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Ungarn schreckt Banken mit Schuldenerlass-Vorschlag

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban unterstützt einen teilweisen Schuldenerlass für ungarische Kreditnehmer auf Kosten in- und ausländischer Banken. Orban bezeichnete es am Montag als "machbar", Privathaushalten eine Rückzahlung von Verbindlichkeiten in Euro und Franken zu einem festen Wechselkurs zu ermöglichen.
"Blitz aus heiterem Himmel"

Die Entscheidung liege nun beim Parlament. Dort hat Orbans Fidesz-Partei zusammen mit dem Koalitionspartner eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Der ungarische Bankenverband bezeichnete die Pläne als inakzeptabel und drohte mit einer Verfassungsklage, sollte die Regierung daran festhalten.

Wohnbau-Kredite in Schweizer Franken 

Viele Ungarn haben in den vergangenen Jahren Wohnbau-Kredite in Schweizer Franken aufgenommen – und können diese wegen des Höhenflugs des Schweizer Franken nicht mehr begleichen. Ihre Verluste sollen nun teilweise die Banken tragen. Konkret sieht der Vorschlag der Fidesz-Parlamentsfraktion vor, dass Privatleute in Ungarn ihre Kredite in Euro oder Franken zu einem fixen Wechselkurs begleichen können. Sie sollen das Geld einmalig zu einem Kurs von 180 Forint je Franken und 250 Forint je Euro zurückzahlen können. Das wäre wesentlich günstiger als der derzeitige Kurs.

Neben heimischen Banken wie der OTP und FHB dürften davon österreichische Institute wie Raiffeisen Bank International und die Erste Group betroffen sein. Experten schätzen, dass der Schritt die in Ungarn tätigen Banken insgesamt 2,5 Milliarden Euro an Gewinn kosten könnte. Nach Berechnungen der Bank-Analysten von Berechnungen von Exane BNP könnte die Erste Group bis zu 579 Mio. Euro in Ungarn verlieren, falls der Vorschlag wie geplant umgesetzt wird und die ausstehenden Fremdwährungskredite zu 100 Prozent getilgt werden, heißt es in einem Bericht des “Börse-Express”. Die RBI könnten die Pläne der ungarischen Regierung bis zu 192 Mio. Euro kosten. Allerdings sei nicht damit zu rechnen, dass alle Ungarn ihre Fremdwährungskredite mit einem Schlag tilgen können. “In einem wahrscheinlicheren Szenario dürften nur rund 20% der Kunden (in Volumen betrachtet) in einer Position sein, ihre Fremdwährungskredite mit einem Schlag zurückzahlen zu können. Das würde die Verluste der Banken reduzieren – und zwar auf 116 Mio. Euro (Erste) bzw. 38 Mio. Euro (RBI), was einem negativen Einfluss auf das Core Tier 1 von 9 bzw. 5 Basispunkten entspricht,” so die Analysten. In den Berechnungen nicht inkludiert sind mögliche Auflösungen von Currency Swaps.

Abwanderung ausländischer Banken

Analysten halten daher auch eine Abwanderung ausländischer Banken für möglich. Zwar seien die konkreten Auswirkungen auf die Institute noch nicht absehbar, sagte Nomura-Analyst Peter Attard Montalto. “Aber das Ergebnis für die Banken wird sicher schlechter. Ich denke, es gibt jetzt die reale Gefahr einer Flucht ausländischer Banken.” Einige der Institute tragen sich tatsächlich mit solchen Gedanken: Bei einer der betroffenen Banken hieß es, Ungarn würde durch die Pläne für ausländische Investoren komplett unattraktiv.

Orban sagte, die Regierung habe Auswirkungen des Vorhabens ausgelotet. Ausländische Banken würden durch ihre Konzernmütter gestützt und inländische Institute könnten notfalls auf Staatshilfe zurückgreifen. Unabhängig von der Entscheidung schränkten Banken wie bisher ihre Kreditvergabe in Ungarn ein. “Sie ziehen ihre Gewinne und Gelder fortlaufend in großen Mengen aus Ungarn ab”, sagte Orban im Parlament.

An der Börse in Wien zählten die Bank-Aktien am Montag mit Abschlägen von zeitweise rund acht Prozent zu den größten Verlierern. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) forderte die EU-Kommission nach einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA auf, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine einstweilige Verfügung gegen die Pläne zu prüfen. Der Schritt sei europarechtlich “nicht haltbar. (…) Das ist eine Vorgangsweise, die wir so nicht akzeptieren können.”

Wiener Börse schließt tief im Minus, Banken unter Druck

Der Wiener Aktienmarkt hat heute erneut mit massiven Verlusten geschlossen. Der ATX ging damit erstmals seit Juli 2009 unter der Marke von 2.000 Punkten aus dem Handel, nachdem er bereits zum Wochenschluss um mehr als fünf Prozent abgerutscht war. Die wachsende Angst vor einer Staatspleite Griechenlands lastete europaweit massiv auf den Bankenaktien. Erste Group verloren um 5,4 Prozent. Raiffeisen sanken um 4,3 Prozent. Der ATX fiel gegenüber Freitag um sehr deutliche 77,41 Punkte oder 3,78 Prozent auf 1.968,72 Einheiten.

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