Lucas Allgäuer reiste am 10. September 2001 als Tourist in die USA. Heute leitet er ein erfolgreiches Flugunternehmen in Florida. Wie es dazu kam und worin sich die Menschen in Florida von den Feldkirchern unterscheiden erzählt er uns im Interview.
Herr Allgäuer, am 10. September 2001 sind Sie als Tourist in die USA gereist, heute leiten Sie ein erfolgreiches Aircraft Management-Unternehmen in Florida. Das ist eine ziemlich rasante Geschichte, wenn man berücksichtigt, dass Sie Ihren 30. Geburtstag noch vor sich haben. Wie kam es dazu?
Es begann mit einem Zufall, ich absolvierte noch meine Lehre zum Bürokaufmann im Rathaus der Stadt Feldkirch. Dort erhielt ich einen Anruf von einem Auslands-Österreicher, der in Florida wohnte. Er benötigte die eine oder andere Urkunde, ich war dafür gar nicht zuständig, er hatte die falsche Durchwahl erwischt. Aber wir kamen ins Gespräch und er lud mich ein, ihn in Amerika zu besuchen. Nach meiner Lehrabschlussprüfung hab ich den Rucksack gepackt und bin hinübergeflogen.
Das erklärt noch nicht die rasante Karriere. . .
Ja, das hängt mit der Liebe und der amerikanischen Mentalität zusammen. Im ersten Monat meines Urlaubs lernte ich meine Lebensgefährtin Jill kennen. Uns war bald klar, dass wir nicht durch einen Ozean getrennt leben konnten. Aufgrund meines Visums durfte ich nicht arbeiten, es war mir lediglich erlaubt, Ausbildungen zu machen. Jill fragte mich, was ich denn schon immer machen wollte und ich sagte: Pilot. In Europa wäre das ziemlich ungewöhnlich, aber die Amerikaner haben die Einstellung, dass man alles schaffen kann, was man möchte und diese Einstellung hat auf mich abgefärbt.
Und das Risiko hat gelohnt, wenn man bedenkt, dass Sie heute die Privatjets zahlreicher Prominenter managen und fliegen?
Heute ist das so, aber während der Ausbildung war es sehr schwierig, wir hatten lange Durststrecken, in denen wir kalkulieren mussten und wir für Lebensmittel nicht mehr als 30 Dollar pro Woche zur Verfügung hatten. In der Zeit zeigte sich der Mentalitätsunterschied sehr deutlich: Ich, als Vorarlberger, bin mit dem Satz Schaffa, schaffa, Hüsle baua” groß geworden, der eine Art Sparmentalität” ausdrückt erst sparen, dann kaufen. Die US-Amerikaner haben kein Problem damit, Geld für etwas auszugeben, das sie noch nicht sehen, nicht anfassen können, man könnte es Investitionsmentalität” nennen.
Es war nicht immer einfach, sich vom Spar-Gedanken zu befreien und daran zu glau-
ben, dass man es am Ende schafft.
Mitten in der Weltwirtschaftskrise muss man sich aber auch die Kehrseite dieser Investitionsmentalität” ansehen. War es nicht gerade dieser Umgang mit Geld, der zur Krise beigetragen hat?
Es gilt, einen Mittelweg zu finden. Tatsächlich haben viele Unternehmen hier ihre Gewinne umgehend an den Kapitalmärkten angelegt, um ihr Geld für sich arbeiten zu lassen. Ich war da immer anders, auch privat achte ich darauf, dass das, was am Ende des Monats übrig bleibt, aufs Sparbuch kommt. Dafür wurde ich früher belächelt. Heute ist mein Unternehmen das einzige am Flughafen, das seit Beginn der Krise noch übrig geblieben ist. Und ich werde von Freunden und Bekannten gefragt, wie ich es mache. Das europäische Modell” des defensiveren Investierens” wird zunehmend auch für die Amerikaner interessanter.
Kommen wir zu den Menschen in Florida an sich, wie sieht sich der Floridaner im Vergleich zu den restlichen US-Amerikanern?
Generell ist es so, dass es den amerikanischen Süden und den amerikanischen Norden gibt. Die Leute im Süden sind offener, entspannter, sind einfach mehr draußen und gehen mehr auf andere Menschen zu. Besonderes an den Menschen in Florida ist, dass viele hier her gekommen sind, um einen Neustart in ihrem Leben zu versuchen. Entweder haben sie ihren Job verloren oder eine Beziehung ging zu Ende und sie dachten sich, gehe ich nach Florida, da ist zumindest das Wetter schön.
Und wie leicht war es für Sie, Anschluss zu finden?
Wie gesagt, die Leute sind an sich schon offen und wenn man dazu noch einen leichten ausländischen Akzent hat so wie ich, wird man ständig angesprochen und man kommt sehr leicht ins Gespräch.
Haben sich da-raus auch Freundschaften entwickelt?
Wenn ich Freitagabend zu Hause bin, öffne ich meine Garagentür, stelle ein paar Stühle in die Auffahrt und schalte den CD-Player ein. Innerhalb kurzer Zeit stehen 10 bis 15 Leute in der Auffahrt, man trinkt ein Bier und grillt. Und tatsächlich sind diese Leute friends”, sie erzählen mir auch alles über sich, egal ob es um Beziehung oder ums Geld geht. Ich dagegen bin da etwas zurückhaltender und spreche nicht mit jedem über Dinge, die für mich absolut privat sind. Das hat schon manchen friend” verwundert und ich wurde gefragt, ob ich etwas gegen sie habe oder ob sie etwas Falsches gesagt hätten, weil ich eben nicht mit jedem über alles plaudere. Das ist ein großer Unterschied: Amerikaner haben viele friends”, aber echte Freunde hat man dann doch weniger, genauso wie in Europa.
Ocala ist die Bezirkshauptstadt von Marion County und hat etwa gleichviel Einwohner wie Feldkirch. Worin unterscheiden sich die Städte?
Der Hauptunterschied liegt in dem Platz, den die Städte haben, um sich auszubreiten. Die Stadt Ocala ist auf eine riesige Fläche verstreut, es gibt kein eigentliches Zentrum, keine Marktgasse. Die Gegend hier lässt sich eher mit dem Rheintal vergleichen. Es ist sehr ländlich, mit viel Natur, große Flächen werden zur Pferdezucht genutzt und es gibt viele Seen, in denen aber auch die Alligatoren wohnen.
Und was macht ein erfolgreicher Feldkircher, wenn er sich in Ocala mal so richtig entspannen möchte?
Nun, ich habe sehr unregelmäßige Arbeitszeiten und arbeite oft sieben Tage die Woche. Wenn ich Zeit habe, liege ich deshalb am liebsten einfach am Pool. Jill und ich fahren aber auch sehr gerne Motorrad, am Wochenende nehmen wir uns gelegentlich eines unserer kleineren Flugzeuge und fliegen damit nach Tampa oder Key West. In Florida wird einem nicht langweilig, schließlich ist es so, die Amerikaner arbeiten, um zu leben und nicht umgekehrt.
(David Böckle)
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