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Titane - Kritik und Trailer zum Film

"Titane" ist einer der ungewöhnlichsten Filme der vergangenen Jahre. Vieles von dem, was hier auf der Leinwand passiert, hat man so noch nie gesehen: Alexia ist eine junge, selbstbewusste Frau, die sich nichts vorschreiben lässt. Sie ist aber auch eine Serienkillerin, die alle Menschen aus dem Weg räumt, die ihr in irgendeiner Weise im Weg stehen. Und sie hat Sex mit einem Cadillac und wird schwanger.

Blut ist ein ganz besonderer Saft. Motoröl aber auch. Das strömt aus allen Körperöffnungen, Poren und frisch aufklaffenden Rissen der schwangeren Alexia. Sie ist nämlich schwanger von einem Auto, einem alten Cadillac. Der entsprechende Geschlechtsakt ist nicht die einzige bizarre Szene in "Titane" von Julia Ducournau. Der Gewinner der Goldenen Palme in Cannes läuft am Donnerstag regulär in den heimischen Kinos an.

Titane - Kurzinhalt zum Film

Bei den Filmfestspielen an der Croisette, wo Arthouse-Spezialisten, Filmkünstlerinnen und Kinolegenden aus aller Welt im Wettbewerb antraten, kann man sich die Verblüffung der hochkarätigen Konkurrenz lebhaft vorstellen, als sie alle von einem Horrorfilm geschlagen wurden, in dem sich Sex und Gewalt, Metall und Fleisch, Fetischismus und Identitätsdebatte zu einem verstörenden Mix verbinden. Die 37-jährige Französin Ducournau dankte der Jury dafür, dass sie mit ihrer Entscheidung "zu mehr Vielfalt in unseren Erfahrungen im Film und in unseren Leben" aufrufe: "Danke, dass ihr die Monster reingelassen habt!"

Es sind einige Monster, die Ducournau in ihrer Mischung aus Body Horror, Splatter und Fantasy in die freie Wildbahn entlässt. Nachdem vor fünf Jahren ihr Debüt "Raw" vor allem von rohem Fleisch handelte, interessieren sie nun Metalle und Motoren. Der Film beginnt mit einem Autounfall. Das Mädchen Alexia, am Rücksitz nicht angeschnallt, überlebt, trägt aber seither eine Titanplatte im Kopf, und zeigt schon beim Verlassen des Spitals eine zärtliche Zuneigung zu Automobilen.

Als junge Frau (mit höchster Intensität dargestellt von Agathe Rousselle) arbeitet sie als Go-Go-Girl bei Autoshows und kann sich der zudringlichen Nachstellungen eines "Fans" nur mit dem drastischen Einsatz ihrer langen, spitzen, stahlharten Haarnadel erwehren. Zu Hause in der Garage wartet ein mächtiger Bolide auf sie. Nackt und frisch geduscht steigt sie ins Automobil, und aus Auto-Erotik wird PS-Porno. Es ist nahezu unmöglich, bei Szenen wie diesen nicht an David Cronenbergs Film "Crash" (1996) zu denken.

Titane - Die Kritik

Das Mädchen mit der Titanplatte im Kopf trägt bald etwas im Bauch, von dem sie nicht recht weiß, was es wohl ist. Der Versuch einer Do-It-Yourself-Abtreibung per Haarnadel schlägt fehl. Je runder der Bauch wird, desto unrunder wird sie. Bald säumen etliche Leichen ihren Weg. Bis hierher ist "Titane" vor allem ein Blut- und Ölbad und setzt auf Provokation pur. Erlaubt ist, was die Fantasie hergibt. Da bekommt der Film eine unerwartete Wendung. Von der Polizei gejagt, verändert Alexia ihr Aussehen, u.a. indem sie sich selbst am Bahnhofs-WC ihre Nase bricht: Sie möchte einem anderen Fahndungsbild ähneln, auf dem das mögliche heutige Aussehen eines seit zehn Jahren abgängigen Buben zu sehen ist. Der Trick gelingt.

Der Vater, ein alternder Feuerwehrkommandant (in seinem heroischen Kampf gegen fortschreitende Schwäche stark: Vincent Lindon) identifiziert sie als seinen vermissten Sohn. Aus Alexia wird - auch dank immer schmerzhafteren Abbindens von Bauch und Brüsten - Adrien. Ein neues Drama nimmt immer mehr Gestalt an, jenes eines alten Mannes, der inmitten einer virilen Truppe junger Feuerwehrmänner mühsam seinen Platz an der Spitze behauptet und dabei schmerzlich seinen eigenen Sohn, ja überhaupt jegliche Art von Nähe und Zuneigung vermisst.

Bald wird klar: Er weiß, dass es nicht wirklich sein Sohn ist, den er da zu sich geholt hat. Aber er ahnt nicht, welches Monster sich tatsächlich in dieser verlorenen, zerschlagenen Gestalt verbirgt, der er seine väterlichen Gefühle angedeihen lässt. "Titane" spart auf der Zielgerade nicht mit Horror, Pathos und unverhohlenen Anspielungen auf die biblische Leidensgeschichte. Und am Ende steht eine Geburt.

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(APA/Red)

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