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"Tragödie, über die keiner spricht"

Claude Kuva im Gespräch mit WANN & WO
Claude Kuva im Gespräch mit WANN & WO ©W&W/Mangard
Im Kongo deckte Claude Kuva Verbrechen auf und musste fliehen. Im Ländle schrieb er seine Geschichte auf.

Von Anja Förtsch (Wann & Wo)

Mehrere Tage im Leben von Claude Kuva sind verloren. Es sind die Tage, die der Kongolese von Rebellen im Osten des Landes verschleppt, festgehalten und gefoltert wurde. Wie lange, das weiß Kuva, der heute in Frastanz lebt, nicht einmal. „Sie haben mich in den Dschungel gebracht. Die Pflanzen dort waren so dicht, dass ich kein Tageslicht sah. Ob es Tag oder Nacht war, wie viele Tage vergingen, ich weiß es nicht“, erzählt Kuva WANN & WO. Woran er sich aber noch genau erinnern kann, ist die Gewalt. „Immer wieder kamen sie und schlugen mich mit den Kolben ihrer Kalaschnikows. Ohne Gründe, ohne irgendetwas zu sagen. Ich spüre die Schmerzen noch heute.“

Verschleppt und gefoltert

Kuva war ein Aktivist, er arbeitete gegen die Regierung – und war auch den Rebellengruppen ein Dorn im Auge, weil er deren Machenschaften aufdeckte. Über sein bewegtes Leben und seine Flucht ins Ländle hat er jetzt ein Buch geschrieben: „Der Brief eines Einwanderers aus dem Kongo nach Vorarlberg“. Seine Geschichte beginnt in den 90er Jahren. Als Student schließt er sich der regimekritischen Gruppe FEDECE an, tritt für Menschenrechte, Frieden und Demokratie ein. Das hatte mit der Zeit immer drastischere Folgen: Zuerst wird Kuva bedroht, später auch angegriffen und verletzt. Als einige seiner Mitstreiter von den Gegnern umgebracht werden, zieht er die Reißleine und flieht auch auf Drängen seiner Mutter hin in das Land Elfenbeinküste. „Das Schicksal meines Landes hat mich aber nicht losgelassen. Ich konnte nicht einfach beiseite schieben, dass die Kriege zwischen den Rebellengruppen bereits über sechs Millionen Tote gefordert hatten, dass mehr als 500.000 Frauen vergewaltigt wurden“, schildert Kuva WANN & WO. „Also bin ich heimlich zurückgekehrt.“

Organhandel aufgedeckt

Zurück im Kongo nimmt der Aktivist seine Recherchen wieder auf. Er deckt zuerst die menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Zustände der Arbeiter in den Gold-, Diamant- und Coltan-Minen im Osten des Landes auf – und gelangt immer tiefer in den Sumpf der Kriminalität. „Dort werden auch Kinder entführt und gezwungen, in den Minen zu arbeiten oder als Milizsoldaten in den Krieg zu ziehen“, erklärt Kuva. „Zuerst dachte ich, dass es in diesem Krieg nur um Minen und Mineralien gehen würde. Aber das, was wirklich dahinter steckt ist der Organhandel.“

Der Kongolese erlebt mit, wie Dörfer überfallen werden, Einwohner getötet werden – und wie direkt im Anschluss Hubschrauber landen, Ärzte aussteigen und die Organe der Toten entnehmen. „Der Ost-Kongo ist wie ein Selbstbedienungsbuffet für den Organhandel.“ Als Kuva diese Verbrechen öffentlich macht, wird er von den Rebellen in den Dschungel verschleppt und gefoltert. Nur durch Glück kann er schließlich fliehen, zuerst zurück nach Elfenbeinküste und dann nach Österreich. „Ich wollte hierher, weil Österreich ein Land ist, dass keine Kriege führt und nicht wirtschaftlich im Kongo involviert ist.“

In Vorarlberg lernt Kuva Deutsch und schreibt seine Geschichte auf. Damit will er auch ein Stück an das Land Vorarlberg zurückgeben: 25 Prozent der Tantiemen will er an das Land Vorarlberg spenden, „als Dank für die erlebte, große Gastfreundschaft“. Aber auch wenn er im Ländle eine neue Heimat gefunden, Freundschaften geschlossen und eine Familie gegründet hat, seine ursprüngliche Heimat, den Kongo, kann er trotz allem nicht vergessen. „Ich würde gern zurückkehren und etwas ändern. Aber dann würde ich nicht mehr leben“, sagt Kuva. „Der Kongo ist eine Tragödie, über die niemand spricht.“

Claude Kuva spricht auf einer Demonstration der regierungskritischen Gruppe FEDECE.
Claude Kuva spricht auf einer Demonstration der regierungskritischen Gruppe FEDECE. ©Privat

Packend und wahr: Die Geschichte von Claude Kuva

In „Der Brief eines Einwanderers aus dem Kongo nach Vorarlberg“ beschreibt Claude Kuva seine Lebensgeschichte – und die ist spannend wie ein Thriller, umso mehr, weil sie wahr ist. Die erste Auflage des Buches erschien im November 2018, der Nachdruck ist bereits in Auftrag gegeben. Von den Tantiemen will Kuva aus Dank 25 Prozent an das Land Vorarlberg spenden. Weiter Infos unter https://tinyurl.com/y7l94bev.

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