"The Farewell" basiert auf einer "tatsächlichen Lüge", aber die Wahrheiten, die der Film enthüllt, könnten nicht kraftvoller sein. In den USA hat er am Startwochenende im Schnitt zurecht ein höheres Einspielergebnis pro Kino erzielt als "Avengers: Endgame". Lulu Wangs Tragikomödie über eine chinesische Familie, die trauert, während sie feiert, ist einer der Filme des Jahres. Ab Donnerstag im Kino.
The Farewell: Kurzinhalt zum Film
Als bei Lulu Wangs Großmutter Lungenkrebs im Endstadium diagnostiziert wurde, beschloss Wangs Familie dies vor der todkranken Frau geheim zu halten. In chinesischen Familien ist dies eine gängige Praxis, da davon ausgegangen wird, dass der Stress der Diagnose den Zustand einer Person nur verschlechtern würde. Stattdessen kam die Familie in China unter dem Vorwand zusammen, die Hochzeit ihres Enkels zu feiern.
Diese persönliche, unglaubliche Geschichte ist die Grundlage für Wangs ("Posthumous") zweiten Spielfilm "The Farewell" und Awkwafina spielt Billi, eine fiktionalisierte Version der in China geborenen US-amerikanischen Regisseurin und Drehbuchautorin. Billi, die den größten Teil ihres Lebens in New York City verbracht hat, erfährt, dass ihre geliebte Großmutter (eine großartige Shuzhen Zhao), ihre "Nai Nai", an Lungenkrebs im Endstadium leidet und nicht mehr lange zu leben hat. Aber der Rest der Familie, einschließlich ihrer Eltern (Tzi Ma und Diana Lin) hat beschlossen, ihr nichts davon zu erzählen. Stattdessen drängen sie Billis Cousin Hao Hao (Chen Han) und seine neue japanische Freundin Aiko (Aoi Mizuhara) zu heiraten, um die Familie zu einem letzten Treffen mit der Großmutter zusammenzubringen.
Eine Sterbende zu belügen, klingt zweifellos nach einer merkwürdigen kulturellen Eigenheit, insbesondere für Billi, denn in Amerika ist so etwas sowohl verpönt als auch strafbar. In weiten Teilen Chinas ist dies jedoch gängige Praxis. Es mag eine Lüge sein, aber wie ein gut meinender Arzt betont: "Es ist eine gute Lüge." Außerdem ist es kaum eine egoistische, sagt Billis Onkel Haibin (Jiang Yongbo). "Du denkst, das Leben gehört dir selbst", sagt er an einer Stelle, "aber das ist der Unterschied zwischen Ost und West ... Es ist unsere Pflicht, diese emotionale Belastung für sie zu tragen."
The Farewell: Die Kritik
Hier untersucht Wang die kulturellen Unterschiede zwischen dem Kollektivismus im Osten und dem Individualismus im Westen, ohne zu beurteilen oder auszusprechen, wessen Ansatz besser ist, und ohne sich jemals auf Klischees zu stützen. "The Farewell" ist ein bemerkenswert selbstbewusster Film, der an die intimen, vielschichtigen Dramen anderer ostasiatischer Filmemacher wie Hirokazu Kore-eda und Edward Yang erinnert. Ihre Herangehensweise ist so intim und unsentimental, dass man das Gefühl hat, in diese Stadt, diese Familie, dieses Leben eingetaucht zu sein. Und man wird im Laufe des Films vielleicht sogar seine Meinung darüber ändern, wie man selbst mit einem solchen Dilemma umgehen würde.
So traurig der Film sich auch anhören mag, "The Farewell" ist voller, urkomischer, verspielter Momente. Etwa wenn die Familie das Grab eines verstorbenen, geliebten Menschen besucht, bepackt mit vielen Dingen, die er im Leben geliebt hat, bevor sie in eine hitzige Diskussion darüber gerät, ob sie ihm eine Zigarette geben sollen oder nicht - obwohl er tot ist. Oder wenn wir eine Frau sehen, die dafür bezahlt wurde, an einem anderen Grab zu heulen.
Es ist schwer zu sagen, wie genau Wang diese Figuren ihrer eigenen Familie nachempfunden hat, aber jede von ihnen ist liebevoll geschrieben. Awkwafina, eine Rapperin und Schauspielerin, die hierzulande am besten für ihre Nebenrollen in Filmen wie "Ocean's 8" und "Crazy Rich" bekannt ist, ist in ihrer ersten Hauptrolle außergewöhnlich. Sie lässt uns Billis Schmerz durch ihre gebückte Haltung und in ihrem stillen Blick sehen. Sie ist sich nicht sicher, welche die beste Art zu lieben ist. Und am Ende gibt es keine richtige oder falsche Antwort.
(APA/Red)