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Ukraine: Wiederholung der Stichwahl

Das Oberste Gericht der Ukraine hat die zweite Runde der Präsidentenwahl vom 21. November wegen Wahlfälschung durch die Behörden für ungültig erklärt und eine Wiederholung am 26. Dezember vorgeschlagen.

Das Gericht folgte damit am Freitagabend nach fünftägigen Beratungen dem Vorwurf des Oppositionsführers Viktor Juschtschenko, dass die Ergebnisse der Stichwahl zu Gunsten von Ministerpräsident Viktor Janukowitsch manipuliert worden waren.

Der vorsitzende Richter Anatolij Jarema sagte, der Richterspruch sei endgültig und könne nicht angefochten werden. Die Verstöße gegen die Wahlgesetzgebung bei der Stichwahl vom 21. November ließen es nicht zu, „das tatsächliche Ergebnis der Willensbekundung der Wähler festzustellen“.

Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die gesamte Wahl zu wiederholen, wenn das Gericht Unregelmäßigkeiten feststellen sollte. Darin wurde er von seinem russischen Kollegen Wladimir Putin unterstützt. Die Vorbereitungen würden etwa drei Wochen beanspruchen. Offenbar wollte Kutschma damit Zeit gewinnen, um doch noch einem eigenen Kandidaten gegen Juschtschenko einen Wahlsieg zu ermöglichen. Janukowitsch’ Chancen dürften bei der Wahlwiederholung nicht mehr intakt sein.

In einer ersten Reaktion begrüßte die Europäische Union die Annullierung der Stichwahl. Der Richterspruch öffne „den Weg für eine Wiederholung der zweiten Wahlrunde, die den Willen des ukrainischen Volks vollständig widerspiegeln kann“, teilte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Freitagabend in Brüssel mit. Sie rief alle beteiligten Parteien auf, für ein „schnelles, gerechtes und transparenten Ergebnis“ zu sorgen. Die gegenwärtige politische Unsicherheit dürfe nicht „unnötig verlängert“ werden.

Vermittler aus der EU hatten in den vergangenen zwei Wochen Juschtschenko in seiner Forderung nach einer Wiederholung der Stichwahl unterstützt. Zehntausende Demonstranten hatten seit Tagen bei eisigen Temperaturen auf Straßen und Plätzen von Kiew ausgeharrt, um gegen die Wahlfälschung zu protestieren und ihrer Forderung nach einer Wiederholung der Abstimmung Nachdruck zu verleihen. Das Parlament unterstützte sie mit einem Misstrauensvotum gegen die Regierung. In dem stärker russisch geprägten Osten des Landes machten hingegen Anhänger Janukowitschs mobil und drohten mit einer Abspaltung. Sie wurden demonstrativ von russischen Politikern unterstützt.

Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz brachen die mittlerweile erschöpften Dauerdemonstranten in verhaltenen Jubel aus, als das Urteil bekannt wurde. „Das Verfahren vor dem Obersten Gericht ist ein großer Sieg für die Menschen, die auf den Plätzen ausgeharrt haben, ein großer Sieg für die Demokratie“, sagte Nikolai Katerintschuk, der Vertreter Juschtschenkos in dem Prozess. Die Menschen auf den Straßen schwenkten die ukrainische Flagge und Fahnen im leuchtenden Orange der Oppositionsbewegung. Vorbeifahrende Autos versuchten, ihr Hupen mit dem alles übertönenden Sprechchor in Einklang zu bringen: „Jusch-tschen-ko! Jusch-tschen-ko!“ „Dies ist die Entscheidung, auf die wir gewartet haben“, jubelte ein 56-jähriger Demonstrant.

In Janukowitschs Hochburg Donezk reagierten die Menschen ruhig auf den Spruch aus Kiew. In der industriestarken, eng mit Russland verbundenen Ostukraine hatten die Führungen angesichts der Massenproteste der Opposition mit Abspaltung gedroht. Das russische Parlament in Moskau warf der Europäischen Union in einer Erklärung „destruktive Einmischung“ in die ukrainische Innenpolitik vor. Dieses Verhalten könne dazu führen, dass radikale Kräfte das Land ins Chaos stürzten.

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