Tendenz zu Schwarz-Rot
Hauptargument: Eine breite parlamentarische Mehrheit sei für die anstehenden großen Reformvorhaben vorzuziehen. Abwartend mit Koalitionsaussagen gaben sich vorerst Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Peter Mitterbauer, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Der ehemalige SP-Spitzenpolitiker Hannes Androsch meinte dagegen, er sehe keinen Grund, warum die SPÖ an einer Koalition mit der ÖVP teilnehmen solle.
Siemens-Generaldirektor Albert Hochleitner sprach sich gegenüber der APA für eine große Koalition aus, da eine breite politische Basis notwendig sei, um die Probleme Österreichs zu lösen. In Richtung SPÖ meinte Hochleitner, sie müsse sich überlegen, ob man weiter zuschauen oder mitgestalten wolle. Ins gleiche Horn stieß Günter Geyer, Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung: Eine große Koalition sei wegen der anstehenden Probleme „zweckmäßig“, die SPÖ habe die Verantwortung, bei wichtigen Themen mitzuwirken.
Auch der ehemalige ÖBB-Chef, RHI-Vorstandsvorsitzender Helmut Draxler trat für schwarz-rot ein. VA-Tech-Chef Erich Becker trat für eine „möglichst starke Regierung“ ein, ohne sich ausdrücklich für eine große Koalition aussprechen zu wollen. Für die Wirtschaft wäre eine große Koalition am Besten, alles andere bringe nicht die erforderliche Stabilität, erklärte auch Rene Alfons Haiden, Vorsitzender der SP-Unternehmervertretung „Wirtschaftsverband Österreich“ und Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Abwartend gab sich zunächst Wirtschaftskammerpräsident – und Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes – Christoph Leitl: Die ÖVP habe vor der Wahl keine Partei als Koalitionspartner ausgeschlossen und solle dies auch nach der Wahl so halten. Mit der Unsicherheit über die weitere Entwicklung bei den potenziellen Koalitionspartnern argumentierte Peter Mitterbauer, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Der Ruf nach einer großen Koalition aus der Wirtschaft sei für ihn zwar „rational“ und „logisch“, man müsse aber abwarten „welcher Flügel in der SPÖ Oberhand gewinnt.“ Umgekehrt sei eine FPÖ, die vom Flügel der „Knittelfelder“ dominiert werde, nicht koalitionsfähig.
Ganz ähnlich argumentierte Böhler-Uddeholm-Boss Claus Raidl, der in den nächsten Wochen „Führungsdiskussionen“ bei SPÖ und FPÖ erwartet. Wer sich dann als der verlässlichere Partner darstelle, sei eine „Abwägungsfrage“ für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und die ÖVP. Die SPÖ müsse von „Justamentstandpunkten“ abrücken und „wirtschaftsfreundlicher“ werden, um als Koalitionspartner in Frage zu kommen.
Für den Kapitalmarktbeauftragten der bisherigen Regierung, Wirtschaftskammer-Vizepräsident Richard Schenz bedeutet der Wahlsieg der ÖVP, dass eine „vernünftige Wirtschaftspolitik“ fortgesetzt werden kann. Bei der FPÖ wisse er nicht, wer die handelnden Personen seien, die SPÖ scheine bei „allem Wenn und Aber“ berechenbarer zu sein. Wenn es die neue Regierung wolle, stehe er weiter als Kapitalmarktbeauftragter zur Verfügung. Erich Obersteiner, Vorstand der Wiener Börse, meinte, aus Sicht des Kapitalmarkts könne man das Wahlergebnis „entspannt“ sehen. Einige für den Kapitalmarkt wichtige Punkte seien auf Schiene gesetzt und würden voraussichtlich weiter geführt – „das werden die Finanzmärkte goutieren“.
Keine Beteiligung der SPÖ an einer künftigen Regierung erwartet und empfiehlt der ehemalige SP-Spitzenpolitiker Hannes Androsch:
Schüssel habe „vom Wähler den Löffel bekommen, um die Suppe, die er uns in den vergangenen Jahren eingebrockt hat, selbst auszulöffeln. Ich kann mir nicht vorstellen, warum die SPÖ dabei Assistenz leisten sollte.“ Die Wahl sei ein „großer Erfolg des eiskalten Pokerspielers Schüssel mit seinen geschickten Phrasen“, aber: „Bei Philippi sehen wir uns wieder.“