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The Card Counter - Kritik und Trailer zum Film

Ein stiller, in sich gekehrter Mann, der sein Geld mit Glücksspiel in Casinos verdient: Auf den ersten Blick scheint William Tell ein eher unscheinbarer Typ mit einem etwas ungewöhnlichen Job und Namen zu sein. Doch dann holt ihn seine dunkle Vergangenheit ein. Denn Tell war früher US-Soldat in Abu Ghraib im Irak und folterte Gefangene.

Herz-Dame, Kreuz-Sieben oder Pik-Ass: William Tell hat sie alle im Kopf. Der ehemalige Soldat verbringt seine Tage damit, an Blackjack-Tischen in Casinos zu sitzen, Karten zu zählen und gerade so viel zu gewinnen, dass er keinen Verdacht erweckt. Dann zieht er weiter, von Stadt zu Stadt und Motel zu Motel. In Paul Schraders "The Card Counter" jagt der von Oscar Isaac dargestellte Einzelgänger aber nicht das große Geld, sondern will Buße tun. Ab Freitag im Kino.

The Card Counter - Kurzinhalt zum Film

Klassiker wie "Taxi Driver" oder "Wie ein wilder Stier" stammen aus der Feder von Schrader, der als Regisseur ebenfalls oft überzeugen konnte. Bei seinem neuesten Projekt konnte sich der US-Amerikaner, der kürzlich beim Zurich Film Fest für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, aber offenbar nicht wirklich für eine Richtung entscheiden. Während der Spieleraspekt besonders zu Beginn im Fokus steht und mit gut gemachten Voice-Overs einige Feinheiten herausgearbeitet werden, zerfranst die Handlung im weiteren Verlauf zusehends.

Denn Tell (Isaac glänzt in dieser stoischen Rolle mit einem zurückhaltenden, aber sehr prägnanten Spiel) nutzt die immer gleichen Abläufe, um sich selbst zu bestrafen. Als Soldat war er Teil jener Truppe, die in Abu Ghraib Gefangene misshandelte und folterte, wofür er mehrere Jahre hinter Gitter wanderte. In dieser Zeit lernte er, Karten zu zählen und fand gefallen an der Schlichtheit seines Alltags. So bezieht er in jedem neuen Motelzimmer alle Möbel und Gegenstände mit weißen Leintüchern, um seine Umgebung so karg wie möglich zu halten.

Die Reue und Zwanghaftigkeit, die Schrader damit zum Ausdruck bringt, wird letztlich durchbrochen vom plötzlichen Auftauchen eines jungen Mannes: Cirk (Tye Sheridan bleibt relativ blass ob der eindimensionalen Ausgestaltung seiner Figur) ist Sohn eines ehemaligen Kollegen von Tell, der sich nach den Gräuel von Abu Ghraib das Leben nahm. Nun will sich Cirk am ehemaligen Vorgesetzten der Männer rächen, ihn foltern und töten. Statt ihm dabei zu helfen, wie Cirk es erhofft, nimmt Tell ihn unter seine Fittiche und versucht, ihn auf einen rechtschaffenen Pfad zurückzuführen.

The Card Counter - Die Kritik

Als Nebengeräusche gibt es eine Liebesbeziehung Tells mit der Spielermanagerin La Linda (Tiffany Haddish muss sich hier unter Wert verkaufen) sowie eine Pokerturnierserie, bei der nur wenig Spannung aufkommt, dafür aber ein bis zum äußersten Stereotyp überzeichneter Antagonist samt Entourage mit USA-Faible auftritt. Gerade Letzteres stört den Handlungsfluss unweigerlich, weil sich daraus keine Dynamiken oder sonstigen Entwicklungen ergeben. Ohnehin ist die Motivation der Charaktere mit der Lupe zu suchen, weshalb man Tell als altruistisch veranlagten Ex-Soldaten mit Foltertrauma und Kartenfaible einfach als solchen hinnehmen muss.

Insgesamt bleibt Schrader vieles schuldig: Die kurz zwischengeschobenen Horrorszenen aus Abu Ghraib wissen zwar zu schockieren, bleiben aber im Gesamtkontext seltsam wirkungslos. Auch bei so manchem Dialog zwischen Tell und La Linda ist man geneigt, ungläubig den Kopf zu schütteln ob der vielen schmerzhaften Klischees, die bedient werden. "The Card Counter" mag zwar in der Gegenwart spielen, wirkt aber wie aus einer anderen Zeit, nicht zuletzt was Geschlechterrollen betrifft. Dass man dennoch dran bleibt, ist allen voran Isaac zu verdanken, der aus dem Wenigen, was ihm gereicht wird, das Maximum herausholt. Aber selbst der einsatzfreudigste Hollywoodstar muss manchmal erkennen, dass das Kartenzählen alleine nicht reicht, um ein gutes von einem schlechten Blatt zu unterscheiden.

Alle Spielzeiten auf einen Blick

(APA/Red)

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