Am Sonntagabend beim Open Air in der Wiener Arena spielte Mister E, wie sich Everett zu nennen pflegt, mitsamt Gruppe ausgelassenen Rock ‘n’ Roll. Nur konsequent, dass dabei etwa der ursprünglich recht poppige Indie-Song “I Like Birds” brachial wie eine Neuerfindung von “My Generation” rüberkam.
Die Vorzeichen deuteten in eine andere Richtung: Vor der Show erklangen dick aufgetragene Streicher aus der Konserve, inklusive “Over The Rainbow” und “When You Wish Upon A Star” (aus Walt Disney’s “Pinocchio”), dazwischen gab die britische Newcomerin Alice Gold, die mit Band eigentlich recht fetzt, eine Solo-Darbietung mit ähnlicher Wirkung wie koffeinfreier Kaffee. Dann eröffnete Mister Everett mit Rauschebart, Sonnenbrille, Tuch um den Kopf und komplett weißem Outfit sein Programm behäbig mit dem “Grace Kelly Blues” ohne Begleitung, nur mit Klampfe, besang anschließend den “Little Bird” als einzig verbliebenen Freund und ließ seinen Liebesschmerz in “End Times” im Weltuntergang gipfeln. Kurzfristig Depression pur.
Doch dass man sich noch wundern darf, darauf hat schon der erste Akt im Vorprogramm schließen lassen. Da war nämlich ein hundsmiserabler Bauchredner aufgetreten. Beim dagegen hervorragenden Set der Eels verwandelte sich das Wundern rasch ins Staunen: Beim vierten Song, “Prizefighter”, ließ E seine – trotz Erkältung faszinierende – Stimme und seine Gitarre erstmals aufheulen, die Formation preschte regelrecht durch das Garagenrockstück, um danach “She Said Yeah” von den Rolling Stones wie eine Halbstarken-Combo aus den 60er Jahren hinzurotzen.
Gelungen und Stilvoll
Es kam noch mehr davon: “Gone Man” wirkte im Vergleich zur Plattenversion, als wären die Gäule durchgegangen, “Tremendous Dynamite” genauso explosiv wie auf LP, nur noch eine Spur rauer. Dass hier kein Trübsalblasen angesagt und Humor willkommen war, verdeutlichte “Summer In The City”, ein Lovin’-Spoonful-Cover außer Rand und Band. Geschickt kombinierte E Material aus seiner zuletzt veröffentlichten Plattentrilogie, den stilistisch unterschiedlichen “Hombre Lobo”, “End Times” und “Tomorrow Morning”. Wobei die Nummern von letzterer Produktion (wie das bezaubernde “Spectacular Girl” oder das überdreht-fröhliche “Oh So Lovely” am Schluss) live ohne elektronische Spielereien sehr gut auskamen.
Everett hat es gar nicht nötig, alle seine Hits unterzubringen. Das Gesamtbild muss stimmen – dazu passten diesmal “Souljacker Part 1” und “Dog Faced Boy” ganz hervorragend. Statt mit “Novacain For The Soul” auf Nummer sicher zu gehen, interpretierte er lieber mit seinen Eels “Summertime”, als hätte George Gershwin dieses Lied für The Doors komponiert. “Mr. E’s Beautiful Blues”, ein Stück mit Hit-Potenzial, das E einst auf dem Album “Daisies Of The Galaxy” trotzdem nur als “Hidden Track” versteckt hat, weil es einfach nicht zum Rest passen wollte, erinnerte mehr denn je, ganz absichtlich, an “Twist And Shout”. Nachdem die Gitarren ausgedröhnt hatten, als würden sie im Sold von Neil Young und Crazy Horse stehen, schloss sich mit drei gemächlichen Zugaben der Kreis einer stilvollen Inszenierung.
Schon reingehört? Eels, “Novocaine For The Soul”