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Trump und Biden läuten Endspurt im US-Wahlkampf ein

Letzter Einsatz für möglichst viele Stimmen
Letzter Einsatz für möglichst viele Stimmen ©APA/AFP
Auf der Schlussgeraden im US-Präsidentschaftswahlkampf konzentrieren sich Amtsinhaber Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden noch einmal verstärkt auf die unentschiedenen Wähler.

Einen Tag vor der Abstimmung reisen sie am Montag in ein halbes Dutzend Bundesstaaten, die das Zünglein an der Waage sein könnten. Biden führt in landesweiten Umfragen. Doch in mehreren der sogenannten Swing States, in denen viele Wechselwähler leben, liegen die Rivalen nahe beieinander.

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Der Präsident hat Auftritte in North Carolina, Pennsylvania, Wisconsin und Michigan geplant, wo er auch wie schon vor vier Jahren in Grand Rapids mit einer Kundgebung nach Mitternacht am Wahltag seine Kampagne beschließen will. 2016 konnte er sich in allen vier Staaten gegen seine damalige Rivalin Hillary Clinton durchsetzen. Jetzt drohen ihm Umfragen zufolge dort Niederlagen.

Biden wiederum versucht vor allem in Pennsylvania mit mehreren Auftritten, diesen womöglich entscheidenden Bundesstaat für sich zu gewinnen. Vorgesehen ist auch ein Abstecher nach Ohio, wo Trump 2016 siegte. Diesmal steht ein knappes Rennen an.

US-Wahlmännersystem

Bei der Präsidentenwahl ist es wichtig, wie ein Kandidat in einzelnen Bundesstaaten abschneidet. Denn nicht die Mehrheit der landesweit insgesamt abgegebenen Stimmen entscheidet, sondern das Wahlkollegium. Dieses setzt sich aus Wahlleuten zusammen, die jeder Bundesstaat abhängig von seiner Bevölkerungszahl stellt. In der Regel werden alle Wahlleute eines Bundesstaats dem Kandidaten zugeteilt, der in diesem Bundesstaat am besten abschneidet. So kann also sein, dass der erfolgreiche Kandidat landesweit nicht die meisten Stimmen erhält, aber die meisten Wahlleute. Zuletzt war dies 2016 so, als Trump Clinton besiegte.

Biden geht in die Offensive

Biden ist zum Abschluss seiner Kampagne noch einmal in die Offensive gegangen: Er machte vor allem in Bundesstaaten Halt, in denen Trump sich 2016 durchsetzte. Sein zentraler Vorwurf: Trump habe bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie versagt. Er verweist auf die mittlerweile mehr als 230.000 Corona-Toten in den USA und den Verlust von Millionen Arbeitsplätzen. Umfragen zeigen, dass die Amerikaner Biden in der Frage ein besseres Krisenmanagement zutrauen.

Trump entgegnet, das Virus werde bald verschwinden und die Wirtschaft sich rasch erholen. Auch verspricht er, dass es bald einen Impfstoff geben werde. Zum Buhmann stilisiert er zunehmend seinen Corona-Chefberater Anthony Fauci. Jüngst deutete er gar an, diesen nach der Wahl zu entlassen.

Trump stellt Wahlsystem infrage

Zugleich stellt Trump seit Wochen das US-Wahlsystem infrage. Vor allem die Briefwahl ist ihm ein Dorn im Auge. Ohne Belege zu liefern sieht er dadurch möglichen Wahlbetrug. Gerade in Corona-Zeiten kommt der Briefwahl aber besondere Bedeutung zu, da sich dadurch das Ansteckungsrisiko beim Warten in Schlangen vor der Wahllokalen vermeiden lässt. Schon jetzt gibt es eine Rekordbeteiligung. Umfragen zufolge machen vor allem Anhänger der Demokraten von der Briefwahl Gebrauch. Nach Berechnungen des US Elections Project haben bis Montag bereits 95 Millionen Brief- und Frühwähler abgestimmt, was fast 70 Prozent der gesamten Wahlbeteiligung des Jahres 2016 entspricht.

