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Terror-Prozess um 11.September in Hamburg

Vor dem Oberlandesgericht in Hamburg beginnt am Donnerstag der zweite Prozess gegen einen mutmaßlichen Helfer der Attentäter vom 11. September.

Mit einem scharfen Wortgefecht zwischen Bundesanwaltschaft und Verteidigung hat am Donnerstag vor dem Hamburger Oberlandesgericht der Terrorprozess gegen den 30-jährigen Marokkaner Abdelghani Mzoudi begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Anklagten in Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 Beihilfe zum Mord in mindestens 3.066 Fällen und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Der Elektronikstudent soll als Mitglied der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta bei der Vorbereitung der Anschläge mitgewirkt haben.

Staatsanwalt Matthias Krauß warf dem Angeklagten eine „aggressive islamistische Haltung“ vor. Er sei von den ersten Planungen bis zu den Anschlägen in die Pläne der Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten Atta eingeweiht gewesen. „Er handelte, um die Terroranschläge zu unterstützen“, sagte Krauß.

Mzoudi selbst wirkte im Gerichtssaal ruhig und gefasst. Sein Verteidiger Michael Rosenthal warf der Anklage „einen Mangel an Verständnis für andere Kulturkreise“ vor. Zudem gehe sie von zahlreichen „unbewiesene Annahmen“ aus und stütze sich auf „Merkwürdigkeiten“. Das habe auch das Verfahren um Mzoudis Landsmann Mounir El Motassadeq gezeigt. Er war im Februar zu 15 Jahren Haft verurteilt – wegen derselben Vorwürfe. Die Revision beim Bundesgerichtshof läuft noch.

Rosenthal betonte zugleich, dass das Verfahrens ohne den wichtigsten Zeugen Ramzi Binalshibh, der als „Chefplaner“ der Gruppe gilt, keinen Sinn mache. Er sitzt in den USA in Haft und erhält keine Aussagegenehmigung. Für das Verfahren gebe es „erheblichen Aufklärungsbedarf“.

Mzoudis Anwältin Pinar Gül beklagte, dass die Verteidigung lediglich drei Monate Zeit gehabt habe, um die 130 Ordner umfassenden Ermittlungsunterlagen der Bundesanwaltschaft einzusehen. Das lege den Verdacht nahe, dass die Bundesanwälte „den Gang des Verfahrens bestimmen“ wollten, erklärte Gül. Zudem lasse sich die „konstruierte ideologische Übereinstimmung“ Mzoudis mit Atta „durch die Anklage nicht beweisen“.

Anders als Motassadeq, der zu allen Anklagepunkten Auskunft gegeben hatte, machte Mzoudi am Donnerstag lediglich Angaben zu seiner Person. Er werde sich ansonsten zur Anklage nicht äußern, betonten seine Anwälte. Mzoudi hatte kurz nach den Anschlägen in einem Interview eine eventuelle Tatbeteiligung weit von sich gewiesen.

Nach Überzeugung der Anklage hat Mzoudi Mitglieder der Hamburger Terrorzelle bei der Geldversorgung geholfen und ihnen Unterkünfte zur Verfügung gestellt. Einem mutmaßlichen Terror-Planer, der mittlerweile auf der Flucht ist, soll er seine EC-Karte gegeben haben. Wie die anderen Mitglieder der Terrorzelle war er laut Anklage in einem El-Kaida-Ausbildungslager in Afghanistan. Verteidigerin Gül betonte, dies sei zur damaligen Zeit nicht strafbar gewesen. „Es stellt sich die Frage, warum nicht auch andere Teilnehmer solcher Ausbildungslager angeklagt werden“, sagte Gül.

Bundesanwalt Walter Hemberger warf Mzoudis Verteidiger vor, ihm stehe keine Urteilsschelte zum Motassadeq-Prozess zu. „Sie sind schließlich nicht dabei gewesen“, sagte Hemberger. Außerdem habe die Verteidigung die Möglichkeit gehabt, sich bei Fragen zu den Ermittlungsakten an die Bundesanwaltschaft zu wenden. Zugleich räumte Hemberger ein, dass die Aussage des wichtigsten Zeugen von Bedeutung sei. „Wir haben das gleiche Interesse wie sie, dass Binalshibh aussagt“.

Für die Hauptverhandlung hat das Gericht zunächst 37 Verhandlungstage bis zum 5. Jänner 2004 anberaumt. Die 92-seitige Anklage des Generalbundesanwalts benennt 125 Zeugen, vier Sachverständige, 214 Urkunden und Objekte sowie 29 Kontounterlagen.

Im Februar hatte das Hamburger Gericht den Marokkaner Motassadeq wegen ähnlicher Vorwürfe zur Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt. Über die Revision hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.

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