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Tschechien und Österreich streben Westbalkan-Öffnung Anfang Juli an

Die Öffnung sei jedoch nur möglich, "wenn die Zahlen passen".
Die Öffnung sei jedoch nur möglich, "wenn die Zahlen passen". ©APA/BARBARA GINDL
Eine Grenzöffnung Richtung Westbalkan soll von Tschechien und Österreich aus Anfang Juli kommen. Die Öffnung sei jedoch nur möglich, "wenn die Zahlen passen".

Tschechien und Österreich streben eine Grenzöffnung Richtung Westbalkan mit Anfang Juli an. Die Länder hätten sich in der Coronakrise intensiv ausgetauscht. "Und jetzt kooperieren wir eng, wenn es um die Öffnung zu Drittländern geht. Wir würden gern mit Anfang Juli starten mit der Öffnung für die Länder des Westbalkans", sagte der tschechische Außenminister Tomáš Petříček im Gespräch mit der APA.

Öffnung "wenn die Zahlen passen"

Aus dem österreichischen Außenministerium wurde der APA das Ziel bestätigt. Eine Öffnung Anfang Juli für den Westbalkan werde angestrebt, "wenn die Zahlen passen", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. In Nordmazedonien und dem Kosovo würden die Corona-Infektionszahlen allerdings "leider wieder steigen".

Auch die Aufhebung der Reisebeschränkungen zu anderen "sicheren" außereuropäischen Ländern wird erwogen, erklärte der tschechische Außenminister, der am Dienstag in Wien war. So gebe es in Asien viele Länder, die die Krise gut gemanagt hätten.

Auf die Frage, ob die Zeit der Grenzschließungen nun zu Ende sei, antwortete Petříček: Er hoffe, dass Prag nicht mehr gezwungen sein werde, solche restriktiven Maßnahmen wie bei der ersten Coronavirus-Welle zu setzen. "Wir haben viele Werkzeuge verbessert." Er nannte Tracking, zielgerichtete Maßnahmen und Prävention. Sollte eine zweite Welle kommen, seien die Länder "viel besser vorbereitet. Wir haben unsere Lektion gelernt. Ich denke, das wird uns erlauben, die Grenzen nicht mehr zu schließen".

Petříček kritisiert Indexierung der Familienbeihilfe

Die grenzüberschreitende Arbeit sei ein großes Thema gewesen, so Petříček, der die Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe indirekt kritisierte. Die Coronakrise hätte "demonstriert, wie wichtig tschechische Arbeitskräfte in vielen Sektoren und vielen Regionen sind, und dass sie sogar essenziell sind für den Betrieb von Krankenhäusern und für die Nahrungsmittelproduktion". Der tschechische Minister sprach von "fairen Bedingungen", die herrschen sollten. "Wir sind froh, dass diese Menschen hier arbeiten können und anständige Gehälter bekommen. Aber ich denke, sie verdienen es, fair behandelt zu werden." Rund 10.000 tschechische Kinder waren 2019 von der Kürzung der Familienbeihilfe betroffen.

Außenminister fordert Fairness bei Corona-Wiederaufbauhilfen

Fairness fordert der Außenminister auch bei den Corona-Wiederaufbauhilfen. Tschechien als exportorientiertes Land werde sich unter jene Länder in Europa reihen, die am meisten von der Coronakrise betroffen sind. Ein möglicher Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von acht oder neun Prozent werde für heuer erwartet. Tschechien sei "besorgt" über die Kriterien zur Verteilung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds. Sein Land sei vor der Krise sehr erfolgreich gewesen, die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn die Arbeitslosenrate vor der Krise nun als Schlüsselkriterium für die Verteilung der Gelder gelte, entspreche dies nicht den Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft, meinte Petříček.

Tschechien würde es bevorzugen, für die Coronahilfen existierende Programme zu nutzen statt neue Instrumente zu schaffen, sagte Petříček weiter. Denn neue Programme würden Zeit kosten und die Bürokratie erhöhen. "Wir präferieren etwa die Kohäsionspolitik als Instrument zur Verteilung der Mittel, um in den Wiederaufbau zu investieren." Jetzt sei der Moment nach ökonomischer und sozialer Konvergenz in Europa zu trachten. Man dürfe nicht vergessen, dass es immer noch große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gebe. Skandinavische Länder etwa seien zehnmal reicher als Bulgarien oder Rumänien.

EU-Budget solle richtige Balance finden

Auch das EU-Budget sollte nach Ansicht Petříčeks Kompensation für Regionen und Länder sein, die aufholen müssten. Tschechien sei es wichtig, beim Budget die richtige Balance zu finden, zwischen traditionellen Politiken wie Kohäsion und neue Politiken. Europa sollte in seine Wettbewerbsfähigkeit investieren, aber auch in Nachhaltigkeit, sagte der Außenminister. Er wünsche sich eine Agrarpolitik, die es den Menschen ermögliche, am Land zu leben und die Landschaft zu pflegen - auch im Hinblick auf die Umwelt: Der Klimawandel sei spürbar.

Zur Erreichung des EU-Ziels der Klimaneutralität setzt Tschechien vorerst weiterhin auf Atomkraft. "Wir sehen die Nuklearenergie - zumindest mittelfristig - als wichtigen Teil unseres Energiemixes", sagte der Außenminister. "Wir haben nicht viele Alternativen zur Verfügung." Gleichzeitig betonte Petříček, den "offenen und transparenten" Dialog mit Österreich über die Atomenergie zu schätzen. Auch wenn es hier unterschiedliche Ansichten gebe, so verbindeten Österreich und Tschechien "viele gemeinsame Interessen" - etwa in der Migrationspolitik. Tschechien lehnt verpflichtende Verteilungsquoten für Flüchtlinge strikt ab.

Coronakrise zeige: Besser Koordination zwischen Mitgliedsstaaten wichtig

Petříček sagte außerdem, dass die Coronakrise auch gezeigt habe, dass es bessere Koordination zwischen den Mitgliedstaaten der EU brauche. "Es sollte mehr Europa geben. Es gibt aber keine Notwendigkeit zu sagen, es braucht mehr EU-Kommission." Die EU habe keine Kompetenz im Gesundheitsbereich.

Untersuchen will Petříček die Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Corona-Pandemie. Es gebe Bedenken in Bezug auf die WHO-Führung, insbesondere wegen der zögerlichen Ausrufung der Pandemie, sagte Petříček. Andererseits spielten gerade multinationale Organisationen eine wichtige Rolle in der Bewältigung von Krisen. "Wir hoffen, dass die WHO gestärkt aus der Krise tritt. Aber dafür müssen wir genau und effektiv evaluieren, was gut gelaufen ist und wo Fehler gemacht wurden."

(APA/Red)

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