekind bei uns aufzunehmen bereit sind.
Advent trotz Belastung
Trotz der schwierigen Wochen gibt es Momente der Normalität. "Wir im Vorarlberger Kinderdorf erleben die Weihnachtszeit immer sehr intensiv. Es sind schon die ersten Räume geschmückt, es gibt einen kleinen Adventsshop und da kommt man dann trotzdem ein bisschen in Weihnachtsstimmung."
Die Belastung bleibe aber spürbar: "Was stimmt, ist, dass wir momentan sehr belastet sind."
(VOL.AT)