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Trauerfeier für György Ligeti

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Als herausragenden Komponisten des 20. Jahrhunderts, umfassend gebildeten Diskussionspartner und Kosmopoliten ehrten am Montag Freunde, Politiker und Weggefährten den am 12. Juni 83-jährig gestorbenen György Ligeti.

Bei der Trauerfeier am Wiener Zentralfriedhof würdigten György und Marta Kurtag den Verstorbenen am Klavier, der Doyen der österreichischen zeitgenössischen Musik, Friedrich Cerha, betonte: Ligetis Tod „reißt eine gewaltige Lücke in die musikalische Kulturlandschaft, die so bald nicht zu füllen sein wird”.

Der gebürtige Ungar Ligeti, der 1956 von dort flüchtete, die österreichische Staatsbürgerschaft annahm und dann den Großteil seiner Zeit in Deutschland verbrachte, sei ein „Weltbürger der Musik” gewesen, sagte Kunststaatssekretär Franz Morak (V). Dass Ligeti nicht so leicht für eines der drei Länder, zu denen er engen Lebensbezug hatte, in Beschlag zu nehmen sei, darüber waren sich alle Redner einig. Ligeti habe „alle ideologischen Tendenzen gehasst, so auch die nationalistischen”, sagte Cerha, der Ligeti auch die Namensgebung des von Cerha gegründeten Ensembles „die reihe” zuschrieb.

„Jede Grenzziehung empfand er als Einengung”, betonte auch der ungarische Minister für Unterricht und Kultur, Istvan Hiller. „Wer Ligeti hört, spürt etwas von der Unendlichkeit der Klänge”, wer ihn kannte, war von seiner Persönlichkeit „verzaubert”. Ligeti habe die härtesten Schicksalsschläge seines Lebens in Ungarn erfahren und sei jahrzehntelang in den ungarischen Konzerthäusern „zu Unrecht nicht aufgeführt worden”. Auch angesichts dessen sei es wichtig zu sagen, dass Ligeti „in den Augen der Welt und unseren Augen der größte ungarische Komponist des 20. Jahrhunderts ist”.

Diese Ablehnung von Einengung galt auch für Ligetis Interessensgebiete: Als Diskussionspartner, der auch Naturwissenschafter in deren ureigensten Gebieten an ihre Wissensgrenzen führt, schilderten zwei Freunde Ligetis, der bekannte Fraktal-Mathematiker Heinz-Otto Peitgen (Bremen) und der Zoologe Gerhard Neuweiler (München), den Komponisten. Ligeti „glich einem Vulkan, der immer wieder Ideen, Zweifel, Fragen ausspuckte”, so Neuweiler. „Was ihn eigentlich interessierte, waren Strukturen, hat er einmal zu mir gesagt. Dass er diese in der Musik ausarbeitete, war für ihn ein Zufall”. „Seiner Wissenschaft sind immer mehr Hörer verfallen”, so Morak.

Unter den Trauergästen waren neben der Familie Ligetis u. a. der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S), der Komponist H. K. Gruber, der Musikmanager Hans Landesmann, Komponist und Kurator Lothar Knessl sowie Vertreter der Musikverlage Ligetis und des Wiener Konzerthauses. Dort war am Montagnachmittag ein Gedenkkonzert mit Musik Ligetis geplant, darunter sein berühmtes Poeme Symphonique für 100 Metronome. Am Klavier war Pierre-Laurent Aimard angekündigt, den Arnold Schoenberg Chor sollte Erwin Ortner leiten.

Ligeti wurde am 28. 5. 1923 als Kind ungarischer Eltern in Siebenbürgen geboren. Sein Vater und sein Bruder wurden von den Nationalsozialisten ermordet. 1956 floh er nach dem Ungarn-Aufstand nach Wien und nahm später die österreichische Staatsbürgerschaft an. Zu seinen bekanntesten Werken zählt die 1978 uraufgeführte Oper „Le Grand Macabre”. Einige seiner Werke wurden als Soundtrack zu Stanley Kubricks Film “2001 – Odyssee im Weltraum” bekannt. Ligeti habe wiederholt die Sehnsucht geäußert, „den Zwängen der Kausalität zu entkommen”, sagte Cerha. In einem imaginären Wunderreich, das Ligeti als Jugendlicher in seiner Vorstellung entwickelt habe, habe keine Kausalität geherrscht, die Einwohner hätten eine eigens von Ligeti erfundene Sprache gesprochen. „Nun, da er nicht mehr ist, wünsche ich ihm, dass er in seinem Wunderreich lebt”, so Cerha.

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