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Türkis ist erledigt

©APA/ROLAND SCHLAGER (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. In keinem anderen Bundesland hat sich die ÖVP so abhängig von der Kurz-Partie gemacht wie in Wien. Das wird ihr jetzt zum Verhängnis.

Österreichweit haben ÖVP-Funktionäre Sebastian Kurz zugejubelt und sich über Wahlsiege gefreut, die sie ihm zu verdanken hatten. In den meisten Ländern aber haben sie sich nicht ganz aufgegeben. Meist sind sie Schwarze geblieben. In Wien dagegen verwandelte sich die regionale Partei- ganz in eine türkise Unterorganisation. Das rächt sich jetzt, da Türkis erledigt ist. Damit ist auch die Wiener ÖVP dem Untergang geweiht.

Bei der Gemeinderatswahl 2020 hatte sie noch voll vom Kurz-Hype profitiert. Sie konnte ihren Stimmenanteil auf mehr als 20 Prozent verdoppeln. Das war ein historischer Triumph. Beziehungsweise eine große Blase: Die Stimmen galten nicht ihr; sie waren nicht darauf zurückzuführen, dass sie irgendein attraktives Programm für Wien und seine Menschen anzubieten gehabt hätte. Sie galten dem damaligen Kanzler, der sich zu Beginn der Pandemie auf dem Höhepunkt seiner politischen Laufbahn befunden hatte. Mehr Strahlraft als damals hatte er davor und danach nicht, mehr Zuspruch ebenfalls nicht. Spitzenkandidat und Chef der Landesorganisation war damals Gernot Blümel. Er sah sich nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz gezwungen, ebenfalls zu gehen.

Das war der Anfang vom Ende der Türkisen. Die Farbe ist noch nicht ganz verschwunden. In Wien ist sie noch da. Sie wirkt aber wie ein Gruß aus der Vergangenheit. An der Spitze steht der ehemalige Polizei-General Karl Mahrer. Bekanntheitsgrad? Bescheiden. Standpunkte? Schwer zu sagen. Da ist nichts Wahrnehmbares. Wahrnehmbar sind eher Klubobmann Markus Wölbitsch und viel mehr noch die Gemeinderätin Laura Sachslehner, die für einen konsequenten Kurs rechts der Mitte stehen.

Sie wissen wenigstens, was sie wollen. Einerseits. Andererseits: Ihr Kurs ist einst von Sebastian Kurz angeführt worden. Jetzt gibt es niemanden, der diese Funktion bekleidet. Gerhard Karner (ÖVP) mag sich darum bemühen, es hat aber noch selten einen so unpopulären Innenminister gegeben wie ihn. Er kommt nicht an bei den Leuten.

Doch jetzt ist Türkis ohnehin erledigt: Durch die Aussagen von Thomas Schmid haben die Korruptionsaffären um Kurz eine neue Dimension erlangt. Verfahren dazu werden noch sehr lange dauern. Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht schon jetzt zurecht von „substanziellem Schaden für die Demokratie“, der allein durch den Verdacht aufgekommen ist, dass es sich manche in diesem Land richten können. Bei Steuerprüfungen und vielem anderem mehr.

In den Ländern, in denen die Partei schwarz geblieben ist, werden sich die Folgen für sie in Grenzen halten. In Tirol etwa hat sie zwar stark verloren, aber den Landeshauptmann behalten. Dort ist sie durch ihre alten Bünde für Bauern, Arbeitnehmer, Beamte, Liftbetreiber und Hoteliers relativ stark verwurzelt geblieben. In Wien ist sie schon vor Kurz derart massiv verkümmert, dass sie nur noch durch ihn am Leben geblieben und vorübergehend zu einem zweiten Frühling gekommen ist. Umso verhängnisvoller ist es für sie, dass er nicht nur weg ist, sondern dass durch sein widersprüchliches Tun auch das zur Belastung geworden ist, was von ihm geblieben ist. Vom Gerede von einem „neuen Stil“ mit Ehrlichkeit und Sauberkeit bis hin zur Farbe Türkis eben.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analyse und Hintergründe zur Politik

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