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The Remains - Nach der Osyssee: Kritik und Trailer zum Film

Es sind erschütternde Bilder und Statements, die Nathalie Borgers in ihrem neuen Dokumentarfilm "The Remains" einfängt: Die belgische Filmemacherin blickt auf die Flüchtlingswelle der vergangenen Monate und Jahre - aber aus einer anderen Perspektive, als man es erwarten würde. Sie zeigt das, was nach dem Horror kommt.

Die Verzweiflung hat in “The Remains” viele Gesichter: Der neue Dokumentarfilm von Nathalie Borgers setzt sich mit Opfern der Flüchtlingskrise auseinander und zeigt in persönlichen Geschichten was passiert, wenn Menschen die gefährliche Reise über das Mittelmeer nicht überleben. Am Freitag kommt der erschütternde wie aufrüttelnde Blick auf einen europäischen Friedhof ins Kino.

The Remains: Kurzinhalt zum Film

Die Belgierin Borgers, die sich in ihren Arbeiten immer wieder mit Österreich auseinandergesetzt hat (“Fang den Haider”, “Kronen Zeitung”), beackert ein Thema, für das die Aufmerksamkeit zuletzt deutlich gesunken ist. Doch auch wenn der Höhepunkt der Flüchtlingswelle mittlerweile einige Jahre zurückliegen mag, ist dieses Problem, als das es von vielen bezeichnet wird, keineswegs gelöst. Und hat zudem Folgen, über deren Ausmaß sich wohl nur die Angehörigen ansatzweise im Klaren sind.

Denn was passiert etwa mit jenen, die bei einem Bootsunglück gestorben sind? Die Bergung von Schiffen ist mitunter ein aufwendiges Unterfangen, das für die an Rettungsaktionen beteiligten Nationen keineswegs immer Priorität hat. In aller Härte muss das etwa Familie Jamil erfahren: 13 Menschen sind umgekommen, doch geborgen wurden sie nicht. Unzählige Anfragen haben die Brüder Farzat und Imad bei den diversen Organisationen bereits getätigt, doch allesamt ohne Ergebnis. Das Boot mit Mutter, Cousins und Cousinen, Frau und Kindern, es bleibt am Meeresgrund.

Während dieses Schicksal sich zwischen Wien, wo Farzat mit seiner Frau lebt und nach zähem Ringen auch seinen Vater sowie seine Schwestern unterbringen konnte, und Deutschland entspinnt, nimmt Borgers die Zuschauer auch mit nach Lesbos. Dem “schlimmsten Ort, obwohl er am nächsten liegt”, wie ein Fischer mit Blick auf das türkische Festland am Horizont erzählt. So viele hätten die Überfahrt gewagt, doch die felsige Küste macht das Anlegen zum halsbrecherischen Unterfangen. Er selbst hat bereits etliche Menschen retten können, musste aber auch Tote bergen.

Parallel dazu begleitet man die griechische Küstenwache, erfährt in knappen Worten und Bildern, wie die Suche nach Gekenterten abläuft oder nimmt teil an einer Übung zur fachgerechten Bergung von Ertrunkenen. Den oft namenlosen Gesichtern werden Nummern zugewiesen, sie werden fotografiert und letztlich begraben – auf Friedhöfen, die wiederum von Ziffern geprägt sind. Die nach der Überfahrt nutzlos gewordenen Rettungswesten sind ein anderes Überbleibsel der humanitären Katastrophe im Mittelmeer: Sie werden auf Lesbos gesammelt, aufgetrennt und weiterverarbeitet, etwa zu kleinen Taschen.

The Remains: Die Kritik

All das fängt Borgers mit ruhigen Bildern ein, bleibt oft lange auf den Gesichtern haften, lässt die Menschen genauso erzählen wie sie ihnen Ruhe für die eigenen Gedanken gibt. Das kippt schlussendlich auch auf den Betrachter über: Man ist hier zwar ganz nah dran an schrecklichen Schicksalen, nimmt aber keineswegs eine voyeuristische Perspektive ein. Stattdessen muss man ein ums andere Mal schlucken. Und wohl auch den Kopf schütteln: Über ein Asylsystem, das in seiner derzeitigen Form kaum geeignet scheint, dieser Aufgabe gewachsen zu sein. Über Familien, die Unmenschliches ertragen müssen. Über Schutzbedürftige, die auf der Suche nach einem Silberstreif am Horizont alles verloren haben.

Borgers lässt in gut eineinhalb Stunden einfach ihre Protagonisten sprechen und die Bilder ihre Wirkung entfalten. Die Regisseurin fragt nicht nach den Gründen der Flucht, bohrt nicht bei politischen Verantwortlichen nach – sie zeigt den Albtraum ganz einfach, wie er ist. Und weiß dabei um die richtige Balance aus kurzen, hoffnungsvollen Sequenzen und dem bisweilen niederschmetternden Alltag. “The Remains” ist kein leichter Film, er behandelt auch kein leichtes Thema. Es ist ein Ausschnitt, ein Streiflicht auf jenes Leid, dass uns alle immer noch angeht – ob man nun die Augen davor verschließen will oder nicht.

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(APA/Red)

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