Die Auszählung der Briefwahl-Stimmen könnte sich aufgrund der unterschiedlichen Vorschriften in einigen Bundesstaaten jedoch womöglich Tage hinziehen. So sagte der Gouverneur von Pennsylvania, Tom Wolf, in einem am Montag bekanntgewordenen Videoclip, es sei "in Ordnung", wenn die Auszählung "ein paar Tage" dauere. "Denn es ist entscheidend, dass Ihre Stimme ausgezählt wird - und das wird sie auch", betonte der Demokrat.

Wahl könnte vor Gericht landen

Immer mehr Experten gehen davon aus, dass deshalb der Wahlsieger in der Nacht auf Mittwoch noch nicht feststehen wird. Sollte es soweit kommen, wäre das eine "schreckliche Sache", sagte Trump am Sonntag und deutete an, dass seine Anwälte bereits in Stellung sind. Berichte, wonach er sich nach Vorlage für ihn günstiger Urnenwahl-Teilergebnisse vorzeitig zum Sieger erklären könnte, dementierte Trump.

Es wird nicht nur befürchtet, dass die Wahl am Ende vor dem Obersten Gerichtshof landen könnte. Die Unsicherheit über den Ausgang könnte auch die aggressive Stimmung in einem zutiefst gespaltenen Land zusätzlich aufheizen. Unruhen sind nicht ausgeschlossen, manch eine Beobachter warnt gar vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen

Ins Bild passt da ein Vorfall in Texas. Dort umzingelte ein Konvoi bestehend aus mehreren Fahrzeugen mit wehenden Trump-Fahnen auf einer Autobahn einen Bus, in dem sich Wahlkämpfer Bidens befanden. Nach Angaben des Biden-Teams versuchten sie, den Bus von der Fahrbahn abzubringen. Trump reagierte auf ein Video des Vorfalls mit einem "Ich liebe Texas"-Tweet. "Meiner Meinung nach, haben diese Patrioten nichts Falsches getan."

Mit Blick auf mögliche Unruhen wurden die Sicherheitsvorkehrungen in einigen Teilen des Landes deutlich verschärft. Berichten zufolge wird das Weiße Haus, in dem Präsident Trump die Wahlnacht mit Hunderten Gästen verbringen will, abgeriegelt. In der Innenstadt von Washington und mehreren anderen Großstädten wurden Schaufensterscheiben von Geschäften mit Holzplatten verbarrikadiert. Die berühmte Einkaufsstraße "Rodeo Drive" in Beverly Hills soll ebenfalls für zwei Tage für Autos und Fußgänger gesperrt werden.

Vorfälle mit Trump-Unterstützern

Mehrere Vorfälle mit Unterstützern von Trump sorgten vor der Wahl am Dienstag für Aufsehen. Nahe der Ostküstenmetropole New York verursachten am Sonntag Dutzende Autos mit Trump-Flaggen unter anderem auf einer Brücke ein Verkehrschaos. In New Jersey stauten sich lokalen Medienberichten zufolge Autos auf einer Länge von etwa acht Kilometern.

Zuvor hatte ein Vorfall in Texas für Schlagzeilen gesorgt. Auf Aufnahmen war zu sehen, wie ein Wahlkampfbus des Teams von Trump-Herausforderer Joe Biden bei der Fahrt auf einer Schnellstraße unter anderem von Pick-ups und SUV, die mit Trump-Flaggen ausstaffiert waren, umringt wurde. Dabei berührten sich auch zwei Wagen direkt hinter dem Bus. Die Bundespolizei FBI nahm übereinstimmenden Medienberichten zufolge Ermittlungen wegen dieser scheinbaren Belästigung auf. Trump hatte das Video auf Twitter geteilt und geschrieben: "Ich liebe Texas!"

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(APA/dpa)

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